Canabis-Verkauf zu Freizeitzwecken: Colorado verdient mit
Der US-Bundesstaat Colorado erlaubt den freien Verkauf von Marihuana in kleinen Mengen. Die Drogen bringen Steuereinnahmen in Millionenhöhe.
An der gläsernen Eingangstür kontrolliert der Sicherheitsmann in schwarzer Uniform jeden, der hier reinwill. Es ist Samstagmittag. 35 Leute drängen sich an der Ecke Folsom Street und Canyon Boulevard in dem kleinen Shop, der sich in dem einstöckigen rot-braunen Klinkerbau eingemietet hat. Manche lehnen an der blanken Wand, eine Frau in schwarzer Lederjacke sitzt halb auf der Fensterbank, andere stehen in der Nähe der niedrigen holzbraunen Ladentheke. Die Leute sind für „Blue Moonshine“, hier, sie wollen „Chernobyl Nr. 3“ oder „Agent Orange“. Andere stehen für Süßigkeiten wie „Beyond Mars“ oder „Gaias Garden“ an. Von der Ware ist in dem nüchternen Raum aber keine Spur.
Eine junge Frau mit grauer Mütze auf den blonden Dreadlocks gibt Wartenummern aus. „Wartezeit etwa eine Stunde“, sagt sie. Wer an der Reihe ist, wird durch eine Tür ins Hinterzimmer geführt. Dort gibt es Marihuana in allerlei Formen und Geschmacksrichtungen. Seit fünf Tagen hat „Terrapin Care“ in Boulder, im Bundesstaat Colorado, die Erlaubnis, die Droge in kleinen Mengen frei zu verkaufen. Der Laden ist immer voll, die Einnahmen fließen. Colorado hat einen neuen, legalen Markt geschaffen.
21 Bundesstaaten der USA haben inzwischen den Verkauf von Cannabis zu medizinischen Zwecken legalisiert. Die Regierung des Staates New York ringt aktuell mit dem Kongress des Staates um die Legalisierung. Colorado und der Staat Washington erlauben sogar den Verkauf kleiner Mengen zu „Freizeitzwecken“. Wie Alkohol darf das Rauschmittel jedoch nicht in der Öffentlichkeit konsumiert werden und das Mindestalter für den legalen Konsum liegt bei 21 Jahren. Die ersten Läden haben im Januar eröffnet.
Doch obwohl selbst US-Präsident Barack Obama Anfang des Jahres gesagt hat, dass er in seiner Jugend gekifft habe und dass Marihuana nicht gefährlicher sei als Alkohol, zieht nicht das ganze Land mit. Ein Blick auf die Karte der Vereinigten Staaten zeigt Marihuanaverbote in den klassisch konservativen Regionen: die Ebenen des Mittleren Westens, die Südstaaten und auch die nordöstlichen Korn-Staaten. Und das Bundesgesetz führt Marihuana noch immer als verbotene Droge auf einer Stufe mit LSD, Ecstasy, Methamphetamin und Heroin.
Wer hier einkaufen will, muss bar zahlen
An der Eingangstür von „Terrapin Care“in der Folsom Street in Boulder hängt ein weißes Blatt. „Cash only“, nur Bargeld, steht darauf geschrieben. Viele Banken machen den Cannabis-Läden Schwierigkeiten. Aus Angst, gegen das Bundesgesetz gegen Geldwäsche zu verstoßen, verweigern viele Geldinstitute den Läden ein Konto. „Agent Orange“ gibt es also nicht auf Kreditkarte. Das immerhin will die US-Regierung ändern. Sie hat jetzt die Sicherheitsbehörden angewiesen, Banken, die mit Cannabis-Firmen arbeiten, nur dann genauer unter die Lupe zu nehmen, wenn die Finanzbehörden einen Verdacht auf Geldwäsche melden.
Währenddessen läuft der Handel mit Marihuana in Clubs und Parks, auf Hinterhöfen oder in der Nähe von Schulen weiter. Durch die Entkriminalisierung soll der Stoff für jene offen zugänglich werden, denen er bei schweren Krankheiten Erleichterung bringt. In Colorado und Washington ist die Freigabe ein Eingeständnis der Realität.
Manch liberaler Bürger aus Colorado, der für die Legalisierung gestimmt hat, sieht den Versuch inzwischen allerdings skeptisch. Insbesondere der Verkauf in Form von Süßigkeiten macht Edmont Veir (Name geändert), einen älteren Bewohner Boulders, skeptisch. „Der essbare Teil behagt mir nicht“, sagt Veir. Süßigkeiten machten Drogen attraktiv für junge Leute, auch solche, die sich sonst vom Rauchen oder Alkoholexzessen fernhielten. „Sie realisieren nicht wirklich, dass sie Drogen nehmen.“ Für die Staatskasse könnte sich die Entkriminalisierung allerdings auszahlen. Auf medizinisch indizierte Cannabis-Verkäufe wendet Colorado die übliche Verkaufssteuer von 8,1 Prozent an. Am Verkauf von Dope zu „Freizeitzwecken“ verdient Boulder sogar 21 Prozent. Ein Teil der Steuereinnahmen ist gebunden und fließt direkt in den Etat des Schuldistrikts. Mit ihnen werden Sportanlagen gebaut, Schulen ausgestattet oder Spielplätze angelegt.
Allein im Januar 2014 brachte der Freizeit-Cannabis-Verkauf Colorado zwei Millionen Dollar, der Verkauf zu medizinischen Zwecken noch einmal 1,5 Millionen. Die Steuerbehörden können mit voraussichtlich 40 Millionen Dollar an zusätzlichen Einnahmen rechnen. Experten vergleichen das mit einem Prozent der Haushalte von Delaware, South Dakota, Montana oder West Virginia. Für die kommenden fünf Jahre rechnet der Marktforscher Arcview Market Research mit einem Marktwachstum auf mehr als zehn Milliarden Dollar. Troy Dayton, Leiter des Instituts, nennt das Cannabis-Geschäft deswegen die „nächste große amerikanische Branche“.