Beraterbranche: Coach werden: lohnt sich das noch?
Die Beraterbranche boomt. Aber brauchen wir noch mehr? Ob sich der Einstieg noch lohnt und wie er gelingt.
Sie bieten Lebensberatung, helfen bei der Karriereplanung oder beim Stressmanagement: Coaches sind aus dem Beratermarkt nicht mehr wegzudenken. Weiterbildungen in diesem Bereich boomen – nicht nur für angehende Business-Coaches, sondern auch für Pfarrer oder Lehrer, die die Methoden des Coachings in ihre Arbeit einfließen lassen wollen. Nach Schätzungen des Deutschen Bundesverband Coaching e.V. (DVBC) absolvieren pro Jahr etwa 4000 Menschen in Deutschland eine Coaching-Ausbildung.
Doch lohnt sich das? Ist der Markt nicht längst schon gesättigt? Zudem ist Coach keine geschützte Berufsbezeichnung – jeder kann sich als Coach ausgeben. Reinhold Weiß, Vizepräsident und Forschungsdirektor des Bundesinstituts für Berufsbildung in Bonn, ist skeptisch angesichts der Masse an Beratern und Trainern auf dem Markt. In einem Interview mit dem Tagesspiegel sagte er, der Gipfel sei erreicht – denn Coaching sei teuer. Und weiter: „Viele Trainer bieten jetzt Coaching an, wo man sich fragen muss, wie es mit der Qualität aussieht“.
Die Branche bleibt dennoch optimistisch: Für Coaches gibt es noch jede Menge zu tun, meint Thomas Bachmann. Er leitet das Coaching- und Beratungsinstitut artop, das unter anderem die Ausbildung zum Coach mit dem Schwerpunkt auf berufliche Entwicklung anbietet. Der Psychologe hält es für eine ganz natürliche Entwicklung, dass sich Unternehmen in Zeiten immer unübersichtlicher, globaler und komplex vernetzter Arbeitsstrukturen Unterstützung von Fachleuten holen und sich beraten lassen. „Noch nicht alle Unternehmen und Institutionen haben ein Coaching für ihre Führungskräfte eingeführt“, sagt er. „Wenn man sich überlegt, dass ein Unternehmen mit einigen hundert Mitarbeitern einen Pool von etwa zehn Coaches benötigt, gibt es noch viele Möglichkeiten für angehende Coaches.“
Um sich am Markt als selbständiger Coach zu etablieren, braucht man jedoch einen langen Atem. Zwei bis drei Jahre würde Thomas Bachmann rechnen, der DVBC geht von drei bis fünf Jahren aus. „Der Erfolg hängt stark davon ab, welche Standbeine und Arbeitserfahrung man sonst noch mitbringt“, sagt Thomas Bachmann. „Viele Coaches bieten zusätzlich noch Trainings, Organisationsentwicklung und Beratung für Unternehmen an.“
Ein gängiger Berufsweg sei zum Beispiel ein Psychologiestudium mit anschließender Festanstellung in der Personalabteilung eines Unternehmens. Nach mehreren Jahren im Beruf und begleitenden Weiterbildungen kann dann der Sprung in die Selbständigkeit erfolgen. Um an die lukrativen Aufträge von Unternehmen zu kommen, muss man sich allerdings erst einmal einen Namen machen, indem man Netzwerke nutzt und nach und nach Referenzen sammelt.
Laut dem DVBC kostet ein qualifiziertes Business Coaching mindestens 100 Euro pro Zeitstunde. „Dabei handelt es sich jedoch um eine untere Grenze. 80 Prozent der marktüblichen Honorare bewegen sich zwischen 150 und 350 Euro pro Zeitstunde“, sagt DVBC-Geschäftsführerin Julia Eversmann.
In der eineinhalb Jahre, beziehungsweise etwa 300 Stunden dauernden berufsbegleitenden Ausbildung bei artop lernen die Teilnehmer verschiedene Coaching-Modelle und -methoden kennen, üben aber auch ganz praktisch an Fallbeispielen. „Zu einer guten Ausbildung gehört auch, sich selbst kennenzulernen. Schließlich ist die eigene Person das Werkzeug im Coaching, der Resonanzboden“, sagt Thomas Bachmann.
Viele Teilnehmer wollen jedoch gar nicht als selbständige Coaches arbeiten, sondern das Gelernte an ihrem Arbeitsplatz einbringen. In Gabriele Müllers Ausbildungsgruppen am Berliner Coaching-Institut Isco sitzen zum Beispiel Personalreferenten oder -leiter, die ihr Wissen in der Personalführung vertiefen möchten. Sie wählen letztlich auch die Coaches für die Mitarbeiter in gehobenen Positionen aus – und achten dabei zunehmend auf eine qualifizierte Ausbildung. „Zum Teil nehmen an meinen Seminaren Kollegen teil, die schon lange im Geschäft sind und seit Jahren coachen“, sagt Gabriele Müller. „Doch die Kunden sind kritischer geworden. Sie wollen einen zertifizierten Coach, fragen nach der Ausbildung und nicht nur nach Referenzen.“ Mini-Assessments für Coaches seien keine Seltenheit mehr.
Zudem merken die selbsternannten Coaches, die von Hause aus oft Psychologen oder ehemalige Personalreferenten sind, dass sie mit ihrer bisherigen Praxis nicht weiterkommen und ihr theoretisches Wissen vertiefen und somit neue Ansätze und Tools lernen wollen.
Gabriele Müller wählt ihre Teilnehmer sorgfältig aus. Sie führt mit jedem ein ein- bis zweistündiges Aufnahmegespräch. Eine gewisse Lebens- und Berufserfahrung setzt sie voraus, denn viele Unternehmen suchen gezielt Coaches mit einem bestimmten beruflichen Hintergrund. Das Mindestalter beträgt 30 Jahre. „Das ist wie bei einem guten Wein“, sagt sie. „Ein Coach wird mit zunehmendem Alter und Erfahrung immer reifer.“
Die Ausbildung ist aufgebaut wie ein Coaching-Prozess: Nach einer Kennenlernphase, in der Teilnehmer und Ausbilder noch einmal reflektieren können, ob sie wirklich zusammenarbeiten möchten, folgt die Zielklärung, dann eine Prozessphase, der Abschluss und anschließend noch ein Follow Up. Während der Ausbildung lässt Gabriele Müller ihre Ausbildungsteilnehmer an ihren eigenen Klienten – Führungskräfte aus der Wirtschaft – das neu Erlernte „in den Transfer bringen“.
Typische Coaching-Themen sind laut DVBC-Geschäftsführerin Julia Eversmann soziale, aber auch Management- und Führungs-Kompetenzen zu verbessern, Leistungs-, Kreativitäts- und Motivationsblockaden abzubauen, bei akuten Konflikten zu helfen oder den Coachee bei neuen Aufgaben zu begleiten. Doch auch der Umgang mit Stress im Job und Work-Life-Balance können wichtige Themen sein. „Das Coaching kann dem Klienten helfen, seine Handlungen zu reflektieren und ‚blinde Flecken' aufzuarbeiten. Der Coach fungiert wie ein sozialer Spiegel und gibt dem Klienten das Feedback, das er von seinem Umfeld häufig nicht mehr erhält“, sagt Julia Eversmann.
Wichtig für ein gelungenes Coaching sei eine egalitäre Rangordnung, bei der Coach und Klient auf einer Ebene agieren, sagt Gabriele Müller. „Für Berater, die es gewohnt sind, klare Empfehlungen auszusprechen, ist das erstmal ein Kulturschock. Sie müssen plötzlich umdenken und lernen, den Coachingprozess lösungsorientiert durch Fragen zu lenken“, sagt die Ausbilderin, die selbst als Coach Kunden wie BMW und das Auswärtige Amt betreut.
Manchen Teilnehmern ihrer Kurse gefällt die neue Aufgabe so gut, dass sie ihren bisherigen Beruf an den Nagel hängen. So hat Gabriele Müller einmal einen Autohausbesitzer ausgebildet, der eigentlich nur seine Führungskompetenzen ausbauen wollte. Nach der Ausbildung am Isco-Institut verkaufte er sein Geschäft und arbeitet seitdem als selbständiger Coach und Berater.
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