Kaufrausch auf Chinesisch: Chinesen steigen verstärkt bei EU-Firmen ein
Unternehmen aus der Volksrepublik steigen derzeit vermehrt bei europäischen Betrieben ein: Das soll helfen, Chinas Wirtschaft neu aufzustellen.
Guo Guangchang geht shoppen. In Deutschland kauft er sich eine Bank. In Frankreich ein Tourismusunternehmen. In Griechenland eine Schmuckfirma. Denn auf seiner Einkaufsliste stehen europäische Unternehmen gerade ganz oben.
Guo gilt als der Warren Buffet Chinas. Seine Firma, Fosun, ist der größte Mischkonzern in Privatbesitz auf dem chinesischen Festland. Und der wächst weiter – durch Zukäufe in Europa. So hat Guo zum Beispiel gerade seine Anteile an dem deutschen Modekonzern Tom Tailor aufgestockt. Davor hat er die deutsche Bank Hauck & Aufhäuser übernommen und Interesse an der BHF Bank gezeigt. Ihm gehören Anteile am britischen Reiseveranstalter Thomas Cook, dem französischen Feriendorfbetreiber Club Med und dem deutschen Landwirtschaftsbetrieb KTG Agrar.
20 Milliarden Euro sind 2015 von China nach Europa geflossen
Mit seinem starken Engagement in Europa ist Guo keine Ausnahme – er liegt im Trend. Derzeit kommen verstärkt chinesische Investoren und Unternehmer nach Europa: Sie beteiligen sich hier an Firmen oder übernehmen sie gleich ganz. 20 Milliarden Euro sind dadurch 2015 von China nach Europa geflossen, 44 Prozent mehr als im Vorjahr.
Dabei ist Deutschland eines der Lieblingsziele der Chinesen. Allein in den ersten beiden Monaten dieses Jahres haben mehrere deutsche Firmen den Einstieg chinesischer Partner bekannt gegeben. So kauft sich die Shanghai Electric Group zum Beispiel bei dem Maschinenbauer Manz aus Reutlingen ein. Bilfinger verkauft seine Wassersparte an die Chengdu Techcent Environment Group. Und bei der Roboterfirma Kuka und dem Gabelstapler-Hersteller Kion stocken Chinesen ihre Anteile auf.
Warum Chinesen ein deutsches Abfallunternehmen kaufen
Eines der größten Geschäfte zwischen Deutschen und Chinesen wird derweil im niedersächsischen Helmstedt abgewickelt: Für 1,4 Milliarden Euro will Beijing Enterprises den Abfallkonzern EEW übernehmen. Stimmen die Behörden zu, wäre das eine Rekordinvestition. So viel hat bislang kein chinesischer Investor für ein deutsches Unternehmen bezahlt. EEW erzeugt aus Abfall Strom: eine Technologie, an der die Chinesen hoch interessiert sind. Denn die Volksrepublik hat ein Abfallproblem: Früher landete alles auf der Deponie, doch dafür fällt heute zu viel Müll an. Peking hofft deshalb, von Helmstedt zu lernen.
So ist der Technologietransfer – also das Abgreifen von Wissen – auch einer der Gründe, warum Chinesen in Europa zukaufen. „China will nicht mehr nur die verlängerte Werkbank des Westens sein“, sagt Yi Sun von der Beratungsfirma EY. Die Unternehmen wollten die Wertschöpfungskette hochklettern: zum Beispiel nicht nur Stahl produzieren, sondern auch die Autobleche, die man daraus herstellen kann. Der Wandel sei dringend nötig, meint Sun. Denn die Massenproduktion sei längst in Vietnam oder Indien billiger. Firmen, denen es um den Preis gehe, zögen weiter.
Die Regierung will mehr Innovationen fördern
Die Regierung in Peking hat das erkannt und im vergangenen Jahr die Strategie „Made in China 2025“ ausgerufen. Die sieht vor, das Land langfristig zu einem Technologiestandort zu machen. Deshalb fördert der Staat Innovationen etwa in der Elektromobilität, der Luft- und Raumfahrt oder der Biotechnologie. Und er unterstützt Konzerne zum Beispiel über Kredite bei Investitionen im Ausland.
Das soll auch helfen, die aktuelle Krise zu überwinden. China hat zuletzt rückläufige Wachstumsraten gemeldet, gleichzeitig sind die Börsen eingebrochen. Die zunehmende Internationalisierung ist eine Antwort darauf. „Eine starke Auslandspräsenz kann in einem schwieriger werdenden Binnenmarkt ein Wettbewerbsvorteil sein“, sagt Cora Jungbluth von der Bertelsmann-Stiftung. Die Firmen könnten geringere Einnahmen in China durch Gewinne in Europa ausgleichen. Zudem sind Auslandsinvestitionen für Chinesen gute Nachrichten. „Das kann helfen, die Aktienkurse wieder steigen zu lassen“, sagt EY-Partnerin Sun.
In Deutschland haben viele Bedenken
Bei den Deutschen kommen die Übernahmepläne allerdings nicht immer gut an. Viele haben Angst, die Chinesen könnten einfach die Technologie kopieren und dann die Standorte hier dichtmachen. Experten halten solche Befürchtungen allerdings für übertrieben. „Wissen lässt sich nicht so einfach transferieren“, sagt Martin Franz, Wirtschaftsgeograf an der Universität Osnabrück. Gerade in der Hochtechnologie sei man auf Fachkräfte angewiesen. Die zu schulen dauere Jahrzehnte.
Deshalb investierten die meisten Chinesen eher langfristig in europäische Unternehmen und hielten sich aus dem Tagesgeschäft raus. So läuft es etwa beim Maschinenbauer Putzmeister. Als der 2012 von dem chinesischen Konzern Sany übernommen wurde, waren die Bedenken groß – heute gilt die Übernahme als Paradebeispiel. Und das, obwohl die Chinesen und die Deutschen das gleiche Produkt herstellen: Autobetonpumpen, mit denen Beton zur Baustelle gebracht wird. Doch die beiden Firmen sind sich einig. Sany liefert seine Pumpen nur in China aus, Putzmeister bedient den Weltmarkt. Selbst mit den deutschen Gewerkschaften hat Sany sich geeinigt: Es gibt eine Standortgarantie bis 2020 und einen Kündigungsschutz.
Das sind gute Vorzeichen für die weiteren Übernahmen deutscher Firmen durch Chinesen. Und davon dürfte es in diesem Jahr noch einige geben. Derzeit sollen zum Beispiel gleich zwei chinesische Industriekonzerne um die Übernahme des Küchengeräteherstellers WMF ringen. Auch das Berliner Recyclingunternehmen Alba soll bereits mit chinesischen Investoren sprechen. Für das Unternehmen wäre ein Einstieg der Chinesen der logisch nächste Schritt: Schließlich ist es schon lange in der Volksrepublik aktiv.