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China wächst. Bau- und Infrastrukturprojekte, wie hier in Schanghai, eröffnen deutschen Mittelständlern Geschäftschancen.
© dapd

Mittelständler im Interview: „Chinesen kommen schneller zur Sache“

Der Chef des Elektrotechnik-Unternehmens Weidmüller, Peter Köhler, über Mittelständler und Mentalitäten im China-Geschäft.

Herr Köhler, sprechen Sie Chinesisch?

Ich kann ein Bier bestellen - píjiu Qingdao, sprich: „pidschiou“, Quingdao ist eine beliebte Biersorte – nicht viel mehr. Und noch ein paar Sätze, die man so braucht.

Muss man die Sprache nicht sprechen, um in China erfolgreich zu sein?
Überhaupt nicht. Ich reise seit Mitte der 90er Jahre nach China und hatte früher immer einen Dolmetscher dabei. Heute ist das nicht mehr nötig: Fast alle chinesischen Manager sprechen perfekt und fließend Englisch. Und wenn es sein muss, arbeitet man zweigleisig – bei Präsentationen zum Beispiel. Da stellt man einfach zwei Beamer hin, einen für die Chinesen, einen für die Deutschen.

Weidmüller ist als mittelständisches Familienunternehmen schon vor 18 Jahren nach China gegangen. Woher kam der Impuls, so früh auf diesem Markt aktiv zu werden?
Die Geschäftsführung war der Überzeugung, dass das Unternehmen in einem so aufstrebenden Land möglichst früh mit einer eigenen Fertigung vertreten sein muss. Wir produzieren vor Ort für den lokalen Markt und haben China nicht – wie viele in den 90er Jahren – als verlängerte Werkbank und Billiglohnland betrachtet. Heute ist China nach Deutschland der größte Markt für Weidmüller. Wir machen dort einen Umsatz in der Größenordnung von 100 Millionen Euro.

Was muss ein Mittelständler mitbringen, um in China ins Geschäft zu kommen?
So banal es klingt: Man muss sich unbedingt auf die Kultur das Landes und ernsthaft auf die Mentalität der Menschen einlassen. Erfolgsmodelle, die in westlichen Industrieländern funktionieren, kann man nicht 1:1 übertragen. Ganz wichtig ist auch, chinesische Manager frühzeitig in die Geschäftsführung zu integrieren, um mit ihnen zu wachsen. Das Controlling machen wir bis heute mit westlichen Managern. Aber die operative Führung und die Entwicklung erfolgt durch chinesische Kollegen. Man muss als westliches Unternehmen loslassen können. Nur etwa ein Prozent unserer rund 950 Mitarbeiter in China sind Langnasen, wie die Chinesen uns Europäer nennen.

Was zeichnet die Mentalität chinesischer Geschäftspartner aus?
Sie sagen in Verhandlungen sehr klar und deutlich, was sie wollen. Höflichkeitsrituale spielen in China natürlich auch eine Rolle, also zum Beispiel die Frage, wann und wie man eine Visitenkarte überreicht, wann und wie man das Glas erhebt. Aber das ist weniger wichtig als zum Beispiel in Japan oder Korea. Die Chinesen kommen schneller zur Sache. Wenn Sie in einer Verhandlung einen Schritt zurückgehen, kommt Ihnen der chinesische Gesprächspartner zwei Schritte entgegen, bis er – bildlich gesprochen – Ihre Nasenspitze berührt. Dann müssen Sie Position beziehen und sagen: Bis hierher und nicht weiter.

Wie ist es mit der Verlässlichkeit?
Solange es noch keinen Geschäftsabschluss gibt, muss man mit allem rechnen, dann ist alles möglich. Da kann es vorkommen, dass man am nächsten Tag komplett neu anfangen muss. Aber wenn man dann einen Vertrag geschlossen hat, kann man sich auch darauf verlassen. In China sind Improvisation, Flexibilität und Schnelligkeit gefragt.

Die chinesische Regierung geht wenig freundlich mit Kritik um. Mussten Sie sich auch schon mit dem System arrangieren?
Es gab Grenzen, die wir von Anfang an nicht überschreiten wollten und nicht überschritten haben – entsprechend dem Verhaltenskodex unserer Branche und den Richtlinien des Global-Compact-Netzwerks der Vereinten Nationen. Das betrifft also Themen wie Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz oder Anti-Korruption. So halten wir es nicht nur in China. Das ist vielleicht typisch für Familienunternehmen, die einen klaren Wertekanon haben.

Wie viel billiger können Sie in China produzieren als an ihren deutschen Standorten?
Wir produzieren ja weitestgehend für den lokalen Markt, deshalb ist der Vergleich schwierig. Aber die Tendenz ist klar: In Ballungszentren wie dem Pearl River Delta, in der Region Shenzhen oder in Schanghai liegen die Managementgehälter schon in etwa auf westlichem Niveau. Und sie steigen wegen der hohen Inflation jedes Jahr um zehn bis 15 Prozent. Die Arbeitslöhne liegen auch in den Zentren noch um den Faktor fünf bis sieben unter dem Niveau in Europa. Je weiter man ins chinesische Inland geht, desto niedriger sind die Arbeitskosten – um bis zu zehnmal im Vergleich zu Schanghai.

Weidmüller hat eine eigene Akademie in Schanghai eröffnet. Herrscht auch in China Fachkräftemangel?
An den Universitäten findet man relativ leicht guten Nachwuchs. Wir konkurrieren aber mit anderen internationalen oder auch chinesischen Unternehmen. Es kommt vor, dass ein ganzes Entwicklungsteam von einem auf den anderen Tag von Headhuntern abgeworben wird, weil andere Unternehmen zwei oder drei Mal mehr bezahlen. Auch bei den Standardarbeitsplätzen haben wir eine Fluktuationsrate von zehn bis 15 Prozent. Das ist normal in China. Da kann man wieder von vorne anfangen mit der Qualifizierung.

Wie binden Sie chinesische Mitarbeiter an Ihr Unternehmen?
Aus- und Weiterbildung sind sehr wichtig. Aber wir kümmern uns auch um die familiären Dinge. Wie geht es zu Hause? Können wir etwas für die Schulbildung der Kinder tun? Wird eine vernünftige Wohnung gesucht?

Nicht umsonst genießen deutsche Mittelständler einen guten Ruf in China ...
Unsere Erfahrung ist in der Tat, dass chinesische Firmen, Behörden und offizielle Stellen gerne mit deutschen Familienunternehmen aus dem Mittelstand zusammenarbeiten. Die Wirtschaftsstruktur in China ist der deutschen ähnlich, es gibt sehr viele mittelgroße Unternehmen in Familienbesitz. Da wird man abends beim Bier gefragt: Wie macht ihr das in Deutschland? Wie seid ihr so weit gekommen?

Keine Angst vor Wirtschaftsspionen?
Natürlich haben wir auch mit Plagiaten zu tun. Auch in China, aber nicht nur dort. In der Türkei gibt es zum Beispiel auch eine Firma, die unsere Produkte gerne kopiert. Im Premiumsegment, in dem wir vor allem produzieren, bieten wir allerdings nicht nur Produkte an, sondern zugleich spezielle Lösungs-Applikationen und den zugehörigen Service. Das kann man nicht so leicht kopieren.

Nehmen die chinesischen Behörden das Thema Wirtschaftsspionage ernst? Wird Ihnen da bei der Bekämpfung geholfen?
Es ist viel besser geworden. Früher kam es vor, dass perfekte Plagiate unserer Produkte auf dem Markt waren – mit Seriennummer und Produktionsdatum. Das ist heute so nicht mehr möglich.

Hatten Sie schon Albträume, in denen Weidmüller von einem chinesischen Investor übernommen wurde?
Nein, noch nicht. Dass Chinesen im Ausland Unternehmen kaufen, ist auch nicht ungewöhnlich. Die Regierung fördert das ja auch. Übernahmen sind der schnellste Weg, um sich Zugang zu anderen Märkten zu verschaffen. Hier operieren die Chinesen so, wie es westliche Firmen umgekehrt auch in China tun. Wir selber planen in China zukünftig auch Akquisitionen.

Spüren Sie, dass die chinesische Wirtschaftskraft nachlässt?
Ja, die Wachstumsraten gehen zurück. Das ist auch das Ziel Pekings bei der Steuerung der Wirtschaft. Wir merken das insbesondere bei Infrastrukturprojekten. Aber man muss es relativieren. Das chinesische Bruttoinlandsprodukt beträgt sieben Billionen US-Dollar, das deutsche BIP ungefähr 3,5 Billionen US-Dollar. Ein Wachstum in China von „nur“ noch 7,5 Prozent entspräche einem Zuwachs in Deutschland von mehr als 15 Prozent. Die Sorgen, der chinesische Motor könnte ausfallen, sind völlig übertrieben.

Wann wird China der größte Markt für Weidmüller?
Wenn wir so weiterwachsen, könnte es in drei bis vier Jahren so weit sein.

Wo bieten sich für deutsche Mittelständler, die noch nicht in China vertreten sind, die größten Chancen?
Ein großes Thema ist die Infrastruktur. Gerade für die vielen mittelständischen Zulieferer von Schienenfahrzeugherstellern und Schiffsbauern bieten sich in China Chancen. Ebenso im Bereich Erneuerbare Energien, Grundstoffindustrie, Chemie. Und die Mega-Cities wachsen weiter. Hier haben deutsche Architekten schon ganze Städte entworfen.

Ihr Fazit: Auf nach China?!
Auf nach China, ja! Das ist ein Land, da muss man als Mittelständler hin. Es ist noch nicht zu spät.

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