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Wirtschaft: Chinese rettet London Taxi

Unternehmer Li Shufu hat die Firma gekauft, die die Londoner Taxen produziert. Jetzt will er weltweit exportieren.

Wenn Steve Fitter Rat sucht, fährt er zum Flughafen. Nicht, um zu verreisen. Sondern weil es der beste Ort ist, um Taxifahrer zu treffen. Diese fragt der 55-Jährige dann, wie zufrieden sie eigentlich mit ihrem Fahrzeug sind. Was sie an ihrem Taxi mögen und was nicht. Fitter ist Produktionsleiter bei der London Taxi Company – dem Unternehmen, das seit über 60 Jahren die schwarzen Taxen herstellt, für die die britische Hauptstadt so bekannt ist. Im vergangenen Jahr war Fitter oft am Flughafen, auch um zu fliegen. Denn die London Taxi Company war pleite und brauchte einen Investor.

Über ein halbes Jahr lang stand die Produktion in Coventry, 150 Kilometer nordwestlich von London, still. Hätte im Februar nicht Li Shufu angerufen – es wäre vorbei gewesen mit der Firma und ihren nostalgischen Taxen. Li, ein chinesischer Industrieller, dem bereits die Automarke Volvo gehört, hat das britische Unternehmen übernommen. Dank ihm konnte das Unternehmen die Produktion jetzt wieder aufnehmen.

Stolz führt Fitter durch die wiedereröffnete Fabrik, zeigt, wie Mitarbeiter die Karosserie von Hand erst schwarz spritzen, dann lackieren. Wie ihre Kollegen die Seitenspiegel und das Taxischild anschrauben, die Elektronik einbauen, die Innenverkleidung. Wie die Karosserie dann mit dem Fahrgestell verschmilzt – „Heirat“ nennen das die Techniker. Wie sie das Auto zuletzt von allen Seiten mit Wasser bespritzen, um zu prüfen, ob es dem englischen Regen standhält.

Fünf bis sechs Tage dauert es, bis ein Londoner Taxi fertig ist. Während andere Autobauer ihre Produktion längst automatisiert haben, gibt es bei der London Taxi Company bis heute keinen einzigen Roboter. „Bei uns ist immer noch alles Handarbeit“, sagt Fitter. Das hat etwas mit Tradition zu tun – und damit, dass das Unternehmen über Jahrzehnte eine Monopolstellung innehatte. Preisdruck und Konkurrenz kannten die Manager der Company bis vor fünf Jahren nicht. Denn die Behörden in London lassen ein Fahrzeug nur dann als Taxi zu, wenn es in einer 28 Fuß (8,5 Meter) breiten Stichstraße wenden kann. Und der Autobauer aus Coventry war über Jahrzehnte der einzige, der es schaffte, ein Fahrzeug mit einem so engen Wendekreis zu bauen. Selbst ein Smart bekommt auf so kleinem Raum nicht die Kurve.

Als es dann aber 2008 Mercedes gelang, seinen Vito so umzubauen, dass auch er den Anforderungen gerecht wurde, fiel das Monopol der London Taxi Company. Prompt brachen der Firma die Aufträge weg. Heute sind bereits zehn Prozent der Taxen auf Londons Straßen Vitos. Als 2012 auch noch eine große Rückrufaktion nötig wurde, war die Firma aus Coventry pleite. 500 Taxen musste sie zurück in die Fabrik holen, weil sie Probleme mit der Servolenkung hatten. Die Taxen ließen sich schlichtweg nicht mehr steuern. „Gleichzeitig konnten wir keine neuen Fahrzeuge mehr produzieren, solange das Problem nicht behoben war“, sagt Geschäftsführer Peter Johanson. .

Von der Insolvenz war auch Li Shufu betroffen, der Gründer von Geely, Chinas größtem Automobilkonzern in Privatbesitz. Li gehörten schon damals 20 Prozent der London Taxi Company. Denn die britische Firma und der chinesische Konzern hatten ein paar Jahre zuvor ein Joint Venture gegründet, das in Asien die Karosserien für die Taxen herstellt und per Containerschiff nach Großbritannien liefert. Li stand vor der Wahl, seine Beteiligung abzuschreiben – oder zu investieren. „Uns hat die Geschichte des Unternehmens einfach überzeugt.“. Für elf Millionen Pfund (13 Millionen Euro) hat Li die London Taxi Company übernommen. In den kommenden drei Jahren will er weitere 150 Millionen Pfund in das Unternehmen investieren.

Aus dem englischen Taxi soll ein Exportschlager werden. Gerade erst hat er 200 Taxen nach Australien verkauft. Schon bald sollen weitere Verträge mit Aserbaidschan, Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterschrieben werden. In diesen Ländern sind die britischen Taxen beliebt, weil sie den westlichen Wohlstand symbolisieren.

In Coventry heißt es heute, die Insolvenz sei das Beste gewesen, was dem Unternehmen hätte passieren können. Fitter freut vor allem, dass dank der Chinesen jetzt genug Geld da ist, um endlich ein neues Taximodell auf den Markt zu bringen. „Das wollten wir schon seit Jahren“, sagt Fitter. Aussehen soll das neue Taxi wie der Klassiker, aber es soll deutlich leichter werden und einen Elektromotor haben. Spätestens wenn dieses Öko-Modell auf den Markt kommt, wird der Produktionsleiter wieder zum Flughafen fahren und die Taxifahrer befragen.

Carla Neuhaus

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