Das Geschäft mit dem Müll: China macht die Grenzen dicht
Die Chinesen importieren keine Kunststoffabfälle mehr, das könnte der Recyclingwirtschaft hierzulande Schwung geben – wenn der Staat eingreift und Anreize setzt.
Der Müllberg wird durch einen Textmarker von Stabilo nicht viel kleiner. Aber der kleine Stift ist womöglich beispielgebend für die Lösung eines großen Problems, das dieser Tage mal wieder aufgetaucht ist: Der Umgang mit dem Abfall. Die Chinesen haben den Import von insgesamt 24 Müllsorten aus aller Welt gestoppt, darunter vor allem auch Verpackungen. Was machen wir jetzt mit dem Plastik? Allein aus Deutschland wurden 2016 fast 800000 Tonnen Kunststoffreste nach China und Hongkong verschifft. Und nun?
Textmarker aus Flaschenverschlüssen
Die Berliner Alba Group, Coca-Cola und Stabilo haben in einem gemeinsamen Recycling-Projekt Flaschenverschlüsse des Getränkekonzerns in den Textmarker „Stabilo Green Boss“ verwandelt. Die Hülle des Stabilo besteht zu 83 Prozent aus dem Recycling-Kunststoff Procyclen, den Alba unter anderem in einer Anlage für Kunststoffverwertung in Eisenhüttenstadt gewinnt; immerhin 50 000 Tonnen im Jahr. Doch diese Menge schrumpft zu einem Häufchen beim Blick auf den Berg an Verpackungsmüll insgesamt: 2015, neuere Daten gibt es nicht, hat der Verpackungsverbrauch in Deutschland mit 18,5 Millionen Tonnen einen Höchstwert erreicht. Während der Hausmüll pro Kopf in den vergangenen Jahren auf rund 160 Kilogramm pro Jahr leicht zurückging, fällt immer mehr Verpackungsabfall an – vor allem dem Online-Handel ist das zu verdanken ist.
90 Prozent der Gelben Tonne wird hierzulande verwertet
Alba betreibt seit 2005 ein „Aufbereitungszentrum“ für Abfälle aus dem Gelben Sack/der Gelben Tonne in Hellersdorf. Rund 140 000 Tonnen Abfall werden hier sortiert, doch nur zwei Kunststoffarten landen anschließend in Eisenhüttenstadt. Der ganz überwiegende Teil an Folien, Metallen, Aluminium, Getränkekartons oder PET-Flaschen wird vom Grünen Punkt verwertet. „Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland (DSD)“ versteht sich „als führender Sekundärrohstofflieferant für Kunststoffe und als Premium-Produzent für Kunststoffrezyklate“. Nach Angaben des DSD werden mehr als 90 Prozent der im Gelben Sack und in der Gelben Tonne gesammelten Abfälle in Deutschland und in der EU verbrannt oder wiederverwertet. Also nicht in China. Die Chinesen haben vor allem Elektroaltgeräte wie Fernseher und massenhaft Einwegflaschen eingeführt. „Hauptsächlich wurden Polyethylen (Folien) und PET nach China exportiert“, heißt es beim DSD.
Recyclingquote steigt nur langsam
Das Importverbot der Chinesen sieht das DSD nun als Chance für die heimische Kreislaufwirtschaft. „Die Menge an recycelten Kunststoffverpackungsabfällen könnte sich in wenigen Jahren verdoppeln“, hofft Michael Wiener, Chef des Grünen Punktes. Das hängt mit den Chinesen zusammen, aber auch mit der deutschen Gesetzgebung: Denn die Wiederverwertungsquote bei Kunststoffen muss hierzulande von derzeit 36 Prozent auf 58,5 Prozent im nächsten Jahr und dann auf 63 Prozent 2022 steigen. Das wird indes nur klappen, wenn es ausreichend Sortier- und Verwertungsanlagen gibt – und einen Absatzmarkt für die Sekundärrohstoffe. „Es ist nicht damit getan, dass die Politik einfach nur Quoten hochsetzt“, sagt Peter Kurth, Chef des Bundesverbandes der Entsorgungswirtschaft (BDE) und fordert staatliche Hilfen, um die Nachfrage zu stimulieren. Granulate aus Altkunststoff seien derzeit zu Preisen von 60 bis 80 Euro die Tonne nicht wettbewerbsfähig. „Da muss die Politik ansetzen, zum Beispiel mit steuerlichen Anreizen und Mindestvorgaben für den Einsatz von Sekundärrohstoffen.“
Wer also zum Beispiel Joghurtbecher auf den Markt bringt, der müsste demnach künftig einen bestimmten Anteil des Bechers aus recycelten Stoffen produzieren. „Es wäre ein Armutszeugnis, wenn wir aufwendig getrennt sammeln und sortieren, und das Material anschließend doch verbrennen oder zu Parkbänken und anderen minderwertigen Produkten verarbeiten müssen“, meint Kurth, der vor seiner Tätigkeit beim BDE-Verband zum Alba-Vorstand gehörte.
Lebensmittelindustrie will neuen Kunststoff
Vor allem die Kunststoffe, mit denen die Lebensmittelindustrie arbeitet, werden kaum wiederverwertet. Anders gesagt: Verpackungen von Lebensmitteln werden weit überwiegend aus neuem Kunststoff hergestellt. „Während Packstoffe wie Papier, Metall und Glas schon seit vielen Jahrzehnten im Kreislauf geführt werden, also immer wieder auch zur Herstellung von Verpackungen genutzt werden, steht das beim Kunststoff noch aus“, heißt es beim Grünen Punkt. Helfen könnte „eine Anpassung der Richtlinien für die öffentliche Beschaffung“, glaubt DSD-Chef Wiener. Schulen, Kitas und Krankenhäuser zum Beispiel müssten bei der Bestellung von Produkten auf die Verpackung achten. Wenn eine Milchtüte nicht aus recyceltem Material besteht, darf sie nicht gekauft werden.
Umweltschützer fordern "Öko-Design"
Noch weiter unten setzt die Forderung nach einem „Öko-Design“ an: „Für Verpackungen müssen verbindliche Standards zur Recyclingfähigkeit festgelegt werden“, fordert zum Beispiel Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Tatsächlich sind viele Verpackungen kaum für eine neue Verwertung aufzubereiten. Eine Shampoo-Flasche zum Beispiel besteht aus zwei unterschiedlichen Kunststoffen und kann deshalb nicht recycelt werden. Oder, man glaubt es kaum, die Folie rund um Käsescheiben besteht Fischer zufolge aus zehn verschiedenen Stoffen. Das sieht in der Regel hübsch aus und ist gut für die Haltbarkeit. Eine Zukunft in der Kreislaufwirtschaft hat die Käsefolie aber nicht. Da der Exportweg nach China nun verstellt ist, bleibt nur die Verbrennungsanlage.
Der Planet leidet unter dem Ressourcenverbrauch
Oder die nächste Bundesregierung. Die Umwelthilfe fordert die Durchsetzung einer Mehrwegquote von 70 Prozent für Getränkeverpackungen, höhere Entgelte für Verpackungen, „verbindliche Regeln zur Langlebigkeit und Reparierbarkeit von Produkten“ sowie die Pflicht zur Verwendung wiederverwertbarer Materialien. „Bereits heute verbrauchen wir 1,5 Mal mehr Ressourcen als die Erde regenerieren kann“, haben die Umweltschützer ausgerechnet. „Würden alle so leben wie die Deutschen, dann bräuchten wir sogar drei Erden.“
Die Chinesen haben erkannt, dass das nicht funktionieren kann. Auf den Müll und das Geld der anderen – allein der Kunststoffmüll der Deutschen für China und Hongkong hatte zuletzt einen Wert von 230 Millionen Euro – verzichten sie künftig. Und bemühen sich um den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft.