Wertschöpfung: Charité ist die "Spinne im Netz"
Die Charité bringt Berlin hohe Einnahmen. Eine Studie des DIW zeigt: Unterm Strich halbieren schon die kurzfristigen Effekte die Aufwendungen für das größte Uniklinikum Europas.
Fast die Hälfte der Mittel, die Berlin für die Charité aufwendet, fließt als Steuern wieder zurück ans Land. Das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die dem Tagesspiegel vorliegt. Im Jahr 2011 unterstützte Berlin Europas größtes Universitätsklinikum demnach mit 217 Millionen Euro und erhielt 97 Millionen Euro zurück. Während die Zuwendungen sinken, steigen die der Charité zurechenbaren Steuereinnahmen sogar. Im Jahr 2007 gab das Land noch 249 Millionen Euro und erhielt weniger als ein Drittel zurück. Die Studie berücksichtigt kurzfristige direkte und indirekte volkswirtschaftliche Effekte. Allein in den vergangenen fünf Jahren kamen so Steuereinnahmen von rund einer halben Milliarde Euro zusammen.
Die Studie kann der Charité in den aktuellen Verhandlungen mit dem Senat als wichtige Argumentationshilfe dienen. Die landeseigene Klinik hat ihren zusätzlichen Investitionsbedarf für die kommenden zehn Jahre auf 600 Millionen Euro beziffert. Davon sollen 67 Millionen in 2014/15 und 123 Millionen in 2016/17 anfallen. „Die 600 Millionen Euro, die wir bis 2024 zusätzlich brauchen, beziehen sich auf die reine Krankenversorgung. Der Betrag hat also gar nichts mit Besonderheiten der Charité zu tun“, sagte Klinikchef Karl Max Einhäupl dem Tagesspiegel. Die Landesmittel machten im vorletzten Jahr 16 Prozent der Einnahmen von 1,364 Milliarden Euro aus. Aus dem Krankenhausbetrieb kam rund die Hälfte. Diese Erträge und auch die Drittmittel steigen stetig, während die Landesmittel seit Jahren sinken.
„Die Studie zeigt sehr deutlich, dass die Kosten der Charité für Berlin viel geringer sind als aus dem Landeshaushalt hervorgeht“, sagte Einhäupl. Dabei seien langfristige Faktoren wie das bessere Umfeld für Investitionen und Unternehmensgründungen außen vor geblieben. „Nicht alle positiven Beiträge lassen sich genau quantifizieren. Auch die Bildungsrendite, also die Wertschöpfung durch die 600 Mediziner, die wir jährlich ausbilden, fehlt.“ Zudem spiele das Berliner Traditionsklinikum bei Standortentscheidungen von Medizintechnik- und Pharmafirmen eine Rolle. „Was wäre die Gesundheitsstadt Berlin ohne die Charité und ihre Innovationskraft? Sie ist die Spinne im Netz.“
„Wer Wasserwerke zurückkauft, kann nicht Krankenhäuser privatisieren.“
Einhäupl appellierte an den Senat, die Charité nachhaltig zu unterstützen. „Wer Wasserwerke zurückkauft, kann nicht Krankenhäuser privatisieren. Insofern hoffe ich darauf, dass die Berliner Politik an ihrer klaren Linie festhält und uns eine positive Entwicklung ermöglicht.“ Der 66-jährige Klinikchef, dessen Vertrag bis August läuft, macht eine Verlängerung offenbar auch davon abhängig. „Natürlich will ich bleiben und die Charité weiter voranbringen. Dazu baue ich auf die notwendige Unterstützung und Gestaltungsraum.“
In die DIW-Studie flossen alle Ausgaben der Charité, ihrer Beteiligungen und der Betriebe auf ihrem Campus ein, ferner die Konsumausgaben der Studenten und eines Teils der Besucher medizinischer Fachkongresse. Das so errechnete direkte und indirekte Einkommen löst weitere Nachfrage aus, sogenannte induzierte Effekte, die ebenfalls mit eingerechnet werden. Die der Charité zurechenbare jährliche Wertschöpfung in Berlin – Output minus Input – beziffert das DIW auf zuletzt 1,4 Milliarden Euro.
Unterm Strich hat die Charité voriges Jahr zum zweiten Mal in Folge einen kleinen Gewinn erwirtschaftet: 5,2 Millionen Euro, rund ein Drittel weniger als in 2011. Die operativen Erträge aus dem Krankenhausbetrieb stiegen um 5,4 Prozent auf 802 Millionen Euro.