Haftung für Subunternehmen: Bundestag will Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen verbessern
Das Parlament möchte die Rechte von Beschäftigten in der Fleischwirtschaft an mitteleuropäische Standards anpassen. Dem entsprechenden Gesetz muss der Bundesrat noch zustimmen.
Ein Kilogramm Schnitzelfleisch für drei Euro ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich: Industrielle Tierhaltung mit allen technologischen und pharmakologischen Raffinessen; die Tiere im Turbotempo schlachtreif mästen und dann von möglichst billigen Arbeitskräften töten und zerlegen lassen. Schließlich wird das Fleisch beim Discounter verscherbelt.
Mit der Initiative Tierwohl versucht das Agrarministerium die Lebensbedingungen der Tiere wenigstens ein bisschen zu verbessern. Und mit einem „Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft“ möchte der Bundestag nun die Arbeitsbedingungen der Schlachter und Entbeiner an mitteleuropäische Standards anpassen. In der Nacht zu Freitag wurde das entsprechende Gesetz verabschiedet, dem noch der Bundesrat zustimmen muss. Die Gewerkschaft NGG freute sich, die Arbeitgeber klagten über eine Hauruckaktion, die eine ganze Branche in Misskredit bringe.
Dokumentation der geleisteten Arbeitsstunden
Das jedoch haben die Schlachthöfe in den vergangenen Jahren schon selbst geschafft. Die skrupellose Ausbeutung von Arbeitnehmern zumeist aus Osteuropa, die überteuerte Mieten für schäbige Behausungen zahlen und ihre Messer selbst mitbringen müssen ins Schlachthaus, wo sie dann für wenige Euro auch schon mal 15 Stunden am Stück Tiere zerschneiden. Und keiner ist zuständig für das Elend. Die Schlachthofbetreiber arbeiten mit Subunternehmern und die wiederum mit anderen Subunternehmen und am Ende der Kette will keiner verantwortlich sein für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der rund 40.000 Schlachter hierzulande.
Das soll nun anders werden. „Zukünftig haften die Unternehmer der Fleischwirtschaft für die Machenschaften ihrer Subunternehmen“, freut sich die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG). Das neue Gesetz sieht unter anderem die genaue Dokumentation der geleisteten Arbeitsstunden vor, und räuberische Abzüge vom Lohn, etwa das sogenannte Messergeld, werden den Arbeitgebern auch erschwert: Künftig sind die Arbeitgeber für die Bereitstellung und Instandhaltung von Arbeitsgeräten und -schutzkleidung zuständig.
Staatsanwalt berichtet von Sozialversicherungsbetrug
Der Verband der Ernährungswirtschaft klagte, „die gesamte Branche wird diesen Regelungen zu Unrecht unterworfen“. Die meisten Unternehmen würden kaum Werkvertragsarbeitnehmer einsetzen. Das gilt indes nicht für die Schlachtkonzerne. Bei Marktführer Tönnies, der 20 Millionen Schweine und 420.000 Rinder im Jahr schlachtet, sind nach Einschätzung der NGG rund vier Fünftel Werkvertragsarbeitnehmer.
In Ostwestfalen-Lippe, im Münsterland und im Weser-Ems-Gebiet rund um Oldenburg gibt es die meisten Schlachthöfe. Es war deshalb auch kein Zufall, dass bei der Anhörung des Bundestages zum Thema Fleischwirtschaft ein ehemaliger Staatsanwalt aus Oldenburg auftrat und unter anderem über die Methoden des Sozialversicherungsbetrugs berichtete.
"Hohe kriminelle Energie"
Vor rund zwei Jahren hatten die großen Schlachtbetriebe zwar im Rahmen einer Selbstverpflichtung die Einbeziehung der Werkvertragsarbeitnehmer in die Sozialversicherungspflicht zugesagt. Doch bei der Vielzahl der „angeschlossenen“ Subunternehmer funktionierte das offenbar nicht befriedigend. Von „hoher krimineller Energie“ in der Branche ist die Rede bei der Gewerkschaft.
Die häufig aus Osteuropa stammenden Entbeiner für anständige Arbeitsbedingungen zu gewinnen, ist jedoch auch nicht einfach. „Die machen affenartig viele Stunden und interessieren sich nicht für Arbeitsschutz“, sagt ein NGG-Mitarbeiter. Wenn die Malocher auf Basis des Mindestlohns 250 Stunden im Monat an der Schlachtbank stünden, kämen sie auf 1800 Euro netto. Und das allein zähle für viele der osteuropäischen Schlachter.
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