Doppelbesteuerung von Rentnern: Bundesfinanzhof fällt Urteil am Montag
Kassiert der Staat bei Rentnern doppelt ab? Der Bundesfinanzhof urteilt. Rentner hoffen auf Entlastungen.
Sie sind sicherlich nicht die typischen Ruheständler. Horst W. Bangert ist Steuerberater in Süddeutschland, Gert Zimmermann hatte eine Zahnarztpraxis in Hessen. Seit 2009 ist er im Ruhestand und bezieht seitdem verschiedene Renten – die gesetzliche, eine Rürup-Rente und rund 20 private Renten. Dennoch richten sich die Hoffnungen von Millionen Rentnern auf diese beiden Männer. Denn wie Zimmermann und Bangert glauben viele, dass der Staat bei ihnen zu hohe Steuern kassiert hat. Liegt eine verbotene Doppelbesteuerung vor?
Das muss jetzt der Bundesfinanzhof klären. Mitte Mai wurden beide Fälle verhandelt (Az.: X R 20/19 und X R 33/19), am heutigen Montag sollen die Urteile verkündet werden.
Darum geht es
Ursprung des Verfahrens ist ein Systemwechsel in der Rentenbesteuerung. Früher mussten Rentner nur für den geringen Ertragsanteil ihrer Renten Steuern zahlen, während Pensionäre ihre Ruhebezüge schon immer voll versteuern mussten. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die steuerliche Ungleichbehandlung 2002 für verfassungswidrig und verlangte einen Systemwechsel. Der ist seit 2005 im Gange: Rentner müssen seitdem einen immer größeren Teil ihrer Rente versteuern. Je später jemand in den Ruhestand geht, desto größer ist der steuerpflichtige Anteil. 2040, wenn der Übergang abgeschlossen sein wird, ist die gesamte Rente steuerpflichtig. Rentenerhöhungen werden aber schon in der Übergangsphase voll besteuert.
Als Ausgleich steigt der Anteil der Vorsorgeaufwendungen, die man von der Steuer absetzen kann. 2005 waren es 60 Prozent, in diesem Jahr sind es 92 Prozent, 2025 werden es 100 Prozent sein. Allerdings gibt es einen Höchstbetrag für die absetzbaren Beiträge, in diesem Jahr liegt er bei 25.787 Euro.
Ist die Belastung größer als die Entlastung?
In vielen Fällen reicht die Entlastung nicht aus, um die Belastung auszugleichen. Der Bund der Steuerzahler und zahlreiche Steuerberater werfen dem Staat daher vor, verbotenerweise doppelt abzukassieren. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass schon einmal besteuerte Beiträge später bei der Auszahlung der Rente nicht noch einmal besteuert werden dürfen. Den Systemwechsel haben die Verfassungsrichter allerdings grundsätzlich gebilligt. Aber wichtige Fragen sind noch offen, einige spielen in den aktuellen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eine Rolle.
Die wichtigste: Wie berechnet man eigentlich den steuerfreien Rentenzufluss? Das Bundesfinanzministerium greift zu einem Trick. Es rechnet einfach alles hinein, das entlastend wirkt: den steuerfreien Grundfreibetrag, der jedem Steuerzahler zusteht, den Altersentlastungsbetrag für Senioren bis hin zu den abziehbaren Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Nimmt man alles zusammen, sind die Fälle der Doppelbesteuerung tatsächlich übersichtlich. Steuerexperten halten das aber für unseriös. Sie verlangen, dass man bei der Betrachtung nur auf den steuerfreien Rentenanteil schauen darf.
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Bundesfinanzministerium: Wir wollen eine faire Besteuerung
Senatsvorsitzende Jutta Förster sagte, die mündliche Verhandlung habe „einige Sachen zu denken gegeben“. Der Vertreter des Bundesfinanzministeriums, Rolf Möhlenbrock, beteuerte, dem Ministerium sei „an einer fairen Besteuerung und Ausrichtung des Systems“ gelegen. Sollte es irgendwo drücken, würden Korrekturen vorgenommen, er erhoffe sich entsprechende Hinweise. „Wir wollen die faire Besteuerung der Rentner, da soll keiner in Übermaß in Anspruch genommen werden“, versicherte er.
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Was die Politik plant
Auch die Politik ist alarmiert. Die Linke fordert eine steuerliche Entlastung der Rentner, auch die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe ist zu Reformen bereit: „Es kommt darauf an, wie der Bundesfinanzhof die Kriterien für eine mögliche Doppelbesteuerung der Renten auslegt. Sollte es so sein, dass es innerhalb der geltenden Gesetze bereits heute eine Doppelbesteuerung gibt, dann müssen wir dies umgehend beenden“, sagte die Berlinerin dem Tagesspiegel. „Für mich ist klar, es darf keine doppelte Besteuerung bei der Rente geben.“
So könnte es weitergehen
Möglich ist jedoch, dass sich die Klärung noch hinzieht. Sollte der Bundesfinanzhof das Alterseinkünftegesetz für verfassungswidrig halten, müsste er diese Frage nämlich dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Das könnte dann noch Jahre dauern.