Feiertage nutzen Berliner Wirtschaft: Brandenburg feiert – Berlin verdient
Die Hauptstadt hat zwar weniger freie Tage als viele andere Bundesländer, darunter auch die Nachbarn in Brandenburg. Berlin profitiert aber dennoch davon.
Am Alexanderplatz war am Donnerstag eine Menge los. „Sehr viele Familien sind im Haus unterwegs und nutzen den Tag“, berichtete Kaufhof-Geschäftsführerin Yvonne Hohner. Auch an diesem Freitag rechnet sie mit mehr Käufern als üblich. „Viele Leute aus den südlichen Bundesländern nutzen die freien Tage für einen Kurztrip nach Berlin“, hat sie beobachtet. „Das freut uns natürlich.“
Während für die Beschäftigten in Berlin der 31. Oktober und der 1. November ganz normale Arbeitstage sind, können Bürger aus dem Umland an diesen Tagen entspannen: Alle fünf östlichen Bundesländer gedachten am Donnerstag der Reformation. Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland erinnern an diesem Freitag – ebenfalls mit einem Feiertag – an alle Heiligen. Die Hauptstadt ist derweil fleißig: Nur neun Tage pro Jahr sind hier arbeitsfrei, weitaus weniger als in vielen anderen Regionen. Nur Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein teilen hierzulande diesen Nachteil.
Das immer noch wirtschaftsschwache Berlin profitiert jedoch von seinem verordneten Fleiß. Vor allem viele Brandenburger nutzten den Reformationstag zu einem Einkaufsausflug. „Die S-Bahnen sind voll“, hieß es bei der Bahn. Einzelhändler freut das. „Zehn Prozent mehr Umsatz als üblich bringen solche Tage“, berichtete Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer beim örtlichen Einzelhandelsverband. Auch Gastwirte und Hoteliers sind angetan von den zusätzlichen Besuchern. „Ein schöner Nebeneffekt“, sagt Thomas Lengfelder vom Berliner Hotel- und Gaststättenverband. Allerdings ist der Zustrom nach Berlin derart gewachsen, dass mehr Verkehr an einzelnen Tagen kaum auffällt. „Zwischen September und November ist die Stadt wegen der vielen Messen und Kongresse immer voll.“
Berlin erwirtschaftet jeden Tag 470 Millionen Euro
Messen lässt sich die Wirkung der höheren Einnahmen und der zusätzlichen Arbeit in Berlin nicht. Zwar erwirtschaftet die Stadt pro Tag eine Wirtschaftsleistung von 470 Millionen Euro – doch dies lässt sich nicht linear auf den Wohlstand aufschlagen. Ohnehin sind die südlichen Länder seit Jahren weitaus wohlhabender als der Rest der Republik, obwohl sie mehr Feiertage haben. „Für die Wirtschaftskraft ist nicht allein entscheidend, wie viel in einer Region gearbeitet wird“, sagt Hartmut Mertens, Chefvolkswirt der Investitionsbank Berlin (IBB). Viele andere Faktoren entscheiden darüber – die Innovationskraft, die Zahl der Konzernzentralen, das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften.
Wäre es nicht eine gute Idee, noch mehr Feiertage in Berlin zu streichen, damit die Stadt besser vorankommt? Das würde zwar die Arbeitskosten auf einen Schlag deutlich senken, so dass Unternehmen mehr Menschen einstellen würden – zumindest theoretisch. Allerdings müsste auch die Nachfrage für den zusätzlichen Output vorhanden sein. In Berlin wäre überdies eine Ausweitung der Arbeitszeit weniger einträglich als etwa in Bayern. „Dort sind die Menschen weitaus produktiver“, sagt IBB-Mann Mertens. Kein Wunder: In Bayern wird mehr produziert, in Berlin mehr bedient – die Dienstleistungsbranche spielt eine größere Rolle.
Womöglich wird am 31. Oktober 2017 alles anders. Dann jährt es sich zum 500. Mal, dass Martin Luther seine 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen hat. Viele Politiker können sich vorstellen, einmalig den Reformationstag zum bundeseinheitlichen Feiertag zu erklären. Der Berliner Senat überlegt noch. Zumindest bei Allerheiligen würden die Berliner wohl auf keinen Fall zustimmen. In vielen Regionen ist er als stiller Feiertag geregelt – Tanzveranstaltungen und laute Musik sind tabu. Das fänden die Club-Betreiber vermutlich gar nicht witzig.