zum Hauptinhalt
Im Umbruch. Nur rein äußerlich bleibt in der Frankfurter Firmenzentrale der Deutschen Bank alles so, wie es ist.
© picture alliance / dpa

Deutsche Bank wird umstrukturiert: Börse feiert John Cryan

Anleger und Experten begrüßen die Umbaupläne des Deutsche-Bank-Chefs. Viele Mitarbeiter zittern jetzt jedoch um ihre Jobs.

Das Einzige, was John Cryan bei der Deutschen Bank in Frankfurt nicht saniert, sind „Soll und Haben“, die beiden Türme der Zentrale an der Taunusanlage. Die jeweils 155 Meter hohen Gebäude wurden schließlich zwischen 2007 und 2010 komplett erneuert. Aber sonst lässt der Brite, der die Bank seit Anfang Juli führt, keinen Stein auf dem anderen. Der Vorstand wird komplett umgebaut, drei Top-Manager müssen gehen – mit Ex-Ko-Chef Anshu Jain und Ex-Privatkunden-Chef Rainer Neske sind es in diesem Jahr schon fünf. Sechs Neue sollen kommen. Zum ersten Mal seit 20 Jahren rückt mit der Französin Sylvie Matherat wieder eine Frau in den Vorstand. Den von Ex-Bank-Chef Josef Ackermann eingeführten erweiterten Vorstand – das 24-köpfige „Group Executive Committee“ – schafft der Brite ab, die Struktur der Geschäftsfelder ordnet er komplett neu. Das alles ließ sich Cryan am Sonntag vom Aufsichtsrat absegnen.

Börse, Finanzexperten und Analysten lobten Cryan am Montag für die harten Einschnitte. Der Aktienkurs stieg zeitweise um 3,5 Prozent. All dies obwohl Cryan für die gesamte Finanzgemeinde in Frankfurt immer noch fast wie eine Fata Morgana erscheint. Dieser ist bisher nicht ein einziges Mal in der Öffentlichkeit aufgetreten, obwohl er schon seit dem 1. Juli im Amt und faktisch alleiniger Chef der Bank ist. Ko-Chef Jürgen Fitschen hat in der Bank kaum noch etwas zu sagen. Cryan indes wohnt im Frankfurter Westend unweit des Palmengartens, im Appartement seines Vorgängers Jain. Er sei mehr da als Jain, berichten Nachbarn, werde jeden Morgen abgeholt. Sie wissen allerdings auch nicht, ob Cryan so gut Deutsch spricht, wie es heißt. Die bisherigen drei Briefe an die Mitarbeiter der Bank, in denen er harte Zeiten ankündigt, werden zwar auch auf Deutsch vorgelesen, aber von einer Computerstimme, die den Namen des Briten nicht einmal richtig ausspricht.

Pläne werden Ende Oktober vorgestellt

Dieter Hein, Bankenanalyst und profunder Kenner der Deutschen Bank, überraschen die Umbesetzungen im Vorstand der Deutschen Bank nicht. „Viele müssen gehen, weil sie von der Finanzaufsicht Bafin schwer belastet sind“, sagt er. Die neue Struktur der Geschäftsbereiche sei sinnvoll, bringe in vielen Fällen aber nicht die erhoffte Wirkung. „Durch die Abspaltung der Handelsgeschäfte vom Investmentbanking gibt es zwar eine bessere Kontrolle, aber beide Bereiche bleiben hochriskant.“ Generell, sagt Hein, habe die Deutsche Bank ein massives Risiko- und Kostenproblem. Dafür sehe er auch jetzt noch keine Lösung. Auch Jan-Pieter Krahnen, Professor für Kreditwirtschaft an der Uni Frankfurt, begrüßt den Umbau der Bank. „Wichtig ist die Abtrennung des Handelsgeschäftes in eine eigene Einheit. Damit ist das Bekenntnis verbunden, dass das Einlagen- und Kreditgeschäft für sich allein stabil und profitabel sein muss.“

Am 29. Oktober will Cryan seine Pläne erstmals öffentlich präsentieren und erläutern. Am Sonntag ließ er sich nur mit dem Satz zitieren, man wolle eine besser kontrollierte, kosteneffizientere und fokussierte Bank schaffen. Der Umbau trifft vor allem das Investmentbanking. Dieses hat dem Unternehmen in der Vergangenheit zwar hohe Gewinne eingebracht, tatsächlich aber massiv Kapital gebunden. Betrügereien und fadenscheinige Geschäfte haben dem Haus Rechtsprobleme beschert, die bislang schon einen zweistelligen Milliardenbetrag gekostet und den Ruf des Instituts schwer beschädigt haben. Die Handelsaktivitäten nimmt Cryan den Investmentbankern weg und kreiert eine eigene Sparte für globale Märkte.

Institut hat Rekordverlust hinnehmen müssen

Mit Stefan Krause, Henry Ritchotte und Stephan Leithner müssen drei Vorstände ihren Hut nehmen, auch aus der zweiten Managementreihe verlieren mehrere Top-Manager ihren Job. Offenbar stuft die Finanzaufsicht Bafin ihre Rolle im Libor-Skandal um manipulierte Zinsen höchst kritisch ein. Dafür rücken eine Frau und fünf Männer Anfang 2016 neu in den Vorstand, mit Karl von Rohr auch ein Deutscher. Im siebenköpfigen Vorstand sitzen dann insgesamt drei Deutsche.

Nach Ansicht von Aufsichtsratschef Paul Achleitner hat es in der Deutschen Bank selten zuvor eine solch grundlegende Reorganisation gegeben. Freilich, sagen Beobachter, ist es noch viel mehr. Nie zuvor hat ein neuer Chef der Deutschen Bank so radikal mit seinen Vorgängern gebrochen, in diesem Fall Josef Ackermann und Anshu Jain. Dies hatte Cryan schon vor knapp zwei Wochen deutlich gemacht, als er Abschreibungen und Rückstellungen von mehr als sieben Milliarden Euro sowie den Ausfall der Dividende verkündete, die der Deutschen Bank im dritten Quartal einen Rekordverlust von 6,2 Milliarden Euro beschert haben.

Achleitner zufolge geht ein solch radikaler Schnitt nicht „ohne Härten einher“. Die Vorstände und Top-Manager, die ihren Job verlieren, fallen in der Regel weich. Anders ist es bei normalen Angestellten. Dies ist die letzte wichtige Frage, die Cryan bislang nicht beantwortet hat. Am Ende wird der Schnitt und der Sparkurs nach Ansicht von Beobachtern mehrere tausend, möglicherweise mehr als zehntausend Stellen kosten. Nicht gut kommt bei Beobachtern im Übrigen an, dass der Schotte bislang dem Vernehmen nach vor allem wichtige angelsächsische Kunden besucht und seine Pläne erläutert hat. Dies zeige Cryans Wertschätzung gegenüber Deutschland und deutschen Kunden.

Zur Startseite