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Eine Boeing 737 MAX 8 der Fluggesellschaft Air China
© REUTERS/Thomas Peter

Zweifel an Sicherheit: Boeing nach Flugzeugabsturz in Bedrängnis

Nach dem Absturz einer Boeing 737 MAX 8 in Äthiopien gibt es wieder Zweifel an einem neuen Sicherheitssystem. Es war nicht der erste Crash dieses Typs.

Der erneute Absturz einer nagelneuen Boeing 737 MAX 8 droht den amerikanischen Flugzeughersteller in arge Bedrängnis zu bringen. Der Crash der Maschine der Ethiopian Airlines nur wenige Minuten nach dem Start in Addis Abeba weist beunruhigende Parallelen zu dem ähnlichen Unfall einer Maschine des gleichen Typs vor knapp fünf Monaten in Indonesien auf. Am 29. Oktober vergangenen Jahres war eine MAX 8 der Lionair ebenfalls kurz nach dem Start in Jakarta ins Meer gestürzt, 189 Menschen kamen damals ums Leben. In beiden Fällen hatte es zuvor auffällige Schwankungen bei der Flughöhe gegeben.

Bereits nach dem Unglück in Indonesien war ein von Boeing erstmals bei der MAX installiertes Sicherheitssystem ins Zwielicht geraten. Das Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS) soll eigentlich einen Absturz verhindern, indem es die Nase des Flugzeugs automatisch nach unten drückt und einen Sinkflug einleitet, wenn in bestimmten Flugsituationen ein zu hoher Anstellwinkel droht, der zu einem Strömungsabriss mit drohendem Absturz führen könnte.

Sind jedoch beispielsweise an der Außenhaut des Flugzeugs angebrachte Sensoren defekt oder verstopft, kann das MCAS die Signale offenbar falsch interpretieren und den Jet fälschlich nach unten drücken. Gerade in Bodennähe ist das eine heikle Situation, in der den Piloten nur wenige Sekunden bleiben, um das System durch Betätigung zweier Schalter zu deaktivieren.

Nach dem Lion Air-Crash kam es zu einer heftigen Debatte zwischen Pilotenvertretern und dem Flugzeughersteller. Während die Besatzungen Boeing vorwarfen, sie nicht ausreichend über das neue System informiert zu haben, wies das Unternehmen dies zurück. Dennoch veranlassten die zuständigen Aufsichtsbehörden, dass zusätzliche Informationen über MCAS in die Betriebshandbücher der MAX aufgenommen werden mussten.

Der endgültige Untersuchungsbericht über den Unfall in Indonesien ist noch nicht fertiggestellt. Aufschluss über die genauen Ursachen des Unglücks in Äthiopien, bei dem 157 Menschen - darunter fünf Deutsche - starben, verspricht man sich von den inzwischen geborgenen Flugdatenschreibern. Boeing hat ein Technik-Team nach Addis Abeba entsandt, um die Suche nach der Unfallursache zu unterstützen.

Neben Ethiopian Airlines haben auch alle chinesischen Luftverkehrsgesellschaften sowie Cayman Airways vorsorglich ihre MAX-Flugzeuge erst einmal aus dem Betrieb genommen. Für ein Grounding der in Europa betriebenen Maschinen wäre die European Aviation Safety Agency (EASA) zuständig. Man verfolge die Ermittlungen in Äthiopien genau und stehe in Kontakt sowohl mit Boeing als auch mit der FAA, heißt es dort. Die amerikanische Bundesluftfahrtbehörde FAA ist die verantwortliche Aufsichtsbehörde für alle Boeing-Flugzeuge.

Billigflieger Norwegian hat 18 Maschinen

Größter Betreiber der MAX in Europa ist der Billigflieger Norwegian mit 18 Maschinen von insgesamt 110 bestellten Maschinen. Die belgische und die britische Airline des TUI-Konzerns verfügen über zusammen elf Flugzeuge des Typs, Turkish Airlines betreibt 7, die polnische LOT 4 und Icelandair 3. Die deutsche Gesellschaft TUIfly erwartet in dieser Woche ihre erste MAX 8, die am 13. April den regulären Passagierbetrieb aufnehmen soll. Man stehe in engem Kontakt zum Hersteller, sagte Firmensprecher Aage Duenhaupt. Bei den Schwestergesellschaften hätte das Modell bei bisher mehr als 1000 Flügen "super performed". Es habe zu keinem Zeitpunkt technische Auffälligkeiten gegeben, wie sie im Zusammenhang mit dem Lion Air-Unfall genannt werden. "Wir haben keinen Grund, an der Zuverlässigkeit des Modells zu zweifeln."

Die deutsch-türkische Fluggesellschaft SunExpress hat 32 MAX bestellt. "Die Auslieferung der ersten fünf Flugzeuge erfolgt nach letztem Planungsstand im Sommer 2019", so Firmensprecherin Kerstin Lomb. "Wir sind im stetigen Dialog mit Boeing. Wenn es ein Update zu unserer 737-Flottenplannung gibt, werden wir dies offiziell bekanntgeben." Der Billigflieger Ryanair hat insgesamt 135 MAX bestellt.

Die MAX, die im Januar 2016 ihren Erstflug absolvierte, ist die jüngste Variante des bewährten, zweistrahligen Mittelstreckenjets Boeing 737, der bereits seit 1967 gebaut wird. Ähnlich wie das Konkurrenzmodell Airbus A320neo ist sie mit neuen Triebwerken ausgestattet, die den Treibstoffverbrauch und die Lärmentwicklung drastisch reduzieren. Für beide Hersteller sind diese Maschinen die erfolgreichsten Baureihen. Schon jetzt hat Airbus mit 6526 Aufträgen für Maschinen der A320neo-Familie die Nase deutlich vorn, Boeing konnte bisher nur 5011 Exemplare der 737 MAX verkaufen, von der 350 bereits weltweit im Einsatz stehen.

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