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Zwei Menschen in weißen Kitteln, ein asiatisch aussehender Mann und eine Frau mit Kopftuch, stehen in einem Krankenhaus zusammen.
© picture alliance / dpa

Wirtschaftsforscher: Zahl der Zuwanderer steigt: Bis zu 2,6 Millionen Menschen kommen nach Deutschland

Angesichts der Krise in Europa suchen immer mehr Menschen in Deutschland ihr Glück, prognostizieren Ökonomen.

Berlin - Sie kommen aus Polen, Rumänien, Bulgarien und Ungarn, auch Italiener , Spanier und natürlich Griechen sind stark vertreten: Viele Menschen brechen derzeit nach Deutschland auf, auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben. Die Euro-Krise und hartnäckige Armut lassen sie an der Heimat verzweifeln. In den kommenden Jahren könnte der Zustrom an Arbeitsuchenden noch stärker werden. Bis zu 2,64 Millionen Menschen könnten sich zwischen 2013 und 2018 insgesamt auf den Weg nach Deutschland machen. So haben es die führenden Wirtschaftsinstitute im Herbstgutachten für die Regierung ausgerechnet, das sie am Donnerstag präsentierten. In den vergangenen Jahren hat es einen so deutlichen Zustrom nicht gegeben.

Die Folgen für die Bundesrepublik wären zwiespältig: Einerseits „dürften dadurch die Lohnsteigerungen in den nächsten Jahren deutlich geringer ausfallen, als es ohne die verstärkte Zuwanderung der Fall gewesen wäre“, schreiben die Ökonomen. Das wäre schlecht für die Beschäftigten, aber gut für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Andererseits sorgten die Zuwanderer dafür, dass die Wirtschaft leistungsfähiger werde, das wiederum würde mehr Wohlstand und Wachstum bedeuten. Beispielsweise würde der Mangel an Fachkräften, über den einige Branchen schon heute klagen, durch den Zustrom gelindert.

Hinter dem Herbstgutachten stehen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung aus Berlin, das Münchner Ifo-Institut, das Institut für Wirtschaftsforschung Halle in Sachsen-Anhalt sowie das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung. Sie veröffentlichen zweimal im Jahr im Auftrag der Bundesregierung eine gemeinsame Prognose.

Schon heute sind die Folgen der Zuwanderung zu spüren: Im September etwa stieg zwar die Beschäftigung deutlich, die Arbeitslosigkeit ging aber kaum noch zurück. Die neuen Jobs gingen also entweder an Frauen oder Alte, die bislang nicht auf dem Arbeitsmarkt aktiv waren – oder an Zuwanderer. Genaue Daten darüber sind nicht verfügbar. Galt die Bundesrepublik bis 2009 noch als mäßig attraktives Ziel mit merklich höherer Arbeitslosigkeit als in anderen EU-Volkswirtschaften, hat sich dies nun gewendet. In Zukunft könnte sich das noch beschleunigen. Kamen im vergangenen Jahr 369 000 Menschen nach Deutschland, dürften es in diesem Jahr knapp 400 000 sein und im kommenden schon 466 000.

Wie es dann weitergeht, hängt den vier Instituten zufolge davon ab, wie rasch sich die Wirtschaft der angeschlagenen Länder erholt und ob alternative Ziele wie Großbritannien attraktiver werden. Schließlich sei die Zukunft der Euro-Krise und des Arbeitsmarktes „sehr ungewiss“, heißt es im Herbstgutachten.

Derzeit liegt die Arbeitslosigkeit in der Euro-Zone nach internationaler Berechnungsweise bei 14,2 Prozent, im nächsten Jahr soll sie trotz einiger Anzeichen für einen zarten Aufschwung weiter steigen. Geht sie dann bis 2018 auf gut zehn Prozent zurück und bessert sich die Lage auch in Großbritannien, dürften insgesamt 2,38 Millionen Menschen nach Deutschland kommen, um hier ihr Glück zu suchen. Sollte es im EU-Ausland besser laufen und in Deutschland schlechter als derzeit, gäbe es nur eine Zuwanderung von gut zwei Millionen Menschen. Läuft die Erholung in Europa dagegen schleppender, sind auch andere Zahlen zu erwarten – dann könnten bis zu 2,64 Millionen Menschen zusätzlich in die Bundesrepublik kommen.

Eine Zuwanderung vor allem in die Sozialsysteme sei nicht zu erwarten, befindet das Herbstgutachten weiter. So hätten sich in der Vergangenheit 65,2 Prozent der Immigranten am Erwerbsleben beteiligt, bei den Einheimischen liege diese Quote mit 66,6 Prozent nur leicht höher.

Das Ziel der Einwanderer sind meist die großen Städte wie München, Stuttgart oder Dresden, wie die Bertelsmann-Stiftung herausgefunden hat. Außerdem sind die wirtschaftsstarken Regionen im Süden attraktiv. Das Saarland sowie die ostdeutschen Bundesländer locken die Zuwanderer eher weniger.

Carsten Brönstrup

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