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Das Ideal. Kühe stehen nur selten auf der Weide. Selbst bei Weidemilch dürfen sie gentechnisch verändertes Futter bekommen.
© imago/MiS

Vor dem Milchgipfel: Biomilch ist auch nicht die Rettung

Weil der Preis für konventionelle Milch drastisch fällt, setzen mehr Landwirte auf Biomilch. Doch das könnte sie erst Recht in die Pleite treiben.

Anfangs war Hans-Günther Hartmann skeptisch. Als die Kollegen vorschlugen, den Hof mit 200 Milchkühen auf Bio umzustellen, glaubte er nicht so recht, dass das funktionieren könnte. Schließlich müssten sie das Futter selbst anbauen – und das auf dem sandigen Boden Brandenburgs. Heute sagt Hartmann: „Die Umstellung auf Bio hat uns gerettet.“ Acht Jahre sind vergangen, seitdem er sich von der Biomilch-Produktion hat überzeugen lassen. Heute, sagt Hartmann, wüsste er nicht, wie sie ohne Bio über die Runden kämen. 40 bis 45 Cent bekommt der Betrieb, der zur Hoffnungstaler Stiftung Lobetal gehört, pro Liter Milch. „Das reicht so gerade“, sagt Hartmann. Wie seine Kollegen das schaffen, die noch auf die konventionelle Landwirtschaft setzen, ist ihm schleierhaft.

Weil zu viel Milch auf dem Markt ist und die Händler die Preise drücken, bekommen konventionelle Betriebe nur noch 20 Cent pro Liter. Eine Molkerei aus Nordrhein-Westfalen soll sogar bereits auf 15 Cent runtergegangen sein. Ihre Kosten können die Milchbauern dabei schon lange nicht mehr decken. An diesem Montag hat Agrarminister Christian Schmidt (CSU) deshalb Landwirte, Händler und Molkereien zum Milchgipfel nach Berlin eingeladen, um über Hilfen zu sprechen.

Viele Landwirte setzen auf Biomilch

Die Milchbauern selbst suchen schon seit Monaten nach Möglichkeiten, um ihre Betriebe zu retten. Wie Hartmann versuchen viele, in einer Nische Erfolg zu haben. Sie hoffen, durch mehr Tierwohl und Umweltschutz bei den Verbrauchern zu punkten und so höhere Preise durchsetzen zu können. In den letzten Monaten hat das einen regelrechten Bio-Boom ausgelöst. Waren Landwirte wie Hartmann erst skeptisch, weil die Umstellung auf Bio zwei Jahre dauert und in dieser Zeit nur kostet, haben zuletzt immer mehr diesen Schritt gewagt.

Das merkt man auch in Brandenburg. Noch vor einem halben Jahr waren Biomolkereien verzweifelt auf der Suche nach Biolandwirten, weil sie die Nachfrage des Handels mit regionaler Milch gar nicht mehr decken konnten. Doch mittlerweile gibt es auch in diesem Segment ein Überangebot – auch wenn das bei Weitem noch nicht so dramatisch ist wie bei der konventionellen Milch.

Hartmann ist daher auch vorsichtig, wenn Kollegen ihn fragen, ob sie auf Bio umstellen sollen. Regelmäßig führt er Besucher über den Hof und erklärt, wie er und seine Kollegen wirtschaften. Wie sie zum Beispiel auf den Feldern Roggen, Erbsen, Mais, Luzerne und Klee anbauen und daraus Silagefutter für die Kühe herstellen. Dass sie auf Stickstoffdünger verzichten, weil das die Bio-Vorgaben so verlangen. Dass die Ställe eine gewisse Größe haben müssen und die Kühe Auslauf brauchen. Hartmann will nichts beschönigen. Er weiß, dass das alles aufwendig ist und kostet. Und eine Garantie, dass die Umstellung auf Bio sich auch in ein paar Jahren noch auszahlt, gibt es nicht. „Stellen alle auf Bio um, gehen auch die Preise für Biomilch in den Keller“, sagt Hartmann.

Auch der Preis für Biomilch dürfte langfristig fallen

Holger Thiele, Agrarökonom an der Fachhochschule Kiel, teilt diese Befürchtung. Er glaubt, dass die aktuelle Krise mehr Landwirte dazu bewegen dürfte, auf Bio umzustellen. „Dann wird jedoch der Aufpreis für die Biomilch schrumpfen“, sagt er. „Statt 20 Cent könnten die Landwirte bereits in zwei Jahren nur noch fünf Cent mehr pro Liter im Vergleich zu konventioneller Milch bekommen.“

Deshalb sind viele Landwirte, die wie Hartmann in der Vergangenheit auf Bio umgestellt haben, längst auf der Suche nach der nächsten Nische. Die Produktion von Heumilch ist zum Beispiel so eine. Anders als bei der reinen Biomilch müssen die Kühe dafür im Sommer meist mindestens sechs Stunden am Tag auf der Weide verbringen. Außerdem dürfen sie nur frisches Gras zu fressen bekommen. Selbst hergestelltes, konserviertes Futter, wie es klassische Biobetriebe verwenden, ist Tabu. Als Vorrat für den Winter müssen Landwirte Heu trocknen und dafür besondere Trockenanlagen anschaffen – nur dann können sie die Milch ihrer Kühe als Heumilch verkaufen.

Für Heumilch bekommen Landwirte den höchsten Preis

Im Gegenzug bekommen die Landwirte dafür etwas mehr Geld von den Molkereien. Im Vergleich zur Biomilch kassieren sie für die Heumilch derzeit noch einmal fünf Cent mehr pro Liter. Weil gleichzeitig auch die Nachfrage der Verbraucher steigt, wirbt die Gläserne Molkerei in Münchehofe zum Beispiel bei ihren Landwirten derzeit aktiv darum, statt Biomilch auf Heumilch zu setzen. „Wir bauen die Produktion von Heumilch aus“, sagt Geschäftsführer Klaus Frericks. Schon jetzt werde für ihr gesamtes Angebot an regionalem Käse nur noch Heumilch verwendet. Zusätzlich soll künftig auch deutlich mehr Heumilch als Trinkmilch abgefüllt werden.

Neben dem Preisdruck reagieren die Molkereien damit auch auf die Nachfrage der Verbraucher. Viele legen mittlerweile deutlich mehr Wert darauf, wie die Kühe gehalten werden – nicht alle wollen dafür aber auch mehr zahlen. Das haben nun auch die Discounter erkannt und bieten neben Biomilch zum Beispiel Weidemilch an.

Weidemilch täuscht Verbrauchern eine heile Welt vor

Der Begriff suggeriert, dass die Tiere ein glückliches Leben auf der grünen Wiese führen. Der Haken ist allerdings: Der Begriff ist nicht geschützt. Bislang gibt es keine einheitlichen Standards, wann die Hersteller Weidemilch auf den Karton schreiben dürfen. Verbraucherschützer vermuten daher, dass das in manchen Fällen lediglich ein Werbeversprechen ist. Das könnte auch erklären, warum Discounter Weidemilch bereits für 59 Cent verkaufen: Das sind gerade einmal zehn Cent mehr, als sie für die konventionelle Milch verlangen.

Zwar haben Verbraucherschützer und Vertreter der Milchindustrie sich bereits zusammengesetzt, um Qualitätskriterien für die Weidemilch aufzustellen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) erklärte die Verhandlungen schließlich jedoch für gescheitert. Der Grund: Die Industrie wollte sich nicht darauf einlassen, gentechnisch verändertes Futter für Weidemilch-Kühe auszuschließen und externe Kontrollen zuzulassen.

Kleinere Molkereien werben mit Regionalität

Auch deshalb gehen manche Molkereien einen anderen Weg. Hemme aus der Uckermark zum Beispiel setzt auf Regionalität. Für Geschäftsführer Gunnar Hemme ist die Nähe zum Verbraucher entscheidend. Kunden sollen nachvollziehen können, wo ihre Milch herkommt und wer sie produziert. Das schaffe Authentizität. „Die Großindustrie hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die Kunden wollen keine Geiz-ist-Geil-Mentalität“, meint Hemme. Für die Landwirte ist sein Fokus auf die Regionalität von Vorteil: „Die Milchpreisschwankungen am Markt können wir als regionale Molkerei abfedern, weil wir unabhängig vom Export sind“, sagt Hemme. Deshalb bliebe der Endpreis von 1,09 Euro seit Jahren konstant. Gewährleistet wird die Regionalität durch das Prüfzeichen des Biosphären-Reservats Schorfheide-Chorin, in dem Hemme produziert. Neben der Verpflichtung, überwiegend regionale Rohstoffe zu verwenden, sind dort auch Kriterien zu Qualität, Umweltverträglichkeit und Energiehaushalt festgeschrieben.

Auch Landwirt Hans-Günther Hartmann stemmt sich gegen die Preisdrückerei. Seine Milch hat mittlerweile das Label „Naturland Fair“ erhalten. Das steht nicht nur für das Tierwohl, sondern auch für die faire Bezahlung durch die Molkerei. „Milch ist ein hochwertig erzeugtes Lebensmittel“, sagt Hartmann. „Die darf man nicht einfach verschleudern.“

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