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Messen ist wichtig. Viele Mietverträge enthalten falsche Größenangaben.
© dpa

Bundesgerichtshof: BGH: Mieten dürfen nicht sprunghaft steigen

Auch wenn die Wohnung viel größer ist als im Mietvertrag steht, darf die Miete nur um 15 bis 20 Prozent steigen, sagt der BGH.

Wer geht schon vor dem Einzug in eine neue Wohnung mit dem Zollstock durch die Räume und misst, wie groß das neue Zuhause ist? Und wie rechnet man überhaupt richtig? Balkone, Nischen, Kamine, Dachschrägen, Terrassen – wenn es um die Größe einer Wohnung geht, sind viele Fragen nicht eindeutig geklärt. Nur eines ist klar: Die meisten Größenangaben in Mietverträgen sind falsch. Da sind sich Mieterschützer und Vermietervertreter einig. Nach Schätzungen des Deutschen Mieterbunds stimmt bei zwei von drei Wohnungen die im Mietvertrag genannte Quadratmeterzahl nicht mit der tatsächlichen überein. Mal ist die Wohnung kleiner, mal ist sie größer. Und selbst Experten blicken oft nicht durch. Der Eigentümerverband Haus&Grund hat in einem Praxistest eine Wohnung von Fachleuten vermessen lassen. Die drei Experten kamen auf drei verschiedene Zahlen mit Abweichungen von bis zu 16 Prozent.

Zehn Prozent Abweichung musste man bisher dulden

Bislang mussten Mieter und Vermieter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) Abweichungen dulden, wenn diese nicht mehr als zehn Prozent betragen haben. Doch mit dieser gerichtlich geduldeten Mogelei ist jetzt Schluss. Am Mittwoch entschied der BGH: Es kommt auf die tatsächliche Wohnungsgröße an (Az.: VIII ZR 266/14). Dennoch müssen Mieter, die in einer deutlich größeren Wohnung leben als im Mietvertrag angegeben, nicht mit einer sprunghaften Mieterhöhung rechnen. Denn die Karlsruher Richter urteilten am Mittwoch auch: Selbst bei extrem günstigen Kaltmieten kann der Vermieter die Miete nur um maximal 20 Prozent anheben.

210 Quadratmeter statt 157

Damit scheiterte eine Berliner Vermieterin, die sich kräftig verrechnet hatte. Laut Mietvertrag hat ihre Fünf-Zimmer-Wohnung am Charlottenburger Savigny-Platz über 157 Quadratmeter verfügt, tatsächlich sind es aber 210,43. Kein Wunder also, dass die Vermieterin einen ordentlichen Aufschlag wollte. Statt einer Kaltmiete von 630 Euro im Monat sollten die Mieter plötzlich 940 Euro zahlen. Damit ist die Vermieterin jedoch gescheitert. Weil sie die Miete nur um maximal 15 Prozent erhöhen darf, kommen die Mieter mit einer Erhöhung von 95 Euro davon.

Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbunds, begrüßte das Urteil. Viele Mieter zahlten für Flächen, die sie gar nicht hätten. „Es wurde Zeit, dass der Bundesgerichtshof hier seine Rechtsprechung korrigierte“, sagte der Mieterschützer mit Blick auf den bisherigen Zehn-Prozent-Spielraum. Mieter sollten mit Blick auf das Urteil jetzt aber nicht eigenmächtig die Miete kürzen, hieß es beim Berliner Mieterverein auf Anfrage. Das Urteil bezieht sich nämlich nur auf Mieterhöhungen, nicht aber auch auf Mietminderungen. Ein Mieter kann also trotz der neuen Entscheidung nicht einfach weniger Miete zahlen, auch wenn er beim Messen herausfindet, dass die Wohnung kleiner ist als gedacht. Siebenkotten mahnte am Mittwoch deshalb eine schnelle gesetzliche Klarstellung an. Die Zehn-Prozent-Toleranzregel müsse nun auch bei Mietminderungen und Betriebskosten-Abrechnungen fallen.

Politik plant neues Gesetz

Die Politik hat das Thema schon länger auf der Agenda. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass künftig in allen Bereichen – auch für die Höhe der Miete sowie die umlagefähigen Heiz- und Betriebskosten – die tatsächliche Wohnfläche entscheidend sein soll. „Dazu finden derzeit Gespräche statt“, sagte eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums dem Tagesspiegel. Ein Gesetzentwurf wird im Frühjahr 2016 erwartet.

Die Vermieter warnen vor eine Welle von Rechtsstreitigkeiten. „Wir befürchten, dass es bereits bei geringsten vermuteten Abweichungen zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommt“, sagte der Hauptgeschäftsführer von Haus&Grund, Kai Warnecke. Anders als die Mieterschützer plädieren die Eigentümer bei der anstehenden Gesetzesreform für einen hinreichend großen Toleranzbereich. Solch eine Regelung sei nicht zuletzt wegen der hohen Kosten einer Vermessung sinnvoll. Eine Wohnungsvermessung könne leicht einen hohen dreistelligen Betrag kosten.

Reaktionen aus Berlin

Auch in Berlin wartet man auf die Reform des Justizministers. Chris Kühn, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Grünen sagte: "Das Urteil des BGH ist eine Entscheidung für mehr Mieterschutz in Deutschland". Es sei an der Zeit, dass auch die Bundesregierung aktiv wird und das Problem der abweichenden Wohnflächen in den Blick nimmt. Ähnlich äußerte sich der Mietrechtsexperte der CDU-Fraktion Jan-Marco Luczak: "Der Gesetzgeber muss definieren, wie die tatsächliche Wohnfläche ermittelt werden muss".

Wie gemessen wird

Bleibt die praktische Frage: Wie misst man die Größe einer Wohnung? Glaubt man dem Deutschen Mieterbund, so gelten bei der Ermittlung der Wohnfläche im Regelfall die gesetzlichen Vorschriften der II. Berechnungsverordnung oder der Wohnflächenverordnung. Danach zählen alle Räume und Raumteile in der Wohnung mit, die mindestens zwei Meter hoch sind. Raumteile mit einer Höhe zwischen einem und zwei Metern – also etwa Dachschrägen – werden nach den gesetzlichen Vorschriften nur zur Hälfte angerechnet. Raumteile mit einer Höhe von weniger als einem Meter zählen gar nicht mit. Sonderregeln gelten für Balkone und Terrassen. Diese werden in der Regel zu einem Viertel mitberücksichtigt, sagt der Mieterbund.

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