Selbstversuch beim Personal Trainer: Betreutes Schwitzen
Er trainiert Models, Schauspieler, Rechtsanwälte, Ärzte: Hauptsache flüssig. Denn wer ein bisschen Geld hat, kann sich einen Personal Trainer wie Markus Schellenberg leisten. Doch Schellenberg ist nicht nur Sportler - sondern auch ein schlauer Unternehmer.
Das Resultat ist schon am nächsten Tag zu spüren: Ich habe Muskelkater. Bei jedem Schritt zerrt das fiese Tier die schmerzhafte Wahrheit ans Licht, die ich sehr lange sehr erfolgreich verdrängt hatte: Ich bin unfit, ich bin schlapp. Aber woher sollten die Muskeln auch kommen? Ich mache keinen Sport. Ich fahre lediglich mit dem Fahrrad zur Arbeit und zum Einkaufen. Doch das gilt nicht. "Fahrradfahren – als Training oder so lala?", fragt Karsten Schellenberg streng.
Karsten Schellenberg ist der Mann, der für meinen Muskelkater verantwortlich ist. Er ist Personal Trainer. Leute wie mich trainiert er nur in Ausnahmefällen, normalerweise bringt er die Körper von Prominenten in Form. Auf seiner Referenzliste stehen Namen wie Anna Loos, Matthias Schweighöfer oder Rea Garvey. Franka Potente hat er für "Lola rennt" fit gemacht, Clemens Schick für seine Rolle als Bösewicht im James-Bond-Streifen "Casino Royale". Manchmal tourt er monatelang mit Musikern durch die Welt. Die wären ohne Schellenbergs Fitness- und Motivations-Programm nicht in der Lage, Abend für Abend eine anstrengende Show auf der Bühne abzufeuern
Karsten Schellenberg steht pünktlich am vereinbarten Treffpunkt in der Teufelsseestraße. Auch ohne ihn zu kennen, erkennt man ihn sofort: Arme so dick wie Ofenrohre und volltätowiert. Den Sixpack sieht man nicht, dafür ist das T-Shirt zu weit. Man weiß aber auch so, dass er damit gesegnet ist. Ein großer, durchtrainierter Muskelmann steht also da im Grünen. Und erzählt bei der Begrüßung, dass ihm die umherfliegenden Pollen zu schaffen machen. Wumm. Mit einem Satz hat Schellenberg mögliche Distanzen überwunden, Ängste ab- und Nähe aufgebaut. So soll es sein.
Freiberufler mit Zeitproblemen sind seine Klienten
Ein Personal Trainer lebt davon, dass seine Klienten ihm vertrauen. So funktioniert das Business. Und der Berliner kennt dieses Business so lange wie kaum ein anderer. 1984 hat er sich als Personal Trainer selbstständig gemacht, zu einer Zeit, als man mit dem Begriff noch nicht viel anzufangen wusste. "Personal Training – was ist denn das? Wollen Sie unsere Angestellten schulen?" Mit diesen Sätzen beschreibt Jens Freese vom Bundesverband Personal Training (BPT) typische Reaktionen von Unternehmern noch Ende der 1990er Jahre. "Personal Training", so Freese, "wurde zu dieser Zeit nicht mit Fitness oder Sport assoziiert". Schellenberg bestätigt, dass der Markt, als er anfing, klein war. Zu seinen ersten Kunden zählten hauptsächlich "Ärzte, Rechtsanwälte, Freiberufler, die ein bisschen mehr verdient haben, die erkannten, dass sie ein Zeitproblem haben, aber etwas tun wollten, um sich punktgenau zu verändern".
Noch immer ist Personal Training nichts für Menschen mit kleinem Geldbeutel, noch immer ist es (auch wegen der hohen Honorare von 50 Euro pro Stunde aufwärts) ein Nischenmarkt. Aber die Nische ist im Laufe der Jahre bedeutend größer geworden. Genaue Zahlen gibt es zwar nicht. Das liegt auch daran, dass sich jeder Personal Trainer nennen darf. Der Verband geht aber von 400 hauptberuflichen und weiteren mehreren Hundert nebenberuflichen Trainern in Deutschland aus. Im BPT sind 617 Personal Trainer aktiv. Ein Kundenportfolio von durchschnittlich sechs bis acht Klienten vorausgesetzt, macht das rund 4000 Menschen, die sich unter der Obhut eines Personal Trainers stählen.
Eine davon bin ich. Aber nur heute, nur ausnahmsweise, nur 15 Minuten lang. Die 150 Euro, die der "Fitnessworker" Schellenberg für eine Stunde verlangt, kann ich mir nicht leisten. Außerdem ist der Mann dick im Geschäft. Er kann längst nicht alle aufnehmen, die mit ihm trainieren wollen. Zumal Schellenberg immer mehr Zeit darauf verwendet, Trainer auszubilden, zu referieren, Bücher übers Thema zu schreiben. Schellenberg ist 51. Da muss er so langsam ein zweites oder drittes Standbein schaffen. Mit 70 joggt man nicht mehr durch den Grunewald. "Mit 70 will ich Dozent sein", sagt er. "Das bin ich heute schon und das macht mir riesigen Spaß." Andererseits: Seine Kondition reiche locker noch zehn Jahre aus, um "auf Freizeitniveau zu trainieren.
Freizeitniveau. Für den Extremsportler Schellenberg, der den "Transalp" gelaufen ist, 240 Kilometer von Deutschland nach Italien, der als Bodybuilder international reüssierte, der Judo, Karate, Kraftsport, Kickboxen und Bergsteigen betreibt oder betrieben hat, für Schellenberg ist so ziemlich alles, was Normalmenschen unter Sport verstehen, "Freizeitniveau". Das Schöne ist, dass er das seinen Kunden nicht unter die Nase reibt. Das wäre ja auch demotivierend. Wo man doch einen Großteil des Honorars dafür hinblättert, animiert zu werden.
"Die Leute, mit denen ich trainiere, gehen nicht selbstverständlich zum Sport. Die muss man bei Laune halten", sagt Schellenberg. Deshalb fährt er mit ihnen – nachdem er sie zu Hause abgeholt hat, so viel Luxus muss sein – "mal in den Wald, mal hierhin, mal dorthin". Manchmal hole er auch die Bank aus dem Auto und spendiere seinem Klienten eine Massage im Freien.
Dieser Genuss bleibt mir verwehrt. Ich muss mich anstrengen, muss schwitzen, muss zwischendurch zur Wasserflasche greifen. Aber immerhin schwitze ich bei schönstem Wetter und mit Blick auf Berlin. Das Plateau in der Nähe des Teufelsberges ist ein so schöner, magischer Ort, dass ich auf der Stelle schwöre, wieder hierher zu kommen – mit Picknickdecke und Picknickkorb.
Jeder Kunde hat seine eigenen Wünsche
Doch das sind Zukunftsfantasien. Im Augenblick geht es um die Übungen. Beugen, Hintern raus, Bauchnabel rein, Arme hoch, Arme runter, zusammen, Arme auseinander. Noch tiefer in die Knie, wieder hoch, noch mal runter. Stehen bleiben und innehalten, dann weitermachen, nur nicht nachlassen. Das alles nah am Mann. Karsten Schellenberg, meine Hantelbank aus Fleisch und Blut. Eine Hantelbank, die anspornt, "super" ruft oder "fester", immer wieder mahnt, das Gewicht auf die Fersen zu verlagern. Es sind solche kleinen Korrekturen, die mit darüber entscheiden, ob das Training erfolgreich ist oder ob es verpufft. Oder noch schlimmer: schadet.
Man kann viele Fehler machen, wenn man allein Sport betreibt. Falsch ausgeführte Kniebeugen könnten zu Schäden an der Wirbelsäule führen, sagt Schellenberg. Auch deshalb gehen Menschen lieber zum Personal Trainer als ins Studio. Geben 50 Euro und ein Vielfaches für eine Stunde Workout aus. Weil sie fit werden wollen, aber Angst haben, ihren Körper dabei zu ruinieren. "Nicht jeder, der einen Personal Trainer aufsucht, will sich einen Sixpack antrainieren", räumt der Berliner mit gängigen Klischees auf. Solche Kunden gibt es auch, klar. Aber so individuell die Menschen sind, so individuell seien auch die Wünsche, die sie an ihren Trainer herantragen.
"Geheime Wünsche", sagt Schellenberg gar. Darüber würde man gerne mehr vom Promi-Trainer erfahren, er könnte doch ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern. Macht er aber nicht. Geheimhaltung ist Pflicht. Zum Teil unterschreibt er im Vorfeld entsprechende Verträge.
Wenn Schellenberg davon erzählt, wird klar, dass er nicht nur Sportler ist. Sondern auch Unternehmer. Ein erfolgreicher überdies. Er kann es sich leisten, Interessenten abzulehnen. Sei es, die Chemie stimmt nicht, sei es, die Ziele, die der Klient verfolgt, missfallen ihm. Schellenberg erzählt von einem Model, das er schlanker machen wollte für ein wichtiges Casting in den USA. Zwei Mal sei das Mädchen nach Deutschland zurückgekommen, zwei Mal habe man ihr aufgetragen, sie müsse noch dünner werden. Schellenberg hat sich geweigert, weiter mitzumachen. "Die spielen doch mit der Seele des Menschen", sagt er.
Meine Seele ist nicht in Gefahr, als wir, nach getaner Arbeit, die 250 Stufen zum Parkplatz heruntergehen. Im Gegenteil. Körper und Geist sind geradezu euphorisiert. Die frische Luft. Der Sport. Die nette und kompetente Gesellschaft des Personal Trainers. Das wirkt. Bis zum nächsten Morgen. Bis sich der Muskelkater meldet. Dieses fiese Tier.
Dieses Stück erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen
Sabine Hölper
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