Interview: Berliner Bahn-Chef Ingulf Leuschel: „Die Ausgaben sind sinnvoll“
Rechtfertigen sich Ausgaben in Höhe von zehn Milliarden Euro, um zwei Stunden schneller ans Ziel zu kommen?Auf jeden Fall.
Rechtfertigen sich Ausgaben in Höhe von zehn Milliarden Euro, um zwei Stunden schneller ans Ziel zu kommen?
Auf jeden Fall. Hier ist nicht nur der Zeitgewinn allein zu sehen. Wir brauchen auch zusätzliche Kapazität auf der Schiene zwischen Berlin und Süddeutschland. Vor allem auch für den Güterverkehr. Die Neubaustrecke wird so teuer, weil sie nur mit geringen Steigungen ausgelegt ist, die von Güterzügen bewältigt werden können. Und das ergibt eine effiziente Energiebilanz. Kurvenreiche Steigungsstrecken führen dagegen zu einem hohen Energieverbrauch und einem starken Verschleiß. Die Diskussion erinnert mich sehr an die Zeit, als in den 80er Jahren die Neubaustrecke Hannover–Würzburg gebaut wurde. Keiner würde diese Strecke heute mehr infrage stellen.
Ist denn auf den Neubaustrecken überhaupt mit einem nennenswerten Güterverkehr zu rechnen?
Wie auf der 1991 eröffneten Strecke zwischen Hannover und Würzburg werden auch zwischen Berlin und München nachts Züge auf der neuen Strecke fahren. Damit entlasten wir auch die Anwohner an der alten Verbindung, die dann ruhiger schlafen können. Die Strecke ist so ausgelegt, dass auch tagsüber Güterzüge fahren können, die unterwegs von den schnelleren Reisezügen überholt werden können. Dafür bauen wir extra Überholgleise.
Warum steckt man das viele Geld nicht in den Ausbau des bestehenden Netzes, was nach Ansicht von Kritikern viel effizienter wäre?
Das eine tun, heißt nicht, das andere lassen. Selbstverständlich sollte Ausbau vor Neubau gehen; aber bitte auch nur dort, wo der Ausbau sinnvoll ist. So haben wir es zum Beispiel zwischen Hamburg und Berlin praktiziert, wo die Züge nun mit Tempo 230 fahren können. Für die Strecke durch den Thüringer Wald gibt es dagegen keine Alternative. Denn wie gesagt, kurvenreiche Steigungsstrecken führen auf Dauer zu hohen Kosten.
Kann der Hauptbahnhof in Berlin mit der neuen Schnellfahrstrecke zu einem europäischen Drehkreuz werden?
Der Hauptbahnhof wird sich zu einem bedeutenden europäischen Verkehrsknoten entwickeln. Neben den bestehenden Schnellstrecken aus Hannover und Hamburg und künftig aus München bauen wir auch die Verbindungen nach Frankfurt (Oder), Rostock und Dresden aus, was die Fahrzeiten aus allen Richtungen verkürzt. Die Erfahrung zeigt, dass es dann auch Verlagerungen vom Flug- und Straßenverkehr zur Bahn gibt.
Ingulf Leuschel ist Bevollmächtigter der Deutschen Bahn für Berlin. Der Spezialist für Fahrpläne hat seine Laufbahn als Verkäufer von Fahrscheinen in Hamburg begonnen.