Europäische Arzneimittelbehörde (EMA): Berlin, kämpfe um die Pharmabehörde!
Nach dem Brexit sollte die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) von der Themse an die Spree umziehen. Ein Gastkommentar.
Der Kampf hat längst begonnen. Seit dem überraschenden Ausgang des britischen Referendums sind die europäischen Behörden der Insel zu Objekten der Begierde geworden, um die sich die verbliebenen Mitgliedsländer rangeln. Die begehrteste Trophäe unter allen: die Europäische Arzneimittelbehörde (European Medicines Agency), kurz EMA. Verantwortlich für die Spielregeln in einen Sektor, in dem mehr als ein Zehntel des europäischen Bruttosozialprodukts erwirtschaftet und zentrale Zukunftsthemen verhandelt werden. Schiedsrichter für die Zulassung von menschlichen und tierischen Arzneimitteln und Weichensteller für weitreichende technische Vorgänge bei Pharma und Biotech.
Nach dieser Behörde mit ihren 900 krisensicheren Planstellen lecken sich alle Wirtschaftsförderer Europas die Finger. Nicht nur wegen der Kaufkraft der Beschäftigten. Mit der EMA kann man Industriepolitik im großen Stil betreiben, denn der tausendfache Tross an hochbezahlten Beratern, Dienstleistern und Wissenschaftlern, der sich um sie herum bildet, legt fest, wo künftig die Pharmahauptstadt der europäischen Gemeinschaft beheimatet sein wird.
"Aggressiv den Hut in den Ring werfen"
Berlin soll, ja, Berlin muss hierfür aggressiv seinen Hut in den Ring werfen. Entschieden wird der Kampf zwar letztlich auf europäischer Ebene, aber die Vorbereitung, der Anstoß und vor allem die nationale Unterstützung müssen im kommunalen Rahmen organisiert werden. Landespolitik und Stadtgesellschaft müssen sich aufstellen gegen Konkurrenten wie Bonn, und zeigen, dass sie es ernst meinen. Sie müssen Planungen vorbereiten, Angebote ausarbeiten, Flächen identifizieren, Unterbringungsmöglichkeiten organisieren, Zeit- und Kostenpläne erstellen und, wie es im Politjargon heißt, eine breite Allianz möglichst vieler gesellschaftlicher Gruppen hinter sich bringen. Es reicht nicht, wenn engagierte Akteure in Senatskanzlei, Verwaltung oder Gewerkschaften die Bedeutung des Themas zwar erkennen, aus Angst vor Fehlschlägen oder aus anderen Motiven aber zögern. Berlin braucht einen Stab, eine Organisation, die sich professionell und ausschließlich mit dieser einmaligen Chance beschäftigt. Das Mittel und das Mandat dafür sind am besten gleich in die neuen Koalitionsverträge hineinzuschreiben; auch die Zivilgesellschaft ist einzubinden. Berlin Partner, die halb privat, halb staatliche finanzierte Wirtschaftsförderung Berlins, hat von Spitzenvertretern der Pharmaindustrie bereits klare Signale erhalten, dass diese sich mit Wissen, Beziehungen, Geld und Leidenschaft in ein solches Projekt einbringen würden.
Die Stadt muss sich mit ihrer Bewerbung nicht verstecken. Im nationalen Maßstab hat sie eine der höchsten Dichten an lebenswissenschaftlichen Instituten mit Leuchttürmen wie der Charité und dem Max-Delbrück-Centrum. In der polyzentrisch strukturierten deutschen Gesundheitsbranche kann Berlin auf die meisten nationalen Pharmazentralen verweisen, mit dem Robert-Koch-Institut auf wichtige Regierungsbehörden und mit dem Weltgesundheitsgipfel auf das globale Treffen des Sektors. Die Lebensqualität hier ist hoch, Flächen gibt es genug. Für die arrivierten Beamten und ihren Familienanhang käme vor allem der Stadtrand in Frage.
"Zügig anfangen"
Gut wäre Pankow. Statt auf der Elisabethaue die nächste Banlieue zu errichten, könnten qualitätsvolle Villen und Eigenheime entstehen, nicht weit vom Biotechnologiecampus Buch und dem Waldheim von Ludwig Hoffmann. Aus diesen Elementen ließe sich, mit der EMA als Katalysator, das Adlershof des Nordens bauen. Platz für Verwaltungsgebäude findet sich immer, notfalls in Brandenburg. Eine S-Bahn-Verbindung besteht bereits, die fehlenden Autobahnanschlüsse sind schnell eingefügt. Der BER, wenn er dann endlich fertig wird, kann über Ring und ÖPNV ohne Staus erreicht werden. Mit der EMA als Kristallisationspunkt könnte eine neue Vision für den Berliner Zukunftsort im Nordosten Wirklichkeit werden.
Wichtig auf dem Weg dorthin ist es, mit der aktiven Planung zügig anzufangen und die Bewerbung institutionell zu unterfüttern. Berlin sollte nicht darauf vertrauen, dass die Entscheidung für Deutschland ein Selbstläufer ist, und dass es auf jeden Fall profitierte, weil bei einem Zuschlag für Bonn zumindest als Krümel ein paar Ministerialabteilungen herausspringen. Das wäre naiv und nicht das günstigste Szenario. Die Stadt sollte zusehen, dass es aus einer Position der Stärke in eventuelle Verteilungskämpfe geht, und sich dafür hier und heute positionieren und vorbereiten.
Andreas Eckert ist ein Seriengründer im Bereich der produzierenden Gesundheitswirtschaft und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Berliner Wirtschaftsförderung Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH.
Andreas Eckert