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Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer: „Berlin hat einiges zu bieten“

"Uns geht es schlecht. Wir sind arm. Wir brauchen Förderung." Das sei die Haltung, die Berlins Standortpolitik 20 Jahre lang gepflegt hat - behauptet Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU). Im Tagesspiegel-Interview sagt sie, wie das anders werden soll.

Der Tagesspiegel sprach mit der Senatorin im Casino des Abgeordnetenhauses. Anlass war die Asien-Pazifik-Wochen (APW), die Yzer und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Mittwoch mit einem Festakt in Berlin eröffnen. Die Konferenz-Reihe soll Berliner Firmen mit Asiaten in Kontakt bringen. Yzer nutzte die Gelegenheit, um zu erklären, wie sie Berlin weltweit vermarkten will, welche Städte ihre Vorbilder sind - und warum Hamburg es nicht ist.

Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) will Berlin aus der angeblichen Opferrolle befreien.
Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) will Berlin aus der angeblichen Opferrolle befreien.
© Kai-Uwe Heinrich/TSP

Frau Yzer, bitte nennen Sie drei Stichworte, die Ihnen zu Asien einfallen.
Schnell wachsende Wirtschaftsregion, Kooperationspartner Berliner Unternehmen und technologiestarke Nationen.

Was ist mit Überbevölkerung, Umweltverschmutzung und Korruption?

Ich tendiere nicht dazu, zuerst immer nur Probleme zu sehen. Wenn es Probleme gibt, muss man diese analysieren und nach Lösungen suchen. Ich bin aber überzeugt, dass gerade die Probleme, die Sie ansprechen, vor allem über Technologien gelöst werden können. Und da hat Berlin einiges zu bieten.

Bei den APW geht es um die Organisation von Städten. Was aber soll Mumbai, wo sieben Mal so viele Menschen je Quadratkilometer leben, vom kleinen Berlin lernen?

Die wachsenden Megastädte Asiens sind sicherlich kaum vergleichbar mit Berlin. Und wir können Technologieunternehmen, die an Lösungen für Smart Cities arbeiten, auch nicht mit einem so großvolumigen Absatzmarkt locken. Aber wir können als Referenzstadt dienen. Gerade, was urbane Technologien anbelangt, ist Berlin ein gutes Praxislabor. Das geht aber nur, wenn Technologien, die hier erforscht und entwickelt werden, auch hier zum Einsatz kommen.

Zum Beispiel?

Die Elektromobilität. Hier hat sich Berlin entschieden, Schaufenster zu werden. Hier können wir viel ausprobieren: neue Verkehrskonzepte, Lieferwagen etwa, die – weil sie leise sind – auch nachts fahren, und so den Verkehr am Tag entlasten. Ergebnisse aus solchen Feldversuchen sind auch für größere Städte interessant. In Berlin sind auch Kooperationen möglich – wie etwa das Joint Venture zwischen Continental und SK aus Korea beweist. Hier werden nun gemeinsam erfolgreich Batterietechnologien entwickelt.

Conti hat die Mehrheit dieser Geschäftseinheit an SK verkauft. Die indisch-arabische Solarfirma Microsol kaufte die Reste von Solon aus der Insolvenzmasse. Werden hier Berliner Ideen verscherbelt?

Nein. Zumindest bei Continental war das eine Stärkung des Unternehmens und des Standorts. Gerade Unternehmen im Technologiebereich sind darauf angewiesen, globale Märkte zu bedienen. Hier kann sich keiner im Wolkenkuckucksheim verstecken und sagen: Ich bleibe unangetastet. Partner sind wichtig – in Forschung und Industrie.

Die APW hatten in den ersten Jahren ein großes Kulturprogramm. In diesem Jahr geht es fast nur noch um Wirtschaft. Warum?

Es war eine sehr gezielte Entscheidung, die APW klar auf Wirtschaft auszurichten. Es liegt auf der Hand, dass wir allein mit den Binnenkräften, die wir haben, nicht die nötige Prosperität in die Stadt bekommen. Deshalb müssen wir auf spannende Regionen zugehen. Daher haben wir zum Beispiel im April das erste Berliner East-Forum mit Partnern aus Mittel- und Osteuropa abgehalten. Kaum zu glauben, dass es so etwas noch nicht gab. Schon aufgrund der Historie und der hier verbreiteten Sprachkenntnisse ist es für mich ein Muss, beste Kontakte in den osteuropäischen Raum zu pflegen.

Aber der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft und andere holen doch regelmäßig die Putins dieser Welt in die Stadt.

Aber diese Besuche gingen an der Berliner Wirtschaft bisher vorbei. Ich war ja selbst viele Jahre hier in der Wirtschaft tätig und habe erlebt, wie Delegationen in die Stadt kommen, Ministerien besuchen und vielleicht noch eine internationalen Konferenz. Dann verlassen sie Berlin gen West- oder Süddeutschland, ohne die Wirtschaft der Stadt wahrgenommen zu haben. Wir wollen den Gästen schon hier so viel Spannendes zeigen, dass sie sich manche Weiterreise sparen können.

Berlin wird übersehen?

Ja, leider häufig. Aber da hilft es nicht, zu sagen: Bitte, beachtet auch uns! Das ist die Rolle, die Berlin 20 Jahre lang eingenommen hat. Nach dem Motto: Uns geht es schlecht. Wir sind arm. Wir brauchen Förderung. Aber wer will denn den Loser kennenlernen? Daher sage ich: Wir haben viel zu bieten. Unternehmen, die zu uns kommen, profitieren etwa von der weit verzweigten Forschungslandschaft, in der auf einzigartige Weise interdisziplinär gearbeitet wird. Berlin ist deutsche Gründerhauptstadt mit einer Start-up- Szene, die viel beachtet ist.

"Die überwiegende Zahl der Berliner Firmen sind im Mittelstand"

Wie wollen sie das ausländischen Investoren nahebringen?

Es gibt zahlreiche Veranstaltungen für die globalen Player. Einige, wie Daimler oder Siemens, produzieren ja auch in der Stadt und unterstützten auch unsere Asien-Pazifik-Wochen. Das ist prima. Tatsache ist aber: Die überwiegende Zahl der Berliner Firmen sind im Mittelstand. Dementsprechend muss man internationale Konferenz-Formate auch auf diese ausrichten – beziehungsweise neu schaffen.

Wie sehen solche Formate aus?

So wie der deutsch- amerikanische Wirtschaftsempfang, den wir Ende Februar im Roten Rathaus organisiert haben. Oder im April das Dankeschön-Dinner für Unternehmen, die neue Jobs geschaffen haben. Auch dort haben wir große Konzerne mit Start- up-Firmen zusammengebracht. Und bei den APW bieten wir erstmals Experten-Touren an, bei denen die Gäste Berliner Unternehmen und Einrichtungen besuchen. Kurzum: Wir nutzen die Hauptstadtfunktion besser für die Wirtschaft Berlins, für unseren Standort.

Wie wollen Sie die Hauptstadt für die Belange des Landes Berlin einspannen?

Indem ich mit Ministerien spreche. Und mit den Botschaften der Länder, wo die Musik für Berliner Unternehmen spielt: In der Türkei, einigen arabischen Staaten, Frankreich und Polen etwa. Ganz wichtig sind aber auch die ausländischen Unternehmen, die hier schon eine Niederlassung haben.

Berlins Wirtschaftssenatorin Yzer (CDU): Standorte in Irland und den USA sind ein Vorbild.
Berlins Wirtschaftssenatorin Yzer (CDU): Standorte in Irland und den USA sind ein Vorbild.
© Kai-Uwe Heinrich/TSP

Oft haben die nur ein Vertriebsbüro.

Aber so fängt das an. Die Pharmakonzerne Pfizer und Sanofi kamen zunächst nur für den Vertrieb, haben aber die Nähe zu Einrichtungen wie der Charité oder dem Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin schätzen gelernt. Heute betreiben sie hier auch Forschung und Entwicklung im großen Stil.

Wie gehen andere Hauptstädte vor? Haben Sie Vorbilder?

Vergleiche sind schwierig, weil viele Hauptstädte wegen ihrer Verwaltungsstruktur nicht die wirtschaftspolitische Kompetenz haben, die Berlin hat, weil es zugleich Bundesland ist. So gibt es in Paris oder London keine Wirtschaftsförderung in der Form. Aus meiner Erfahrung aus der Wirtschaft fallen mir aber Dublin ein, oder Irland generell, auch Standorte in den USA. Dort wird Standortförderung sehr auf den Punkt gebracht, ist stark auf den konkreten Fall bezogen.

Was ist mit Hamburg? Die Stadt pflegt Partnerschaften zu Weltstädten wie Schanghai oder Chicago und hat ein internationales Image.

Hamburg, das Tor zu Welt. Das klingt schon gut. Aber die Stadt hat sich lange nur auf Schanghai konzentriert. Wohl, weil rund 80 Prozent der China-Importe über den Hafen umgeschlagen werden. Berlin pflegt Partnerschaften mit 17 Städten. Das ist gut. Unternehmerisches Engagement hat aber oft andere Gründe. So gibt es kalifornische Investoren in Berlin, für die unsere weit verzweigte Forschungslandschaft Auslöser für ihr Investment war, und nicht etwa, dass Los Angeles unsere Partnerstadt ist.

Das Interview führte Kevin P. Hoffmann

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