Ryanair-Chef O'Leary wettert: Berlin braucht Tegel, Schönefeld und den BER
Besuch bei Ryanair-Chef Michael O'Leary in Dublin. Der Ire stänkert in Richtung Berlin: Den Flughafen Tempelhof zu schließen war „verdammter Unsinn“, sagt er - und fordert einen Weiterbetrieb von Tegel.
In der Ryanair-Zentrale nahe des Dubliner Flughafens stehen in den Pausen für die Mitarbeiter ein Mini-Golfplatz und ein Riesen-Schachspiel bereit. Die Lobby lässt sich nicht nur per Treppe oder Aufzug, sondern auch über eine Gepäckrutsche erreichen. Michael O’Leary, langjähriger Chef der mittlerweile größten europäischen Fluggesellschaft, empfängt die Besucher in seinem Büro im hellblauen Fußballtrikot des englischen FC Manchester City. Dass darauf Schriftzug und Logo von Air-Berlin-Großaktionär Etihad Airways prangt, ist dem 54-Jährigen Schnuppe.
Es ist „Trikot-Tag“ und für jeden Mitarbeiter, der im Shirt eines Sportvereins zur Arbeit kommt, zahlt Ryanair fünf Euro an eine in Syrien tätige Hilfsorganisation. So ergibt sich am vergangenen Freitag ein buntes Bild in den Großraumbüros der Ryanair-Zentrale.
Spott-Werbung nach dem 0:1 gegen Irland
Eigentlich wollte Michael O’Leary aufhören, den Clown und den Provokateur zu spielen. Seit zwei Jahren versucht Ryanair, das schlechte Image der Vergangenheit abzulegen und gibt sich kundenfreundlicher. Ganz lassen kann es der europäische Billigflug-Papst doch nicht. Auf einem Plakat mit dem Titel „Fare Wars“ (Tarif-Kriege) ist er als Darth Vader aus Star Wars zu sehen. Und den Gästen präsentiert er stolz ein Poster mit dem Bild eines grimmig blickenden DFB-Bundestrainers. „Mit dem Fliegen verhält es sich wie bei Fußballspielen, die Iren sind unschlagbar“ ist darauf zu lesen. Aus dem Begriff „günstige Tarife“ (Low Fares) macht er „Löw-Fares“. Die Werbung hat er am Freitagmorgen nach dem überraschenden Sieg der Iren über die deutsche Nationalmannschaft kreiert.
Die beste Reklame hat Ryanair nie etwas gekostet, sagt O'Leary. Die legendäre Idee mit der Gebühr für die Toilettennutzung an Bord der Flugzeuge sei ihm einst von einem BBC-Reporter in den Mund gelegt worden. Der umtriebige Airline-Boss behauptete prompt, dass eine Arbeitsgruppe bereits an der Umsetzung arbeite. Das war zwar gelogen, sorgte aber für Schlagzeilen rund um die Welt und bewirkte wieder einmal für einen Anstieg der Buchungen.
Heute zählt Ryanair zu den profitabelsten Unternehmen der Branche. Der Nettogewinn, der im vergangenen Jahr um 66 Prozent auf 867 Millionen Euro wuchs, soll im Geschäftsjahr 2015/16 auf 940 bis 970 Millionen Euro klettern. Mit derzeit 340 Boeing 737-800 wird Ryanair im laufenden Geschäftsjahr auf täglich bis zu 1800 Flügen rund 100 Millionen Passagiere befördern, 2024 sollen es 520 Jets und 160 Millionen Reisende sein. Binnen fünf Jahren will Ryanair den Marktanteil in Deutschland von fünf auf 20 Prozent steigern, das Passagieraufkommen auf 40 Millionen Reisende vervierfachen und hier die zweitgrößte Fluggesellschaft werden. Das ist bisher Air Berlin, doch deren Fortbestand zieht O’Leary in Zweifel.
Air Berlin wird abgewickelt, prognostiziert O'Leary
„Air Berlin kann mit dem gegenwärtigen Geschäftsmodell nicht fortbestehen“. Deren Ex-Chef Joachim Hunold müsse „verrückt“ gewesen sein, mehrere verlustreiche Airlines zusammenzuführen um eine größere defizitäre Fluggesellschaft zu bilden. Spätestens in fünf Jahren werde sie von ihrem arabischen Haupteigner Etihad abgewickelt werden, ist O’Leary überzeugt.
Vielleicht wird Air Berlin auch an die Lufthansa verkauft und geht darin auf, spekuliert er. Dafür könnte Etihad Anteile der Lufthansa erhalten. Nachdem Qatar Airways bereits zehn Prozent der IAG (British Airways, Iberia) besitzt und weitere Anteile erwerben möchte, erwartet er, dass Emirates oder Etihad bald bei Air France und Lufthansa einsteigen, die gegen die Araber nicht ankommen können.
In Berlin stockt Ryanair kräftig auf
In Berlin, wo Ryanair am 27. Oktober eine neue Basis eröffnet und das Angebot auf 26 Strecken erweitert, rechnet O’Leary mit einem weiterhin rasant steigenden Fluggastaufkommen. Dies sei nur zu bewältigen, wenn neben dem BER auch das alte Terminal in Schönefeld und der Flughafen Tegel langfristig in Betrieb bleiben, mahnt O’Leary. Bereits die Schließung von Tempelhof war aus seiner Sicht „verdammter Unsinn“. Den ehemaligen Zentralflughafen findet er „phänomenal“. Der wäre „unser perfekter Airport“ gewesen.
In Tegel würde O'Leary gerne einige Flugzeuge stationieren, wenn dort durch den Umzug anderer Airlines zum BER frei wird. Die unzulängliche Konzentration auf den neuen Flughafen BER sei nicht zuletzt von der Lufthansa forciert worden, um ihre eigene Position zu stärken, sagt der Ryanair-Boss. „Ich kann nur hoffen, dass die deutsche Regierung einsieht, dass sie nicht immer nur auf die Lufthansa hören sollte.“
Ryanair glänzt mit einer Pünktlichkeitsrate von 90 Prozent. Ebenso hoch ist die Auslastung der Maschinen, und das um jeden Preis. Können die letzten Sitze auch nicht für 9,99 Euro besetzt werden senkt man den Niedrigstpreis weiter auf 4,99 Euro oder gar auf 99 Cent. Manchmal werden die Tickets sogar verschenkt. Ein Passagier, der an Bord vielleicht noch etwas kauft, sei immer noch besser als ein leerer Platz, sagt O’Leary. Denn umsonst gibt es sonst nichts bei Ryanair, die Spanne reicht von drei Euro für einen Kaffee bis zu 75 Euro für einen nicht vorangemeldeten Koffer auf bestimmten Strecken in der Hochsaison.
Bald Zubringerflüge für Lufthansa und Co.?
Zusätzliche Einnahmen will O’Leary generieren, indem Ryanair die Zubringerrolle für Langstreckenflüge der klassischen Airlines übernimmt. Darüber spricht er auch mit seinem Lufthansa-Kollegen Carsten Spohr. Im kommenden Sommer soll die erste Kooperation mit ein oder zwei anderen Airlines starten. Natürlich ganz ohne Risiko für Ryanair, die selbst nur Punkt-zu-Punkt-Verbindungen und keine kostenintensiven Umsteigeflüge anbietet. Dienste unter gemeinsamen Flugnummern werde es aber nicht geben und bei Verspätungen und verpassten Anschlüssen müssten sich der jeweilige Partner um die Passagiere kümmern, stellt er klar.