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Zieht vor allem weibliche Kunden an: das Geschäft von Primark in Tempelhof-Schöneberg.
© Thilo Rückeis

Billiger Erfolg: Bei Primark gibt es T-Shirts für 2,50 Euro

Bei der irischen Textilkette gibt es T-Shirts für 2,50 Euro. Das kommt an. Nun soll ein zweiter Laden in Berlin aufmachen.

Es ist voll, brechend voll, nur mit Mühe schieben sich die Leute aneinander vorbei. Einige kampieren erschöpft auf dem Boden, halb verdeckt von Kleiderständern. Auf den Tischen häufen sich Klamottenberge. Kaum hat eine Verkäuferin die durchwühlten Haufen wieder zu ordentlichen Stapeln aufgeschichtet, fallen die Käufer erneut über die Ware her, schnappen sich T-Shirts und Tops und stopfen die Sachen, ohne sie anzuprobieren, in die kniehohen Einkaufskörbe, die sie mit sich herumtragen.

Was wie eine Jagdszene aus dem Schlussverkauf klingt, ist ein ganz normaler Samstagnachmittag bei Primark. Im Juli eröffnete der irische Textildiscounter seine erste Filiale in Berlin. Offensichtlich lang ersehnt: Mehr als Tausend Menschen, die meisten weiblich und jung, hatten schon Stunden vorher im Schlossstraßen-Center an der Grenze zwischen Steglitz und Schöneberg kampiert. „Wir können ohne Übertreibung sagen, dass der Eröffnungstag in Berlin der erfolgreichste erste Verkauftstag in der Firmengeschichte von Primark ist“, erinnert sich Nordeuropa-Chef Wolfgang Krogmann. Und: Der Boom hält an. Auch drei Monate nach der Eröffnung kaufen die Kunden, als wenn es kein Morgen gäbe.

Jürgen Dax wundert das nicht. Die „billigen Preise sind ein ganz gewaltiger Impuls für die Kunden“, weiß der Geschäftsführer des deutschen Textileinzelhandelsverbands. Primark ist so modern wie H & M oder Zara, aber so billig wie Kik. T-Shirts gibt es schon ab 2,50 Euro, Kleider und Jeans für zehn bis 13 Euro, kein Kleidungsstück ist teurer als 35 Euro. Die Qualität ist nicht schlechter als bei der Konkurrenz.

Seit dem ersten Tag sind die beigen Primark-Tüten auf der Schloßstraße allgegenwärtig. Teenies, Mütter mit Kopftuch und Kinderwagen, arme Schlucker, aber auch Modebewusste und Touristen tragen sie mit sich herum. Nicht selten baumelt eine Primark-Tasche einträchtig am selben Handgelenk neben einer Tüte aus dem zehn Mal so teuren Hollister-Laden.

Die Expansion der Iren scheint unaufhaltbar. 242 Filialen hat Primark inzwischen in Europa, die meisten in Großbritannien. Gleich zwei Läden gibt es auf der Lieblingseinkaufsstraße der Londoner, der Oxford Street. In Deutschland versuchte sich der Discounter zunächst in der Provinz, ging nach Bremen und nach Gelsenkirchen, bevor er sich in die Hauptstadt wagte. Der Erfolg gibt Primark-Manager Krogmann recht. Berlin habe „optimale Voraussetzungen“, sagte Krogmann dem Tagesspiegel. „Allein die Größe der Stadt und das Volumen des verfügbaren Verkaufsraums“ seien gute Argumente. Zudem sei Berlin „eine lebendige, kulturell sehr vielseitige Metropole“, ein „Hot Spot“ im Modebereich. Deshalb soll es auch nicht bei der Filiale im Schlosstraßen-Center bleiben. Im kommenden Jahr will Primark einen weiteren Laden am Alexanderplatz aufmachen.

Acht Standorte haben die Iren derzeit in Deutschland, bis Ende des Jahres soll noch ein Laden in Karlsruhe hinzukommen. Während der deutsche Textileinzelhandel auf der Stelle tritt, wachsen die Iren unaufhörlich. Ein Umsatzplus von 17 Prozent erwartet die Mutter, der britische Mischkonzern Associated British Foods, für das Geschäftsjahr 2011/2012 von ihrer Textiltochter. Dabei hatte Primark bereits im Vorjahr beachtliche 3,5 Milliarden Euro umgesetzt. Eine Perle im Markengeflecht von Associated British Foods, die ihr Geld ansonsten mit Produkten wie Twinings-Tee oder Mazola-Öl verdienen.

Auch an T-Shirts für 2,50 Euro verdient der Händler noch eine Menge.

Mit Bügel. Damit es an der Kasse schneller geht, kommt alles in die Tüte.
Mit Bügel. Damit es an der Kasse schneller geht, kommt alles in die Tüte.
© Mike Wolff

Von solchen Höhenflügen können die etablierten deutschen Textilverkäufer nur träumen. Der Verband hofft für seine Mitgliedsunternehmen für dieses Jahr auf eine „rote Null“, wie Geschäftsführer Dax sagt. 59 Milliarden Euro haben die Unternehmen im vergangenen Jahr umgesetzt, 1995 waren es noch 65 Milliarden Euro gewesen. Dennoch sieht Dax Primark nicht als Bedrohung. „Die Branche wird bisher nicht von Primark tangiert“, sagt er. „Die spielen in einer eigenen Liga.“ Zusammen mit Wettbewerbern wie H & M, Zara und Co. Auch H & M gibt sich cool. „Wir sehen es durchaus als Vorteil, in der Nähe unserer Konkurrenten zu sein“, heißt es bei H & M. Über mangelnde Nähe zu Primark können sich die Schweden nicht beklagen. In Steglitz und Schöneberg liegen beide Läden in unmittelbarer Nachbarschaft. Ob H & M jetzt weniger verkauft? Kein Kommentar, heißt es.

Dass Primark so billig ist, liege vor allem an den großen Mengen, die sein Unternehmen abnehme, betont Krogman. Hinzu kämen die niedrigen Betriebskosten, der kleine Verwaltungsapparat und der Verzicht auf Werbung. Verzichtet Primark auch auf Gewinn? Nein, sagen Handelsexperten. Auch an T-Shirts für 2,50 Euro verdient der Händler noch eine Menge, weiß Björn Weber, Deutschland- Chef des Analyseunternehmens Planet Retail. „Primark selbst bezahlt für die T-Shirts nur einen Euro“, sagt Weber, Anlieferung bis zum nächsten Hafen inklusive. „Wenn man die Ware dann für 2,50 Euro weiterverkauft, kann man gutes Geld damit machen“, weiß der Handelsexperte. Noch lukrativer sei es, wenn Jeans für 13 Euro oder Mäntel für 35 Euro angeboten werden. „Kein Teil, das aus Bangladesch kommt, ist im Einkauf teurer als fünf Euro“, berichtet Weber.

Verdient Primark sein Geld auf dem Rücken der Arbeiterinnen in China oder Bangladesch? Denn daher kommt ein Großteil der Ware, genauso wie aus Indien und der Türkei. Menschenrechtsorganisationen wie Inkota oder Umweltschützer wie Greenpeace können keine Fälle nennen, in denen sie Primark Menschenrechts- oder Umweltverstöße vorwerfen oder gar nachgewiesen haben.

Fragt man Primark, glaubt man, es mit der „Mutter Theresa“ des Textilhandels zu tun zu haben. Man verlange von den Zulieferern akzeptable Arbeitsbedingungen, etwa eine faire Bezahlung der Näherinnen. Das werde auch vor Ort kontrolliert, berichtet Krogmann. In Irland und Großbritannien lässt Primark zudem unverkaufte oder zurückgegebene Waren recyceln und unterstützt mit dem Geld unheilbar erkrankte und behinderte Kinder. Auf der Internetseite werden zwölf soziale und ökologische Projekte vorgestellt, an denen Primark beteiligt ist.

Dennoch sieht Handelsexperte Weber die Produktion in den Billiglohnländern generell kritisch. Das geschehe immer auf Kosten der Näherinnen, die keinen Urlaub, keinen Mutterschutz und kaum Freizeit hätten, kritisiert er. Allerdings gelte das auch für Textilketten, die deutlich mehr für ihre Kleidung verlangen als Primark. „Auch die lassen billig in China oder Bangladesch produzieren“, gibt Weber zu bedenken, „und verdienen umso mehr“.

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