Kokain-Geschäft: Bauern pflanzen mehr Koka an
Trotz des Friedensabkommens zwischen Regierung und Guerilla ist Kolumbien nach wie vor der größte Kokainproduzent - und liefert Rekordmengen.
Es war der größte Drogenfund in der Geschichte Kolumbiens. 13,4 Tonnen Kokain beschlagnahmte die Polizei vergangenen November im Departement Antioquia. Der Wert des Kokains auf dem US-Markt wurde auf 360 Millionen Dollar geschätzt. Die Ware gehörte dem Golf-Clan, einer Mafia die rund 1500 Männer unter Waffen hat, in der Mehrzahl ehemalige ultrarechte Paramilitärs.
Kaum wurde der Riesenfund bekannt, sprach Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos von einem großen Erfolg: Man habe Schlagkraft im Krieg gegen den Drogenhandel bewiesen. Was Santos versuchte, als Erfolg zu verkaufen, deutet auf etwas anderes hin: Den dramatischen Anstieg der Kokainproduktion in Kolumbien, das seit 2013 wieder der weltweit größte Produzent der Droge ist. Den Spitzenplatz hatte es zeitweilig an Peru abgegeben.
Auf den ersten Blick mag diese Entwicklung erstaunen. Als Kolumbiens Regierung 2016 ein Friedensabkommen mit der marxistischen Farc-Guerilla aushandelte, wurde erwartet, dass die Kokainproduktion zurückginge. Denn die Farc, die große ländliche Gebiete kontrollierten, finanzierten ihren Krieg auch mit dem Drogenhandel. Dann aber wurden die Regionen, welche die Farc räumten, nicht vom kolumbianischen Staat übernommen, sondern von kriminellen Banden, den sogenannten Bacrim. Diese bestehen zumeist aus ehemaligen Paramilitärs.
Abholzung des Urwalds nimmt drastisch zu
Während die Farc ihre Koka-Anbauflächen streng kontrollierten – so durfte ein Bauer lediglich einen Hektar Wald roden, um Koka zu pflanzen –, drängen die Bacrim auf einen rücksichtslosen Anbau. Neben einem Anstieg der Kokainproduktion hat dies zur Folge, dass auch die Abholzung des Urwalds drastisch zugenommen hat.
Einen weiteren Grund für den Anstieg der Kokaproduktion benennt Luis Felipe Cruz von der Denkfabrik Dejusticia in Bogotá. Cruz ist Soziologe mit dem Forschungsschwerpunkt ländlicher Raum und Drogen. „Unter Punkt vier des Friedensabkommens“, sagt er, „werden Bauernfamilien finanzielle Anreize versprochen, wenn sie den Koka-Anbau durch legale Pflanzungen ersetzten. Das hat paradoxerweise dazu geführt, dass viele Bauern Koka anpflanzten, um in den Genuss der Zahlungen zu kommen.“
Die Idee funktioniere aber auch deswegen nicht, weil auf dem Land keine Infrastruktur existiere, damit die Kleinbauern ihre Bohnen oder ihren Mais vermarkten könnten. „Solange der ländliche Raum unterentwickelt bleibt, bauen viele Kleinbauern lieber das profitablere Koka an“, sagt Cruz.
Konsequenz: Kleinbauern werden ermordet
Darüber hinaus habe der Substitutionsplan ganz konkrete fatale Folgen. „In den Gemeinden, in denen er angelaufen ist, haben die Morde um 33 Prozent zugenommen“, sagt Cruz. Denn die Bacrim ermordeten Bauernführer, die den Koka-Anbau beenden wollten. Die Armee wiederum eliminiere Campesinos, die weiter Koka pflanzten.
Die kolumbianische Armee hat eine unrühmliche Tradition, wenn es um die Ermordung von Kleinbauern geht. Das hat auch mit dem Druck zu tun, den Washington ausübt. Im Jahr 2000 riefen die USA den „Plan Colombia“ aus. Er sah neben eine Aufrüstung des Militärs die Besprühung von Kokaplantagen mit dem Breitbandpestizid Glyphosat vor. Erst 2015 stoppte Kolumbien die Besprühungen.
In diesem März wird das Weiße Haus wieder seinen Jahresbericht zum internationalen „War on Drugs“ veröffentlichen. Ländern, die darin nicht die Erwartungen der US-Regierung erfüllen, drohen Sanktionen. Es wird erwartet, dass Washington die Koka-Anbaufläche in Kolumbien auf 200.000 Hektar schätzt. Es wäre ein historischer Rekordwert.
Der riesige Kokainfund von Antioquia mag also eine gewonnene Schlacht sein, aber den Krieg gegen die Drogen, den die kolumbianische Regierung seit als drei Jahrzehnten auf Drängen der USA führt, verliert sie.