Probleme bei der Deutschen Bank: Bank der Baustellen
Von Libor bis Steueroasen: Die Deutsche Bank steht unter Dauerverdacht. Für juristische Risiken hat sie Milliarden zurückgestellt.
Frankfurt am Main - In der Affäre um Finanzgeschäfte vermögender Privatkunden in Steueroasen gerät erneut auch die Deutsche Bank unter Verdacht. Aus dem riesigen Datensatz über verschleierte Kapitalbewegungen, der dem Internationalen Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) in Washington zugespielt worden war, geht offenbar hervor, dass auch die größte deutsche Bank betuchten Kunden den Weg in Steueroasen geebnet hat. Demnach soll die Deutsche Bank über ihre Filiale in Singapur mehr als 300 Stiftungen und Briefkastenfirmen in Steueroasen gegründet haben. Zwar wies ein Sprecher den Vorwurf am Freitag zurück, man habe Steuerhinterziehern geholfen. Stets sei auf die Steuerpflicht hingewiesen worden, hieß es. Dennoch steht die Deutsche Bank erneut im Zwielicht.
Die beiden Bankchefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen haben offenbar keinen detaillierten Überblick über die zahlreichen juristischen Probleme: „Wir wissen nicht, was noch alles an Klagen auf die Deutsche Bank zukommt“, räumte Jain Ende Januar ein. Seit Monaten steht die Bank unter Druck. Zuletzt wegen möglicher Bilanzierungstricks, weshalb die Bundesbank und die Finanzaufsicht Bafin eine Sonderprüfung eingeleitet haben.
Anfang der Woche kam endlich eine positive Nachricht: Ein Bezirksgericht in New York wies etliche private Klagen gegen Großbanken ab, die in den Skandal um die Manipulation des Interbanken- Zinses Libor verwickelt sind. Aufatmen deshalb auch bei der Deutschen Bank. Aber solche Nachrichten sind die Ausnahme.
Jain und Fitschen müssen Vorsorge treffen: Mitte März korrigierten sie das ohnehin schon magere Ergebnis für 2012 um weitere 374 Millionen Euro nach unten, so dass netto nur noch 291 Millionen Euro übrigbleiben. Hauptgrund sind um 600 Millionen Euro höhere Rückstellungen für Rechtsrisiken. Sie belaufen sich jetzt auf stolze 2,4 Milliarden Euro. Wobei allerdings nur Verfahren mit einem Streitwert von mehr als 100 Millionen Euro abgedeckt sind. Alles andere sind für die Bank offenbar nur „Peanuts“.
KIRCH
Allein im Fall Kirch drohen der Bank Zahlungen in Milliardenhöhe. Nachdem ein Vergleichsvorschlag von Ex-Bankchef Josef Ackermann mit den Erben des Medienunternehmers über angeblich 800 Millionen Euro vor Jahresfrist im Vorstand der Bank keine Mehrheit gefunden hatte, ging der Prozess in München weiter. Im Dezember verurteilte das Gericht die Bank grundsätzlich zu Schadensersatz, weil Ex-Vorstandschef Rolf Breuer vor elf Jahren durch fahrlässige Äußerungen über die Kreditwürdigkeit der Kirch- Gruppe deren Pleite befördert haben soll. In einem Gutachten wird die Höhe des Schadenersatzes auf bis zu 1,5 Milliarden Euro beziffert. Möglicherweise zieht die Bank vor den Bundesgerichtshof. Außerdem läuft im Zusammenhang mit dem Kirch-Prozess ein Verfahren gegen Ackermann sowie weitere Ex-Vorstände wegen des Verdachts auf Prozessbetrug, weil sie im Verfahren keine korrekten Angaben gemacht haben sollen. Die Banker weisen die Vorwürfe zurück. Am kommenden Donnerstag muss die Bank eine außerordentliche Hauptversammlung veranstalten, weil die Kirch-Anwälte mehrere Beschlüsse des letztjährigen Aktionärstreffens vor Gericht angefochten haben. Nun muss noch einmal abgestimmt werden.
EMISSIONSRECHTE
Schwer lastet auf der Bank der Vorwurf, beim Umsatzbetrug im Handel mit Emissionszertifikaten mitgemischt zu haben. Gegen Jürgen Fitschen und Finanzvorstand Stefan Krause wird ermittelt, weil sie angeblich falsche Steuererklärungen abgezeichnet haben. Im Dezember musste die Bank eine Großrazzia über sich ergehen lassen. Mehrere Banker saßen zeitweise in Untersuchungshaft, die Bank selbst hat Händler entlassen. Im ersten, Ende 2011 abgeschlossenen Prozess wurden sechs Beschuldigte – allerdings nicht von der Deutschen Bank – zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie haben Zertifikate über Grenzen hinweg mehrfach hin- und her verkauft und dabei den deutschen Fiskus um mindestens 230 Millionen Euro betrogen. Die Deutsche Bank soll, wie es im Prozess hieß, „zumindest schuldhaft“ in die Vorgänge „verstrickt“ gewesen sein, weil sie Zahlungen ermöglicht haben soll. Der Gesamtschaden wird von der Staatsanwaltschaft auf mehr als 850 Millionen Euro geschätzt.
DER LIBOR-SKANDAL
Großbanken, darunter auch die Deutsche Bank, sollen den Interbankenzins Libor („London Interbank Offered Rate“) über Jahre durch Absprachen manipuliert haben. Die Deutsche Bank hat mindestens zwei Händler entlassen. Mehrere Großbanken mussten bereits hohe Geldstrafen zwischen 400 Millionen und 1,6 Milliarden Euro zahlen. Der Libor ist ein wichtiger Zins für Anlageprodukte und Kredite, etwa im Wohnungsbau. Allerdings lässt sich der Schaden für Anleger und Kreditnehmer, so Anlegerschützer, nur schwer beziffern. Dazu müsste der „richtige“ Zins zum Zeitpunkt der Manipulationen ermittelt werden. Kreditnehmer könnten sowohl einen zu hohen als auch zu niedrigen Zins gezahlt haben, Anleger zu wenig oder zu viel bekommen haben.
KREDIT- UND HYPOTHEKENPAPIERE
In den USA gibt es immer wieder Klagen wegen umstrittener Hypothekengeschäfte. Unter anderem wegen „neuer Entwicklungen“ mit Blick auf Rechtsstreitigkeiten in den USA hatte die Deutsche Bank im März ihr Ergebnis für das Jahr 2012 nach unten korrigiert. Details nennt sie nicht. Die Prozesse auch in den USA wollen derweil nicht enden. So gehört die Deutsche Bank zu 17 Instituten, gegen die auch die US-Aufsichtsbehörde Federal Housing Finance Agency (FHFA) klagt – angeblich mit einem Milliardenrisiko für die Deutsche Bank. In Einzelfällen versucht das Geldinstitut, die Streitigkeiten durch Vergleiche beizulegen. Im Mai 2012 etwa zahlte die Deutsche Bank rund 200 Millionen Dollar und wendete damit eine Klage wegen umstrittener Geschäfte der US-Tochter Mortgage IT ab.
BILANZIERUNGSPROBLEME
Nicht neu sind die Vorwürfe, die Bundesbank und Finanzaufsicht Bafin jetzt offenbar zu einer Sonderprüfung bei der Deutschen Bank veranlassen. Es geht um die Zeit zwischen 2007 und 2009 – und damit den Höhepunkt der Finanzkrise. Ehemalige Mitarbeiter der Bank in den USA werfen dem deutschen Institut vor, komplizierte Kreditpapiere in der Bilanz falsch und mit einem zu hohen Wert angesetzt zu haben. Dadurch seien Verluste von bis zu zwölf Milliarden Dollar kaschiert worden. Die Vorwürfe seien „vollkommen unbegründet“, erklärte die Bank. Die Finanzberichterstattung des Geldhauses sei immer korrekt gewesen. Tatsächlich haben die Aufseher den Instituten auf dem Höhepunkt der Finanzkrise größeren Spielraum bei der Bewertung von Kreditpapieren eingeräumt, für die es zu diesem Zeitpunkt keinen Markt und damit keinen Preis gab, der hätte herangezogen werden können. Die Aufseher wollten damit offenbar eine weitere Verschärfung der Krise vermeiden.
DEUTSCHLAND UND ITALIEN
Immer wieder gibt es in Deutschland und in Italien Klagen – unter anderem von Kommunen, aber auch Unternehmen gegen die Deutsche Bank. Sie soll Zinspapiere verkauft haben, die sich entgegen den Angaben und Hinweisen der Banker für die öffentiche Hand und Unternehmer als verlustträchtig erwiesen haben. Einem mittelständischen Unternehmer in Hessen musste die Bank deshalb vor zwei Jahren eine halbe Million Euro Schadenersatz zahlen. In mehreren Verfahren wurde die Bank zu Schadenersatz verurteilt, in anderen von den Vorwürfen freigesprochen. In wieder anderen Fällen kam es zu Vergleichen.
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