Künast fordert: "Bangladesch braucht Druck aus Europa"
Im April kamen 1100 Arbeiter in Bangladesch um, als ein Fabrikgebäude einstürzte. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast über Fair-Trade-Siegel, Produktionsbedingungen in Bangladesch und europäische Verantwortung.
Frau Künast, Sie sind gerade in Bangladesch. Bemühen sich die Konzerne nach dem verheerenden Unglück um bessere Bedingungen für die Arbeiter?
Bisher haben 70 Modeunternehmen das Brandschutzabkommen nach der Katastrophe in Rana Plaza unterzeichnet, das für eine Verbesserung der Gebäude und der Arbeitsbedingungen sorgen soll. Seit 30 Jahren nutzen sie die billigen Arbeitskräfte in Bangladesch. Das war also überfällig. Aber auch das ist viel zu wenig, schließlich gibt es mehr als 5000 Firmen in der Textilbranche. Einige große Firmen sind jetzt vor Ort mit eigenen Kontrolleuren und Einkäufern präsent. Allerdings waren wir auch in einer Fabrik, die für Lidl produziert und keinen Kontakt zum Unternehmen hatte.
Wie kann der Verbraucher faire Kleidung erkennen?
Das eine, weithin gültige Fair-Trade-Siegel wie beim Kaffee gibt es leider noch nicht. Das brauchen wir dringend. Derzeit gibt es kleinere Siegel wie das GOTS oder Fairwear. Verbraucher können deshalb nur selbst recherchieren, welche Firmen sich engagieren und sich etwa am Brandschutzabkommen in Bangladesch beteiligen. Das Land exportiert immerhin 59 Prozent seiner Textilien nach Deutschland.
Firmen argumentieren, ein Fair-Trade-Siegel sei unmöglich wegen der langen, schwer kontrollierbaren Wertschöpfungsketten vom Baumwollanbau bis zur Näherei.
Wir leben im digitalen Zeitalter, wo Massen an Daten produziert und verarbeitet werden. Ich bin sicher, dass ein solches Siegel inhaltlich in Zusammenarbeit mit der ILO und technisch durch Barcodes und Zertifikate möglich ist. Zudem brauchen wir eine Offenlegungspflicht der Produktionsstufen, wie sie die EU gerade für Rohstoffkonzerne beschlossen hat, auch für Textilunternehmen.
Ist es eine Lösung, nur noch Mode zu kaufen, die in Deutschland hergestellt wird?
Wir dürfen die Menschen in Bangladesch, die auf die Arbeitsplätze angewiesen sind, nicht für die skrupellosen Methoden ihrer Arbeitgeber bestrafen. Ich habe mit vielen Frauen hier gesprochen, die sagen: „Bitte, geht nicht weg aus unserem Land, dann haben wir nichts mehr.“ Stattdessen müssen wir dafür sorgen, dass sie unter menschenwürdigen, existenzsichernden Bedingungen arbeiten können.
Was muss die Regierung in Bangladesch tun?
Die Regierung muss per Gesetz bessere Arbeitsbedingungen festschreiben und die Mindestlöhne verdoppeln. Die Fabrikinhaber werden es alleine nicht tun, aus Profitgründen. Und es braucht staatliche, unangekündigte Kontrollen, um die Einhaltung der Gesetze zu sichern. 30 Prozent der Abgeordneten besitzen Textilfabriken. Veränderung kommt also nur, wenn der Druck aus Europa stark bleibt.
Renate Künast (57) ist Fraktionsvorsitzende der Grünen. Sie reiste nach Bangladesch, um sich über die Arbeitsbedingungen der Textilbranche zu informieren. Mit ihr sprach Jahel Mielke.
Jahel Mielke
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