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Die Berliner S-Bahn: Nicht so solide wie bestellt?
© dpa

Ärger um Berliner S-Bahn: Bahn wirft Bombardier arglistige Täuschung vor

Die Bahn klagt, weil die Züge der S-Bahn nicht so solide ausgeliefert worden sein sollen wie bestellt. Bombardier verweist dagegen auf schlampige Wartung.

Die Frage, wer Schuld hat im Leben, entscheidet sich manchmal an ein paar Millimetern Stahl, an ein paar Kilonewton oder an einer Vollbremsung. Jedenfalls bei der Berliner S-Bahn. Wären die Räder und Radsatzwellen ihrer Züge nur einen Millimeter dicker gewesen, hätten sie ein paar Kilonewton mehr Belastung ausgehalten, hätten die Bremsen besser zugepackt – den Berlinern wäre wohl die historische S-Bahn-Krise ab dem Jahr 2009 erspart geblieben.

Ist sie aber nicht, und dafür sucht nun die Deutsche Bahn den Schuldigen. Am Mittwoch hat sie ein paar hoch bezahlte Anwälte in das Berliner Landgericht geschickt, um diejenigen auszumachen, die aus ihrer Sicht die Verantwortung tragen: die Manager des Zugherstellers Bombardier. „Meine Mandantin ist arglistig getäuscht worden“, ruft Detlef Schmidt von der Kanzlei Gleiss Lutz. Räder und Bremsen der Züge seien nicht so solide ausgeliefert worden wie bestellt, und das habe Bombardier absichtlich verschwiegen.

Fast 350 Millionen Euro Entschädigung klagt die Bahn ein. Allerdings wurde der erste S-Bahn-Zug bereits 1996 ausgeliefert, die Garantie ist längst abgelaufen. Deshalb die Sache mit der arglistigen Täuschung – nur mit Hilfe dieses Tatbestands fanden die Bahn-Anwälte noch einen juristischen Hebel.

In der langen Geschichte der S-Bahn markiert die Krise einen Tiefpunkt. Zeitweise durfte nur noch ein Viertel der Züge fahren, weil die Aufsichtsbehörden schwere technische Mängel festgestellt hatten. Den Ärger der Kunden bekam die Bahn ab, zumal sich herausstellte, dass sie bei der Wartung geschlampt hatte. Darauf berufen sich die Bombardier-Leute. Warum sollte ein Radsatzhersteller ein paar Millimeter Stahl einsparen – „dafür riskiere ich nicht das Leben der Fahrgäste“, sagte Bombardier-Anwalt Jörg Risse von der Kanzlei Baker und McKenzie.

Bei 8000 produzierten Rädern habe es vier Risse gegeben – „die gingen darauf zurück, dass das Gleisnetz nicht in Ordnung ist“. Zuvor hätten sie jahrelang funktioniert. Bombardier habe bei der Herstellung vielleicht einen Fehler gemacht – die Bahn aber nicht arglistig getäuscht.

Den Richter Lothar Jünemann kann Anwalt Risse mit seinen Argumenten überzeugen. Bei den Bremsen gibt es dagegen noch Streit: Kann eine S-Bahn bei einer Vollbremsung überhaupt binnen 405 Metern zum Stillstand kommen – so wie es die Bahn bestellt hatte? Hier muss noch Expertise eingeholt werden. Darum geht es erst Anfang Februar weiter in diesem Prozess – wenn nicht zuvor doch noch eine außergerichtliche Einigung gelingt.

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