Konsequenzen aus dem Stellwerks-Ausfall in Mainz: Bahn stellt 1700 Leute ein
Die Blamage von Mainz soll sich für die Deutsche Bahn nicht wiederholen. Mit der Einstellungsrunde korrigiert sie erneut ihre Personalpolitik.
Es war die Blamage des Jahres. Eine Landeshauptstadt, in der nur noch zeitweise Züge hielten, ein Hauptbahnhof, auf dem sich noch wenige Kunden verloren, ein Bahnvorstand, der hilflos vor die Kameras treten musste. „Zurzeit sehen wir uns nicht in der Lage, eine stabile Aussage darüber zu machen, wie es jenseits des August weitergeht“, bekannte Frank Sennhenn, oberster Manager der Sparte Netz, damals.
Es war im Sommer in Mainz – weil Stellwerkpersonal erkrankt oder in den Urlaub gefahren war, mussten viele Züge für Wochen die Stadt umfahren. Bald stellte sich heraus, dass auch in anderen Stellwerken im Land zeitweise so wenig Leute arbeiten konnten, dass der Zugverkehr eingeschränkt werden musste, auch in Berlin. Die Bahn-Gewerkschaften hatten Oberwasser, verlangten zusätzliches Personal – und die Entscheider des Staatskonzerns standen da als Geizkragen, die ihren Laden nicht im Griff haben.
Damit das nicht wieder passiert, will die Bahn nun handeln. 1250 Leute sollen zusätzlich auf Dauer ins Unternehmen kommen, 450 weitere mit befristeten Verträgen oder als Leiharbeiter. „Dort, wo es notwendig ist, stellen wir Mitarbeiter ein“, sagte Personalvorstand Ulrich Weber am Montag in Berlin. „Wir beginnen mit der Rekrutierung jetzt.“ Die 450 befristet eingesetzten Kräfte sollen in erster Linie den Berg von acht Millionen Überstunden abbauen, der bei den 200 000 Beschäftigten aufgelaufen ist.
Weber hat diese Zahlen auf sanften Druck der Belegschaft errechnet. Die Betriebsräte und die Gewerkschaft EVG hatten nach dem Desaster von Mainz begonnen, in den bundesweit 330 Betrieben der Bahn Personalengpässe zu ermitteln. Zweieinhalb Monate verhandelten beide Seiten über den Bedarf. In einigen wenigen Bereichen sei man noch nicht einig, sagte der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner. „Bestenfalls kommt da noch ein Plus obendrauf.“ Das Ziel sei, in Zukunft Überstunden zu verhindern. Bis zu einem solchen „eingeschwungenen Zustand“ werde es aber noch mehrere Jahre dauern. Weber als Manager sieht dies ein wenig anders. Er strebt an, Überstunden attraktiver zu machen – die Beschäftigten sollen sie auf einem Langzeitkonto ansparen dürfen und dafür einen finanziellen Anreiz von fünf Euro je Stunde bekommen.
1000 der neuen Leute sollen die Sparte Infrastruktur verstärken, zu gleichen Teilen die Instandhaltung und die Stellwerke. 280 Kräfte sind für die Güterbahn Schenker Rail vorgesehen, 200 für den Regional- und 150 für den Fernverkehr. In den Bahnhöfen sind 70 zusätzliche Mitarbeiter geplant, in den Bereichen Service und Sicherheit ist man noch uneins. Am meisten fehlt es an Fahrdienstleitern und Lokführern. Allerdings kommt das Personal nicht nur vom Arbeitsmarkt. In einigen Bereichen laufen die Geschäfte schlechter, etwa bei Schenker Rail oder im Regionalverkehr, wo die Bahn Ausschreibungen verliert – diese Mitarbeiter sollen einen anderen Job im Konzern bekommen.
Mit der Einstellungsrunde korrigiert die Bahn erneut ihre Personalpolitik. Im Zuge der Vorbereitungen auf den Börsengang wurde an vielen Stellen im Konzern gespart, so auch in der Sparte Netz, zu der die Stellwerke gehören. Als Rüdiger Grube 2009 den Chefposten von Hartmut Mehdorn übernahm, nahm er sich vor, das „Brot- und Buttergeschäft“ wieder zu stärken. Im Zuge ihrer Zukunftsplanungen ging der Bahn dann auf, dass ihre Belegschaft drastisch altert – seither versucht sie, neues Personal zu gewinnen. Schon ohne die neue Vereinbarung mit den Gewerkschaften kommt sie per Saldo auf 2500 neue Mitarbeiter in diesem Jahr.