Zukunft der Energie: E-Mobilität: Autohersteller bauen Lade-Netzwerk
BMW, Daimler, VW und Ford wollen bis 2020 mehr als 400 Schnellladesäulen in 18 Ländern schaffen.
Seit die deutschen Premiumhersteller und Ford im November 2016 ihre Zusammenarbeit beim Thema Schnellladen angekündigt haben, fielen sie mehr durch Ankündigungen auf als durch Taten. Aber jetzt wird es konkret: Das Joint Venture mit dem Kunstnamen Ionity wurde in München gegründet und hat nach Angaben der Gesellschafter rund 50 Mitarbeiter. Im März will Ionity bekanntgeben, wo die ersten zwanzig Stationen gebaut werden sollen. Noch macht man in München ein Geheimnis aus den Standorten, fest steht nur, dass sie an Autobahnen und anderen wichtigen Straßen vor allem in Deutschland, Österreich und dem E-Mobilitäts-Pionierland Norwegen stehen werden. Noch 2018 sollen es mehr als hundert Stationen sein, bis 2020 dann 400 in 18 Ländern. In Deutschland gibt es bisher rund 11 000 Ladesäulen für 100 000 voll- und teilelektrische Pkw.
Die Reaktionen auf den zögerlichen Start von Ionity sind sehr unterschiedlich. Andreas Brozat, bei VW für das Projekt zuständiger Pressesprecher, sagt: „Die Kritik, dass es zu wenig und zu langsam ist, wird es immer geben – und sie ist berechtigt.“ Andreas Knie, Gründer und Geschäftsführer des Berliner Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel, erkennt zwar durchaus an, dass die Autohersteller „ein breit angelegtes Bekenntnis zur E-Mobilität abgegeben haben – „wenn auch vier bis fünf Jahre zu spät“. Aber auch jetzt noch gehe es zu langsam voran. „Das war bei Tesla ganz anders“, sagt Knie. „Die hatten den unbedingten Willen. Die haben gesagt: Wir haben ein Auto, und jetzt schaffen wir die Infrastruktur dazu. Die deutschen Hersteller haben dagegen viel zu lange auf den Staat gewartet.“ Knie kritisiert auch, dass die Wirtschaft beim neuen Netz an Schnellladesäulen nicht direkt Zapfsäulen für Wasserstoff mit aufbauen. Diese Technik sei für Lkw und für lange Distanzen unverzichtbar.
Milder urteilt Steffen Bilger, als CDU-Bundestagsabgeordneter für das Thema neue Mobilität zuständig: „Bei der E-Mobilität geht vieles langsamer. Deshalb finde ich es nicht schlimm, dass die neuen Ladesäulen noch nicht sichtbar sind.“ Auch bei den bisherigen Ladepunkten von Tank & Rast an den deutschen Autobahnen habe es lange gedauert, die Stromversorgung zu legen.
2020 soll alle 120 Kilometer eine Ladesäule stehen
Tank & Rast gehört zu den Kooperationspartnern von Ionity, ebenso wie Shell, die österreichische Tankstellenkette OMV und Circle K. Das letztgenannte Unternehmen ist eine Tochter des kanadischen Konzerns Couche-Tard. Die Europazentrale von Circle K liegt nicht zufällig in Norwegen. Innerhalb von Ionity wird Circle K für den Aufbau der Schnellladesäulen in Skandinavien, im Baltikum und in Irland zuständig sein. OMV übernimmt neben seinem Heimatland noch Slowenien, Tschechien und Ungarn.
Alle 120 Kilometer soll 2020 eine Ladesäule stehen, um den Kunden die Reichweitenangst zu nehmen. Wegen der enorm hohen Ladeleistung von bis zu 350 Kilowatt (kW) soll der Ladevorgang „nicht länger als eine Kaffeepause“ dauern, heißt es bei Ionity. Für eine Reichweite von rund 400 Kilometern benötigt ein kompatibles Auto dann nur rund zwölf Minuten Ladezeit. Zum Vergleich: Das bereits existierende Supercharger-Netzwerk von Tesla arbeitet statt mit 350 kW mit maximal 145 kW Leistung. Andere Elektroautos, etwa der Bestseller Nissan Leaf, kommen nur auf 50 kW. Hier investiert Ionity also in die Zukunft der Elektromobilität. Der Porsche Mission E beispielsweise wird bei seinem Marktstart 2019 auf 350 kW ausgelegt sein. Bei solch hohen Leistungen wird die einzelne Kilowattstunde auch teurer sein als an den bisherigen Ladepunkten.
Weiterer Nachteil: Die Superschnellladesäulen bedeuten für das Stromnetz eine hohe lokale Belastung. Ladesäulen mit einer niedrigeren Leistung lassen sich dagegen einfacher in das Stromnetz einbinden. Tesla wäre im Übrigen bei Ionity „willkommen“, teilte das neue Joint Venture unlängst mit. Der US-Hersteller Tesla rüstet sein Supercharger-Netz zwar mit einer eigenen Steckertechnik aus. Die Tesla-Stecker sind aber über ein Adapter-Ladekabel kompatibel mit dem neuen Combined Charging System (CCS) von Ionity, das den europäischen Standard mit dem japanischen vereint.
In Europa kommt die E-Mobilität langsam in Fahrt. Lag der Anteil an den Neuzulassungen 2016 noch bei rund einem Prozent, waren es im dritten Quartal 2017 schon 6,2 Prozent. Auch VW-Chef Matthias Müller sagt: „Wir müssen ab 2020 sehr viel mehr Elektrofahrzeuge verkaufen, sonst werden wir die CO2-Ziele verfehlen. Dann drohen gewaltige Strafzahlungen von der EU.“