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Fröhliche Messegesellschaft. Klaus Wowereit (l.), die mexikanische Tourismusministerin Claudia Ruiz-Massieu und Messe-Geschäftsführer Christian Göke (r.) im März 2014 bei der Berliner Tourimusmesse ITB.
© picture alliance / dpa

Poker um die Berliner Messe-Führung: Aussteller warnen Wowereit

Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer will einen Führungswechsel bei der Messe Berlin einfädeln. Doch große Aussteller stehen hinter Aufsichtsratschef Hans-Joachim Kamp.

Klaus Wowereit bekommt viel Post in diesen Tagen. Zum Beispiel vom Kölner Handelsverband BVT, der sich wundert, wie über die Besetzung des Aufsichtsrats der Messe Berlin diskutiert wird. „Dies schadet sicherlich dem Standort Berlin, dem Ansehen der Messe Berlin und damit auch der Internationalen Funkausstellung“, heißt es in einem Schreiben an den Regierenden Bürgermeister vom 15. Mai. Aus Ditzingen erreichte Wowereit auch ein Brief der Handelsgruppe Euronics, die ebenfalls in Sorge ist um die Ifa, immerhin „die bedeutendste Leitmesse weltweit für Consumer Electronics und Home Appliances“.

Der Erfolg der Ifa hängt nach Einschätzung der Briefeschreiber an einem Mann: Hans-Joachim Kamp, Aufsichtsratsvorsitzender des Ifa-Veranstalters gfu und gleichfalls Aufsichtsratschef der Messe Berlin. „Wir können nicht nachvollziehen, welche Beweggründe Ihre Wirtschaftssenatorin Frau Yzer hat, um Herrn Kamp als Aufsichtsratsvorsitzenden abzusetzen“, schreibt Euronics an Wowereit. Und dem BVT ist es „ein besonderes Anliegen darauf hinzuweisen, dass wir die erneute Kandidatur von Herrn Hans-Joachim Kamp als Aufsichtsratsvorsitzenden der Messe ausdrücklich unterstützen“. Wowereit möge doch bitte helfen bei der Rettung Kamps, andernfalls drohe Ungemach: „Wir sehen darin einen wichtigen Beitrag, damit die Ifa als Leitmesse in Berlin bleibt und das Renommee der Messe Berlin keinen Schaden nimmt.“

Cornelia Yzer. Berliner Wirtschaftssenatorin.
Cornelia Yzer. Berliner Wirtschaftssenatorin.
© picture alliance / dpa

Wowereits Antwort liegt noch nicht vor. Er tut sich auch schwer in dieser Angelegenheit: Aus purem politischen Eigeninteresse muss es ihm gefallen, wenn die CDU-Wirtschaftssenatorin sich mit großen Teilen der Wirtschaft anlegt, das Unbehagen in der CDU darüber größer wird, aber CDU-Chef Frank Henkel nicht nur zaudert, sondern Yzer ausdrücklich freie Hand lässt für das Personal im Aufsichtsrat der Messe. Aus Verantwortung für die landeseigene Messegesellschaft und den Wirtschaftsstandort muss der Regierende Bürgermeister aber irgendwann intervenieren, wenn Schaden droht. Auch für den Preis eines Koalitionskrachs mit Henkel.

In zwei Wochen bestimmt die Gesellschafterversammlung der Messe Berlin die Vertreter der Kapitalseite für den Aufsichtsrat, am 7. Juli wird dann der Aufsichtsrat aus seinen Reihen einen Vorsitzenden wählen. Oder eine Vorsitzende. Womöglich hat Yzer dafür Rada Rodriguez, die Deutschlandchefin von Schneider Electric aus München im Auge. Yzer hätte gerne eine Frau, aber Rodriguez hat keine Aufsichtsratserfahrung. Die Senatorin braucht also eine andere, überzeugende Persönlichkeit, um die Absetzung Kamps plausibel zu machen. Das ist auch die Auffassung Wowereits.

Yzers Vorgängerin Sybille von Obernitz war im Dezember 2012 auch mit dem Ziel angetreten, die landeseigenen Gesellschaften stärker vom Land kontrollieren zu lassen. Als sie sich dann aber im Spätsommer 2012 gegen das Messe- Establishment stellte und den langjährigen Messe-Vizechef Christian Göke nicht auf dem Chefsessel wollte, muckten vom Bauernpräsident (Grüne Woche) bis zu Vertretern der Tourismusbranche (ITB) alle möglichen Herren auf. Henkel war das Theater leid, Obernitz musste abtreten.

Cornelia Yzer will mehr Einfluss auf die landeseigene Messe-Gesellschaft

Nachfolgerin Yzer begab sich dennoch an diesselbe Front: Auch sie versuchte Göke zu verhindern, doch Aufsichtsratschef Kamp setzte den Gewinner eines aufwändigen Auswahlverfahrens mit Hilfe von IHK-Chef Eric Schweitzer und CDU-Henkel durch. Nun will Yzer Kamp loswerden; der frühere Chef von Philips in Deutschland sitzt seit zehn Jahren im Messe-Aufsichtsrat, die vergangenen fünf Jahre als Vorsitzender.

Den ursprünglichen Ansatz von Obernitz – mehr Einfluss des Landes auf landeseigene Gesellschaften – verfolgt auch Yzer. Im Senat wird das durchaus goutiert. Im konkreten Fall ist die Frage naheliegend, ob der Aufsichtsratschef des Ifa-Veranstalters gfu überhaupt Aufsichtsrat der Messe Berlin sein sollte. Und hat womöglich die landeseigene Messegesellschaft ein derartig wildes Eigenleben entwickelt, dass gleich mehrere Senatorinnen darüber in Schwierigkeiten geraten oder sogar ihr Amt verlieren?

Harald Wolf beobachtet die Entwicklung derweil mit einem leichten Vergnügen. Er war zehn Jahre Wirtschaftssenator und hat in der Zeit die Messe machen lassen. Und das hat nicht geschadet – meint nicht gut Göke. An den Senator der Linken erinnert man sich in diesen Wochen gern in der Berliner Wirtschaft.

„Keine andere deutsche Messe hat in den vergangenen zehn Jahren bei Umsatz und Gewinn so stark zugelegt“, sagte der Messechef kürzlich bei einer Veranstaltung der „Berliner Wirtschaftsgespräche“. Das lag im Wesentlichen an der Entwicklung der fünf Leitmessen Ifa, ITB, Grüne Woche, Fruit Logistica und Innotrans. 2013 war ein Rekordjahr und 2014 „sind wir extrem gut unterwegs“, freute sich Göke. Mit 700 Mitarbeitern setze die Gesellschaft 250 Millionen Euro um. „Eigentlich ein Zwerg“, so Göke, um dann die wirkliche Dimension aufzuzeigen: „27 000 Menschen in Berlin arbeiten nur für die Messe.“ Handwerker, Gebäudereiniger, Sicherheitsleute, Caterer, Verkehr und Hotellerie leben von vollen Messehallen und einem ausgebuchten City Cube.

Messen sind Vertriebsinstrumente für die Aussteller, Göke zufolge werden zum Beispiel bei der Ifa 80 Prozent der Jahresumsätze der Branche geschrieben. „Der Erfolg einer Messe hängt entscheidend von den handelnden Personen ab“, sagt Göke. Und hat dabei vermutlich sich selbst und Kamp im Kopf. Gesucht wird jetzt eine Lösung ohne Verlierer. Etwa so: Kamp bleibt als Vertreter der gfu im Aufsichtsrat, den Vorsitz übernimmt aber jemand anders.

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