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Der Krallenfrosch, Xenopus laevis, reagiert sensibel auf hormonell wirksame Stoffe. Sind sie im Wasser vorhanden, ändert er sein Rufverhalten.
© Frauke Hoffmann

Die Hürden der Bürokratie: Aus der Froschperspektive

Das Berliner Vergabegesetz erweist sich als bürokratisches Monster. Forscher verzweifeln, Handwerker bieten lieber woanders an.

Der Krallenfrosch ist ein wertvoller Mitarbeiter der Wissenschaft. Weil er so sensibel ist. Er lebt im Wasser und wenn sich darin hormonell wirksame Substanzen befinden, beeinflusst das seinen Paarungsruf. Er ruft dann seltener und sein Werben ist für die Weibchen nicht mehr so attraktiv. So ist in kurzer Zeit der Nachweis der unerwünschten Stoffe erbracht, die über Medikamente wie die Anti-Babypille oder über Pestizide in unser Wasser gelangen. Dabei muss der Krallenfrosch seinen Einsatz für die Wissenschaft nicht mit seinem Leben bezahlen, wie es bei älteren Nachweismethoden mit Kaulquappen der Fall war. Allerdings gibt es „ohne Frösche keine Versuche“, stellt Frauke Hoffmann, Projektleiterin am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei klar. Und da liegt das Problem: Sie darf keine Krallenfrösche mehr bestellen.

Schuld ist das Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz. Das schreibt vor, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden. Konkret geht es zum Beispiel darum, dass die beauftragten Unternehmen sich an Tarifverträge und internationale Arbeitsnormen halten, Frauen fördern, Umweltstandards einhalten und noch einiges mehr. Nun kann man natürlich argumentieren, dass dort, wo Steuergelder fließen, auch bestimmte Normen eingehalten werden müssen.

"Wenn wir uns ans Gesetz halten würden, könnten wir unsere Arbeit einstellen."

Doch der bürokratische Aufwand ist enorm. „Wir teilen ja uneingeschränkt diese Ziele und haben uns schon immer bemüht, Umwelt- und Sozialstandards zu berücksichtigen. Aber für jeden einzelnen Auftrag über 500 Euro muss ein Anbieter nun zunächst einmal 28 Seiten Bedingungen akzeptieren und fünf Unterschriften leisten“, kritisiert Dieter von Buxhoeveden, Bereichsleiter Beschaffungswesen des Forschungsverbunds Berlin, in dem sich acht wissenschaftliche Institute zusammengeschlossen haben. „Im Grunde müssten wir eine Selbstanzeige machen, denn wir sind alle kriminell“, sagt Buxhoeveden. „Wenn wir uns streng an das Gesetz halten würden, könnten wir unsere Arbeit einstellen.“

Hohe bürokratische Hürden baut das Vergabegesetz auch bei den bietenden Unternehmen auf. Die Folge: „Wir bekommen keine vernünftigen Handwerker mehr, weil die lieber Aufträge aus der Industrie oder von Privatleuten annehmen“, berichtet Buxhoeveden. Gerade kleinere Handwerksbetriebe könnten den bürokratischen Aufwand nicht leisten und seien somit faktisch von der öffentlichen Vergabe ausgeschlossen. Auch gebe es in vielen Betrieben rechtliche Bedenken, etwa bezüglich des Datenschutzes, wenn es darum geht, Auskunft über die Entlohnung der Mitarbeiter zu geben.

Der Beschaffungsexperte schätzt die Mehrkosten auf 191 000 Euro im Jahr

Hinzu kommt, dass der aufwendige Vergabeprozess viel Zeit und damit Geld kostet. Für die rund 5000 Vergaben ab 500 Euro netto, die vom Forschungsverbund jährlich kommen, hat der Bereichsleiter Beschaffungswesen einmal den Zusatzaufwand für die Einhaltung des Gesetzes überschlagen. Unterstellt, dass es pro Auftrag 55 Minuten sind, kommt er auf 191 000 Euro zusätzliche Kosten.

Dabei sind es nicht nur Berliner Handwerker, die nicht mehr anbieten wollen, sondern auch international tätige Konzerne. Sie sehen nicht ein, dass sie für Berlin ihre eigenen Standards ändern sollen. „Diese Erfahrung haben wir mit führenden Versicherungen und Softwareanbietern gemacht“, sagt Buxhoeveden. „Und ohne die richtige Software können wir in Wissenschaft und Verwaltung nicht auf Spitzenniveau arbeiten.“

Das Gesetz stellt die Forscher vor besondere Probleme

Der Krallenfrosch, Xenopus laevis, reagiert sensibel auf hormonell wirksame Stoffe. Sind sie im Wasser vorhanden, ändert er sein Rufverhalten.
Der Krallenfrosch, Xenopus laevis, reagiert sensibel auf hormonell wirksame Stoffe. Sind sie im Wasser vorhanden, ändert er sein Rufverhalten.
© Frauke Hoffmann

Diese Probleme haben auch andere öffentliche Stellen in Berlin. Doch die Wissenschaftler haben es besonders schwer – zum Beispiel, wenn es um Krallenfrösche und andere spezielle Produkte geht, die in der Forschung benötigt werden und die nicht von der Stange zu haben sind. „Artgerecht aufgezogene Krallenfrösche in einem guten Gesundheitszustand können wir nur bei einem einzigen Lieferanten aus den USA beziehen“, erklärt Buxhoeveden. „Und der sieht nicht ein, warum er solche Eigen- und Verpflichtungserklärungen unterschreiben soll.“ So halten es auch andere Lieferanten – vor allem wenn sie wissen, dass es keine alternativen Anbieter gibt. Abgesehen davon gibt es die Formulare nur auf Deutsch. „Wir können natürlich keine fremdsprachlichen Formulare liefern, die rechtlich verbindlich sind“, sagt Buxhoeveden.

In Politik und Verwaltung ist das Problem erkannt, nur wie es zu lösen ist, darüber ist man uneinig. Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat sieben Verbesserungsvorschläge für das Vergabeverfahren vorgelegt, etwa die Zahl der Formulare und Unterschriften zu reduzieren oder die Wertgrenzen für die freihändige Vergabe von Bauleistungen auf 100 000 und den Schwellenwert für beschränkte Ausschreibungen auf eine Million Euro zu erhöhen. „Das waren die Grenzen, die beim Konjunkturpaket II gegolten und die Prozesse beschleunigt haben“, sagt der CDU-Abgeordnete Jürn Jakob Schultze- Berndt. „Es ist nicht einzusehen, warum wir sie nun wieder verlangsamen sollen.“

Die Handwerkskammer wünscht sich eine schnelle Lösung

Die SPD will Änderungen erst nach der Vorlage des Vergabeberichts durch den Senat angehen. „Dabei werden hoffentlich auch einige unsinnige Verwaltungsvorgaben für die Umsetzung des Gesetzes beleuchtet“, sagt Daniel Buchholz, umweltpolitischer Sprecher der SPD- Fraktion. Einige der CDU-Vorschläge seien eindeutig Verwaltungshandeln und daher nicht durch das Parlament zu beeinflussen. Für ihn sei es etwa nicht nachvollziehbar, warum Formulare für internationale Beschaffungen nicht zentral in englischer Sprache bereitgestellt werden. „Das Berliner Vergabegesetz ist gerade mit seinen ökologischen Vorgaben vorbildlich, bei der praxisnahen Umsetzung können einige Verwaltungen noch besser werden“, meint Buchholz.

Bis eine Gesetzesänderung durch ist – so lange wollen auch die Berliner Handwerker nicht warten. „Hier ist die Verwaltung gefordert, die Dinge schnell zu ändern“, sagt Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer.

Die Senatsverwaltung bereitet eine Initiative zur öffentlichen Auftragsvergabe vor

Mit seiner Forderung scheint er nicht auf taube Ohren zu stoßen. Die Kritik aus Forschung und Wissenschaft wie auch aus vielen Wirtschaftsbereichen werde sehr ernst genommen und genau verfolgt, sagt ein Sprecher von Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer. Es werde bereits an einer Initiative gearbeitet, die praktische Umsetzung des Gesetzes anzupassen.

Buxhoeveden hat die Frösche übrigens nach Rücksprache mit der Geschäftsführung des Forschungsverbundes auch ohne die Unterschrift des Züchters „gesetzeswidrig“ bestellt. Schließlich will man ein vom Senat gefördertes Forschungsprojekt nicht gefährden.

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