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Wirtschaft: Auf den großen Tag folgte bald Ernüchterung

MAGDEBURG ."Kommt die D-Mark, bleiben wir - kommt sie nicht, gehen wir zu ihr.

MAGDEBURG ."Kommt die D-Mark, bleiben wir - kommt sie nicht, gehen wir zu ihr." Mit dieser Parole drückten die Ostdeutschen in der Endphase der DDR ihre Sehnsucht nach der West-Mark aus.Sogar die massenhafte Auswanderung drohten sie an, um die Bonner Politiker zu einer schnellen Währungsunion zu drängen.Doch die Ernüchterung nach dem großen Tag am 1.Juli 1990 kam schneller als gedacht.Der Magdeburger Versicherungskaufmann Frank Schmidt war bereits sechs Tage nach Einführung der begehrten bundesdeutschen Währung das erste Mal pleite.Hinter sich hatte der damals 26jährige eine rauschende Hochzeit.Vor ihm lag eine finanzielle Durststrecke."Alle meinten, wir wären bekloppt, die gute D-Mark gleich auf den Kopf zu hauen", erinnert er sich.Doch einen Heiratstermin vor der Währungsunion lehnte das Paar bewußt ab."Wir wollten so richtig auf die Pauke hauen - und zwar mit der D-Mark." Immerhin habe damit ein neue Zeitrechnung begonnen.

Über Nacht bekamen die rund 16 Millionen Ostdeutschen Geld ins Portemonnaie, das zuvor nur schwer zu bekommen war - entweder von West-Verwandten zugesteckt, schwarz getauscht oder bei Reisen ins "Nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet" vom Munde abgespart.Einige kamen sogar erst nach dem Umtausch mit der D-Mark in Berührung.Zum Stichtag konnten Kinder unter 14 Jahren maximal 2000 Ost-Mark, Erwachsene bis 59 Jahre bis zu 4000 und Ältere höchstens 6000 Ost-Mark im Verhältnis eins zu eins tauschen.Dies galt auch für Löhne, Gehälter und Renten.Ansonsten wurden Guthaben mit einer D-Mark für zwei Mark der DDR umgewandelt.

Als Erstausstattung für die Bargeldversorgung hatte die Deutsche Bundesbank Geldscheine im Wert von 27,5 Mrd.DM bereitgestellt."Dazu mußten von den Landeszentralbanken zu den Filialen in der DDR Banknoten im Gesamtgewicht von rund 460 Tonnen transportiert werden", berichtete damals die Bundesbank.

Um soviel Geld wie möglich tauschen zu können, floß das alte Geld hin und her: Wer weniger auf dem Konto hatte, bekam vorübergehend von reicheren Verwandten oder Bekannten das Sparbuch aufgefüllt."Ich hatte damals totales Glück", erinnert sich ein Magdeburger Automechaniker.Gut ein Jahr vor dem Fall der Mauer hatte er noch für ein Haus einen Kredit aufgenommen.Diese Schulden wurden nun entsprechend dem allgemeinen Umstellungskurs halbiert."Außerdem wurde mit der D-Mark vieles einfacher", sagt der Handwerker.Zu DDR-Zeiten sei er nur mühsam und mit Beziehungen an Zement, Steine und Holz gekommen."Plötzlich konnte ich durch Baumärkte schlendern und zwischen verschiedenen Fliesensorten wählen." Anfangs erfüllten sich viele Ostdeutsche langgehegte Wünsche: Reisen, Autos und modische Kleidung."Irgendwie war es schon ein tolles Gefühl", meint die Magdeburgerin Gerlinde Becker.Mit der DDR-Mark wurde man sogar im sozialistischen Ungarn nur als zweite Wahl behandelt, wenn am Nachbartisch mit D-Mark bezahlt wurde.Viele Ostdeutsche überschätzten jedoch ihre finanziellen Möglichkeiten.Heute sind sie Stammkunden bei Schuldnerberatern.Häufig wurde Euphorie von Ernüchterung und sogar Enttäuschung verdrängt."Die D-Mark war für mich immer ein Symbol der Freiheit.Jetzt bin ich aber seit vier Jahren arbeitslos und kann mir viel weniger als zu DDR-Zeiten leisten", beklagt sich die 36jährige frühere Verkäuferin Brigitte."Als ich zur Schule ging, war ich neidisch auf alle, die West-Stifte hatten.Heute sind meine Kinder traurig, weil wir an vielen Regalen vorbeigehen müssen." Frust über diese neue Ausgrenzung hört man in Sachsen-Anhalt - dem Land mit der höchsten Arbeitslosigkeit - nicht selten.

SUSANNE HOFMEISTER (dpa)

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