Arbeitsmarkt Deutschland: Auf dem Weg zur Weiterbildungsrepublik
Deutlich weniger Arbeitslose, zwölf Euro Mindestlohn, ein Homeoffice-Gesetz: Arbeitsminister Hubertus Heil hat viel vor.
Im Jahresschnitt 2,6 Millionen Arbeitslose, eine Arbeitslosenquote von 5,7 Prozent – und damit 0,2 Prozent beziehungsweise 82 000 Arbeitslose weniger als im vergangenen Jahr: „Wir nähern uns dem Vorkrisenniveau an“, zog Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag in Berlin Bilanz der Entwicklung im vergangenen Jahr. Durch die Coronapandemie sei der Arbeitsmarkt in Deutschland zwar erschüttert worden. „Wir konnten aber ein Beben abwehren“, meinte der Minister.
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Möglich gemacht hätten das vor allem die Wirtschaftshilfen der Bundesregierung und Kurzarbeitergeld. Für 2022 geht er von einem Aufschwung aus, der sich positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken werde, durch die Corona-Variante Omikron nur zeitlich verzögert. Die Industrieproduktion werde weiter steigen. Die erste der beiden großen Aufgaben, die jetzt anstünden, sei die Stabilisierung der Lage und das Sichern von Fachkräften. Die zweite sei die Transformation der Arbeitswelt, Betriebe und Beschäftigte müssten fit gemacht werden für die Arbeit von morgen. Einer der Schlüssel dazu sei, dass „Deutschland Weltmeister in Weiterbildung werden muss“, sagte Heil.
In Nürnberg erläuterte unterdessen der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, anhand von Zahlen, wie sich der Arbeitsmarkt weiter erholt habe. Zwar sei die Arbeitslosigkeit im Dezember gegenüber November leicht gestiegen, um 12 000 auf 2 330 000. Im Dezember 2020 Jahr seien aber 378 000 Menschen mehr arbeitslos gewesen. Ganz so gut wie vor Corona sieht es jedoch noch nicht aus: Im Vergleich zum Dezember 2019 liegt die Arbeitslosenzahl noch um 102 000 höher.
Die Prognose: 250.000 Arbeitslose weniger in 2022
Auch Scheele blickt angesichts der erwarteten wirtschaftlichen Erholung positiv ins neue Jahr. Die BA rechne im Jahresschnitt mit 250 000 weniger Arbeitslosen. Der Arbeitsmarkt habe sich ab dem Frühsommer kontinuierlich erholt. Nie habe es in Deutschland so viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigte gegeben. Mit 34,37 Millionen sei im Oktober nach ersten Berechnungen ein Allzeithoch erreicht worden. Ein weitere positive Entwicklung sei, dass es seit der Wiedervereinigung noch nie so wenige junge Arbeitslose gegeben habe. Die Zahl der bis zu 25-Jährigen ohne Job lag im Jahresdurchschnitt bei 179 000.
Unsicher sei der Verlauf der Pandemie und das Problem der Lieferengpässe, die besonders das Verarbeitende Gewerbe und das Handwerk ausbremsten. Scheele erwartet kurzfristig mehr Kurzarbeiter. Vor allem im Gastgewerbe und im Handel hätten Arbeitgeber im Dezember für 286 000 Mitarbeiter Kurzarbeit angezeigt, doppelt so viele wie im November. „Wir werden aber wahrscheinlich die Millionen nicht wieder erreichen“, sagte der BA-Chef.
Frauen sollen mehr arbeiten
Auf der Prioritätenliste des Arbeitsministeriums ganz oben steht für 2022 der im Koalitionsvertrag angekündigte Mindestlohn von zwölf Euro, erklärte Hubertus Heil. Einen entsprechenden Gesetzentwurf werde er in Kürze vorlegen. Zur Kurzarbeit erklärte er: Durch die bis März 2022 verlängerten Sonderregelungen seien Millionen Jobs erhalten worden. Je nach nach Lage würden die aktuellen Reglungen „mit Augenmaß“ nochmals verlängert werden.
„Um Fachkräfte zu sichern, müssen wir unsere Reserven besser nutzen und dafür sorgen, dass mehr Frauen beschäftigt sind und das nicht nur in Teilzeit“, sagte Heil. Möglich gemacht werden soll das durch eine bessere Vereinbarung von Familie und Beruf, flexiblere Arbeitszeitmodelle und dadurch, dass sich auch Familien mit normalen Einkommen Alltagshelfer leisten können sollen. Auch ein Homeoffice- Gesetz will Heil auf den Weg bringen.
Weiterbildung soll vielfach gefördert werden, um Beschäftigte auf die Arbeit von morgen vorzubereiten. Wer Grundsicherung bezieht und sich weiterbildet, soll bald 150 Euro zusätzlich erhalten. Für alle Beschäftigten soll es ab 2023 ein staatlich gefördertes Weiterbildungsjahr geben, das nach dem Modell der Elternzeit funktioniert. Die Potenziale der Langzeitarbeitslosen sollen mehr genutzt werden und Ausbildung bei der Vermittlung Vorrang haben vor Aushilfsjobs, die langfristig kaum dazu betragen würden, Arbeitslosigkeit zu verhindern, sagte Heil.
Ein Punktesystem für Zuwanderer soll es geben
Auch qualifizierte Zuwanderung will der Arbeitsminister leichter machen. Das Einwanderungsgesetz der vorangegangenen Regierung soll restrukturiert werden, Strafen herausgenommen und ein Punktesystem für Zuwanderungskandidaten eingeführt werden. Heil werde „Druck machen und Gas geben“, um die Maßnahmen schnellstens umzusetzen.