Cum-Cum-Geschäfte: Auch Sparkassen haben mitgemischt
Über Jahre haben Banken Ausländern geholfen, bei Aktiengeschäften die Steuerzahlung zu umgehen. Auch ein paar Sparkassen scheinen dabei gewesen zu sein. Nun sollen die Institute dafür gerade stehen.
Es ist ein Trick, der die Steuerzahler Milliarden kostet. Jahrelang haben deutsche Banken ausländischen Aktionären geholfen, den Fiskus auszutricksen. Sie schoben Aktien so untereinander hin und her, dass der ausländische Investor Steuern, die er eigentlich hätte zahlen müssen, umgehen konnte. Schätzungen zufolge könnten dem deutschen Fiskus dadurch 50 bis 80 Milliarden Euro an Steuern entgangen sein. Das Bundesfinanzministerium hat die Geschäfte inzwischen größtenteils als rechtswidrig eingestuft. Umso schwerer wiegt da, dass offenbar selbst Sparkassen bei den Deals mitgemischt haben.
Der Trick, um den es geht, hat mit dem Wörtchen „Cum“ zu tun. Denn Experten haben den umstrittenen Geschäften den Namen Cum-Cum-Deals verpasst. Cum heißt auf lateinisch „mit“. Gemeint sind Aktien mit Dividenden. Jährlich schütten Aktienkonzerne einen Teil ihrer Gewinne als Dividenden an ihre Anteilseigner aus. Auf diesen Zusatzertrag müssen Anleger Kapitalertragsteuer zahlen. Deutsche Anleger können sich die mit der Steuererklärung vom Fiskus wieder zurückholen – Ausländer nicht. Ist doch eigentlich ungerecht, das müssen sich Banker gedacht haben, als sie ein Konstrukt entwickelten, durch das ausländische Investoren jahrelang die Steuerzahlung umgehen konnten. Möglich wurde das, indem ausländische Anleger ihre Aktien rund um den Dividendenstichtag an eine deutsche Bank verliehen haben. Die hat sich die Dividende auszahlen und die Steuer erstatten lassen. Anschließend hat sie die Aktie wieder an den ausländischen Investor übertragen –<TH>abzüglich eines Eigenanteils. Beide Seiten haben so gewonnen: Die Bank hat einen kleinen Zusatzverdienst gemacht, der Investor hat sich die Steuerzahlung gespart. Nur der deutsche Fiskus ging dabei leer aus.
Bei Sparkassen sollen Investmentbanker für Cum-Cum geworben haben
Der Trick war wohl so lukrativ, dass etliche Banken ihn angewandt haben. „Das war lange ein einträgliches Geschäftsmodell“, sagt Christoph Spengel, Wirtschaftsprofessor an der Universität Mannheim. Selbst Sparkassen, denen man solch gewiefte Aktiendeals mit ausländischen Investoren eigentlich nicht zugetraut hätte, waren offenbar mit von der Partie. Das bestätigt der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) auf Tagesspiegel-Anfrage. „Es gibt wohl auch einzelne Sparkassen, die in solche Konstruktionen eingeschaltet waren“, sagt ein Sprecher des Verbands. Die Zahl der beteiligten Institute liege vermutlich „im niedrigen zweistelligen Bereich“. Im Sparkassen-Sektor ist man darüber nicht überrascht. Denn auf der Suche nach Banken, die ihnen bei den Steuertricks halfen, haben ausländische Investoren offenbar bewusst auch Regionalinstitute angesprochen. So heißt es aus einer Sparkasse zum Beispiel, es seien eine Zeit lang regelmäßig Investmentbanker beim Finanzchef vorstellig geworden und hätten ihm Cum-Cum-Deals angeboten.
Dass manche Sparkassen der Verlockung vermutlich nicht widerstehen konnten, wirft jedoch Fragen auf. Schließlich haben sie einen öffentlichen Auftrag. „Sparkassen sind gemeinwohlorientiert“, sagt der Grünen-Politiker Gerhard Schick. „Wenn Sparkassen sich an CumCum-Geschäften beteiligt haben, müssen sie sich dafür rechtfertigen.“ Er sieht dabei vor allem die Lokalpolitiker in der Pflicht, die in den Verwaltungsräten der Sparkassen sitzen. „Die Verwaltungsräte müssen darauf drängen, dass die CumCum-Geschäfte aufgearbeitet werden und publik gemacht werden.“
Die Bafin will prüfen, wie stark Institute belastet werden
Zumal auf die betroffenen Sparkassen wie auch auf die anderen Banken, die bei Cum-Cum mitgemischt haben, nun Rückforderungen vom Finanzamt sowie im Zweifel auch Strafen zukommen. Die Finanzaufsicht Bafin hat Fragebögen an alle Institute verschickt, um herauszufinden, auf welche Belastung sie sich einstellen müssen. Die Aufseher wollen vorbereitet sein für den Fall, dass eine Bank nicht genug Kapital besitzt, um die Forderungen zu bedienen. So ist bei der Aufarbeitung der verwandten Cum-Ex-Geschäfte mit der Frankfurter Maple Bank ein Institut gar pleitegegangen.
So schlimm dürfte es für die Institute bei Cum-Cum aber wohl nicht werden – schlichtweg weil Banken in vielen Fällen verschont werden könnten. Zwar werden die Finanzämter nun versuchen, die Banken in die Pflicht zu nehmen. Doch geradestehen müssen die Institute dabei nur für Cum-Cum-Geschäfte, die sie nach März 2013 eingegangen sind. Die Opposition kritisiert das scharf. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum das Bundesfinanzministerium viele Fälle vor März 2013 nicht aufgreifen will“, sagt der Grünen-Politiker Schick. „Da werden Banken geschont.“ Zumal Experten davon ausgehen, dass die Banken die Steuertricks bereits seit dem Jahr 2001 angewandt haben.
Banken könnten sich herausreden, um Steuern nicht nachzahlen zu müssen
Dazu kommt, dass sich die Institute auch bei Fällen ab März 2013 womöglich herausreden können. Das Bundesfinanzministerium hat gerade ein Schreiben an die Finanzämter verschickt und darin erklärt, wie sie mit Cum-Cum-Deals umzugehen haben. Wissenschaftler Spengel hält dieses Schreiben allerdings für viel zu schwammig formuliert. Demnach können die Beamten nur dann Steuern zurückfordern, wenn sie der Bank einen „Gestaltungsmissbrauch“ nachweisen können. Sie müssen belegen, dass der ausländische Investor dem Institut seine Aktien einzig aus dem Grund überlassen hat, um Steuerzahlungen zu umgehen. Es darf auch für die Bank keinen anderen „wirtschaftlichen Grund“ für das Geschäft gegeben haben. Spengel sagt jedoch: „Einen wirtschaftlichen Grund werden die Banken für die Geschäfte im Einzelfall schon finden.“
Dabei hätte es seiner Ansicht nach durchaus eine Möglichkeit gegeben, den Beamten klarere Vorgaben an die Hand zu geben. Nämlich indem man auf die Frage abgezielt hätte, wer wann der wirtschaftliche Eigentümer der Aktien war. Die ausländischen Investoren haben den deutschen Banken die Aktien schließlich nur geliehen. Vor vornherein war klar, dass die Institute die Papiere nach einigen Tagen wieder zurückgeben würden. Spengel argumentiert, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien in der Regel daher die gesamte Zeit bei den ausländischen Investoren gelegen habe – mit der Folge, dass die Bank sich die Steuern erst gar nicht hätte erstatten lassen dürfen. Einen solchen Passus, der auf das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien abzielt, findet sich im Schreiben des Ministeriums jedoch nicht.
Auch Grünen-Politiker Schick sieht das kritisch. Er hat deshalb eine Sondersitzung des Finanzausschusses beantragt. Noch vor der Bundestagswahl soll sich das Haus von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu der Causa äußern.
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