Internetdienste: Auch kostenlos kostet
Viele soziale Netzwerke wie Facebook sind gratis. Aber wer sie nutzt, zahlt trotzdem: nicht mit Geld, sondern mit Daten.
Schon wieder. In den vergangenen Wochen sah sich Facebook erneut der Kritik von Datenschützern ausgesetzt. Nicht wie so oft aus Europa, sondern aus den USA. Das soziale Netzwerk soll Datenschutzversprechen gegenüber seinen Nutzern nicht eingehalten haben.
Konkret geht es darum, dass Facebook mit dem Marktforscher Datalogix herausfinden will, wie viele Menschen ein Produkt kaufen - auch im stationären Handel -, weil sie auf ihrem Profil eine Anzeige gesehen haben. Dafür gleicht Datalogix einen Datenpool von 70 Millionen US-Konsumenten mit Facebook-Nutzern ab. Persönliche Daten blieben dabei jedoch außen vor, betonte Facebook, die Nutzer würden in Gruppen zusammengefasst. Die einzige Möglichkeit, nicht ins Visier der Marktforscher zu geraten, sei es, der Untersuchung auf der Datalogix-Seite zu widersprechen, berichtete die „Financial Times“. Bei Facebook gehe das nicht.
Das Beispiel verdeutlicht das Dilemma, in dem Internet-Unternehmen stecken. Auf der einen Seite bieten sie ihre Leistungen vordergründig kostenlos an. Auf der anderen Seite müssen sie Geld verdienen und sind deshalb bemüht, möglichst wirksame Werbeformen zu finden. Das Einblenden nutzerbezogener Werbung, in der Fachsprache Targeting, gewinnt dabei an Bedeutung, sagt Peter Buxmann, Wirtschaftsinformatiker an der TU Darmstadt. „Weiß der Vermarkter nur, auf welchem Portal ein Nutzer surft, kann er dafür beispielsweise 50 Cent pro Klick verlangen. Weiß er über den Nutzer, dass er Akademiker ist, welches Auto er fährt oder dass er Golf spielt, kann er für jede dieser Informationen weitere zehn Cent verlangen.“
Der Online-Werbemarkt wächst, in Deutschland rechnen die Vermarkter im laufenden Jahr mit einem Plus von zwölf Prozent auf 6,4 Milliarden Euro. Der Anteil am gesamten Bruttowerbevolumen liegt damit nach Angaben des Online-Vermarkterkreises bei 22 Prozent – hinter der Fernseh- und vor der Zeitungs- und Zeitschriftenwerbung. Im Bereich der Online-Werbung gewinnt das Mobilgeschäft an Bedeutung, denn immer mehr Menschen nutzen Web-Angebote über ihr Smartphone und nicht mehr über stationäre Computer. Bei Facebook ist es inzwischen mehr als die Hälfte der eine Milliarde Nutzer. Doch Werbung ist auf den meist kleineren Bildschirmen nur schwer zu platzieren. Vermarkter und Anleger betrachten mit Argwohn, dass Unternehmen wie Facebook oder Google eine schlagkräftige Strategie für dieses Phänomen bislang nicht gefunden haben.
Wie wichtig eine überzeugende Lösung ist, verdeutlichen zwei Beispiele. Ende September stürzte der Kurs der Facebook-Aktie auf ein absolutes Tief, nachdem ein US-Wirtschaftsmagazin die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells infrage gestellt hatte. Vergangene Woche sprang der Kurs um 20 Prozent nach oben, weil das Unternehmen im dritten Quartal 14 Prozent seines Werbeumsatzes im mobilen Internet gemacht hat – etwa dreimal so viel wie bislang.
Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen schöpfen Unternehmen aus dem Pool von Daten, den ihre Nutzer freiwillig oder unwissend von sich preisgeben. Bei unwissend fängt es für Datenschützer aber schon an, problematisch zu werden. Datenschutzerklärungen, in denen Unternehmen den Nutzern sagen, welche Daten sie wie und wann verwenden oder weitergeben, sind in der Regel so umfangreich, dass kaum jemand sie liest. Ganz zu schweigen davon, dass die juristische Sprache für Laien kaum verständlich ist. Zudem setzen gerade US-Firmen darauf, dass Nutzer dem Sammeln von Informationen aktiv widersprechen müssen. Die IT-Branche beteuert, dass in diesem Punkt ein Umdenken eingesetzt habe. „Unternehmen wie Google oder Facebook haben gelernt“, sagt Susanne Dehmel, Datenschutzexpertin beim IT-Verband Bitkom. „Sie bemühen sich um Transparenz, um den Nutzern zu erklären, was mit ihren Daten geschieht.“
Selbst wenn dem so ist – das eingangs beschriebene Beispiel spricht nicht unbedingt dafür –, müssen werbefinanzierte Unternehmen mit wachsendem Widerstand der Nutzer rechnen. „Die junge Generation geht nicht mehr so naiv mit ihren Daten um wie noch vor ein paar Jahren“, stellt Wirtschaftsinformatiker Buxmann fest. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie, für die Buxmann mit seinem Team knapp 1400 Internetnutzer befragt hat.
Auch wenn die Umfrage nur bedingt repräsentativ ist – das Durchschnittsalter war etwas niedriger, das Bildungsniveau etwas höher als in der Gesamtbevölkerung –, zeigen die Ergebnisse, dass es für Unternehmen wie Facebook, Google oder Apple nicht leichter werden dürfte. Lediglich ein Viertel der Befragten findet die Vermarktung der eigenen Daten in Ordnung. Jeder Zweite gab an, dass er Dienste wie Facebook nutze, obwohl er den Umgang mit den Nutzerdaten nicht in Ordnung finde.
Verbraucherschützer raten dazu, sich genau zu informieren, auf welche Daten eine App zugreift. „Es mag sein, dass dabei manchmal auch Daten gesammelt werden, die nicht unbedingt notwendig sind oder von denen nicht unbedingt mitgeteilt wird, dass sie gesammelt werden“, räumt selbst Bitkom-Vertreterin Dehmel ein.
Simon Frost