zum Hauptinhalt
Arbeiter auf einer Stadion-Baustelle nahe der katarischen Hauptstadt Doha.
© Karim Jaafar/AFP

Kampf gegen „Sklaverei“: Arbeiter dürfen Katar künftig ohne Erlaubnis verlassen

Durchbruch im Emirat Katar: Gastarbeiter brauchen keine Ausreiseerlaubnis mehr, entscheidet der Emir. Am Freitag kommt er nach Deutschland.

Das monarchisch regierte Golf-Emirat Katar hat seine international über Jahre kritisierten Gesetze für ausländische Gastarbeiter geändert: Künftig braucht der ganz überwiegende Teil der Arbeiter nicht mehr die Erlaubnis ihrer Arbeitgeber, um das Land verlassen zu dürfen. Das teilte der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) am Dienstagabend in Brüssel mit. Auch die französische Nachrichtenagentur AFP verwies auf entsprechende Äußerungen offizieller Stellen aus Katar.

Hintergrund ist eine im Jahr 2013 gestartete Kampagne des IGB und dreijährige Verhandlungen diesem 2006 gegründeten Verband und ihrer Vorsitzenden, der Australierin Sharan Burrow, mit der Regierung des Staates am Persischen Golf. Die 63-Jährige hatte regelmäßig persönlich die Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeiter auf den Baustellen Katars und anderer Golfstaaten angeprangert, darunter speziell auch die in arabischen Ländern verbreitete „Kafala“. Das ist ein traditionelles System, bei dem Arbeitgeber für ihre Angestellten bürgen müssen - das in der Praxis aber bedeutet, dass die Arbeitgeber extrem starke Kontrolle ausüben, um sich nicht haftbar zu machen. Zudem begünstige es Missbrauch und Ausbeutung, sagen Kritiker.

Gewerkschaften hatten die Kafala wiederholt als „moderne Sklaverei“ bezeichnet und konkrete Fälle von Betroffenen öffentlich gemacht, die praktisch als Leibeigene behandelt worden sein sollen und das Land nicht verlassen durften. Vor drei Jahren trat die Regierung des Emirats endlich in Verhandlungen mit dem IGB ein, um die Regelungen zu reformieren.

Auf den Baustellen arbeiten vor allem Menschen aus Indien und Bangladesch

Katar steht unter verstärkter Beobachtung von Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen seitdem das Emirat im Dezember 2010 überraschend vom Weltfußballverband Fifa den Zuschlag für die WM im Jahr 2022 bekommen hatte. Der Status als künftiger Fifa-Gastgeber verstärkte den anhaltenden Bauboom in dem extrem rohstoffreichen und wohlhabenden Land zusätzlich. Katar ließ Stadien bauen und verbessert derzeit die entsprechende Infrastruktur. Geplant ist unter anderem der Ausbau einer Regionalbahn. An deren Planung war auch die Deutsche Bahn beteiligt. Auf den Baustellen sind vor allem Arbeiter aus asiatischen Ländern wie Indien und Bangladesch tätig.

„Dieser Tag markiert einen gewaltig großen Schritt zur Verbesserung der Gastarbeiterrechte und das Ende des Kafala-Systems“, teilte Burrow, die sich derzeit auf einer Konferenz in Argentinien aufhält, am Dienstag mit. Nun hätten rund 1,5 Millionen Arbeiter das Recht, das Land jederzeit ohne die Erlaubnis ihres Arbeitgebers zu verlassen. Ein zentrales Element des „Kafala-Systems der modernen Sklaverei“, welches noch in vielen Golf-Staaten gelte, sei in Katar nun aufgehoben. „Der nächste Schritt ist, dass auch einheimische Arbeiter dasselbe Recht erhalten“, fügte Burrow hinzu. 

Der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, der das entsprechende Dekret unterzeichnet habe, wird am Freitag als Gast bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin erwartet. Zeitgleich findet in Berlin das „Katar Deutschland Business und Investment Forum“ statt. Dort wollen der katarische Staatsfond QIA (Qatar Investment Authority) wie auch private Unternehmen Investitionen bei deutschen Mittelständlern anbahnen. Bereits im Vorfeld seien Kooperationen vereinbart worden, wie die Regierung von Katar ebenfalls am Dienstagabend mitteilte.

TU München soll eine Hochschule in Doha errichten

So soll die TU München als „Entrepreneur-Universität“ innerhalb von zwei Jahren eine Hochschule in Doha errichten. Die akademische Ausbildung werde danach ausgerichtet, die Basis für eine nachhaltige Industrie 4.0 zu schaffen, hieß es. Zudem wird soll in Berlin eine weitere Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn bekannt gegeben werden. Der deutsche Staatskonzern werde ein Abkommen für die Regulierung und Sicherheit der Eisenbahnen Verkehrsministerium in Katar schließen. Außerdem werde man weitere Kooperationen in der Wirtschaft, im Bildungssektor und Partnerschaften zum Ausbau der Infrastruktur verkünden.

Der Botschafter Katars in Deutschland kündigte im Interview mit dem Tagesspiegel bereits Investitionen in Milliardenhöhe an. Zugleich wirbt Katar um Investitionen deutscher Unternehmen am Golf. Die Entscheidung des Monarchen, auf die Kritik der Gewerkschaften einzugehen, dürfte es manchem deutschen Unternehmen erleichtern, sich für ein Engagement in Katar zu entscheiden.

Zur Startseite