Neue Zeitmodelle: Arbeiten nach Bedarf
Vor allem Arbeitszeitkonten haben den Unternehmen mehr Flexibilität im Betrieb gebracht - und es konnten Entlassungen vermieden werden.
Wenn der Kronzeuge von der anderen Seite kommt, macht sich das immer gut. In einer Studie der DGB-eigenen Böckler-Stiftung wird der langjährige Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt zitiert: „Wir sind heute bei der Arbeitszeit so flexibel, dass jede Behauptung, die Tarifverträge behinderten passgenaue betriebliche Lösungen, entweder bösartig ist oder in Unkenntnis der Tarifverträge erfolgt.“ Sagte Hundt im Jahr 2000. Das ist lange her, und Hundt, seit 2013 nicht mehr oberster Arbeitgeber Deutschlands, wird demnächst 77 Jahre alt.
Die Arbeitgeberseite fordert einen anderen Umgang mit der Arbeitszeit
Die Welt verändert sich. Digitalisierung („Industrie 4.0“) ist in aller Munde und veranlasste in diesem Sommer den einen oder anderen Arbeitgebervertreter, einen anderen Umgang mit der Arbeitszeit zu fordern. Beispielsweise sei das Arbeitszeitgesetz, das die tägliche Höchstarbeitszeit bei acht Stunden festschreibt und Ausnahmen bis maximal zehn Stunden vorsieht, nicht zeitgemäß. „Es werden Arbeitsformen entstehen, die nicht durch Regulierungen eingeschränkt werden sollten“, reklamieren die Arbeitgeberverbände und provozierten Widerspruch von Gewerkschaftern.
In immer mehr Firmen haben die Mitarbeiter Arbeitszeitkonten
Die Empirie für den Widerspruch liefert nun das Wissenschaftliche Institut der Böckler-Stiftung (WSI). Eine Durchsicht der Tarifverträge in den größten Branchen hat „ein kaum noch zu steigerndes Maß an flexiblen Anpassungsmöglichkeiten an betriebliche Produktions- und Arbeitserfordernisse“ ergeben, schreibt das WSI. In den vergangenen 15 Jahren hätten sich zum Beispiel die Arbeitzeitkonten „erheblich ausgeweitet“. Und es gibt inzwischen und noch mal verstärkt durch die Krise 2008/2009 allerorten die Möglichkeit zur Arbeitszeitkürzung ohne Lohnausgleich als Ergänzung zur Kurzarbeit. Dadurch können Entlassungen vermieden werden.
Fast alle Branchen mit tariflichen Arbeitszeiten haben Ober- und Untergrenzen
Ferner haben fast alle Branchen mit tariflichen Arbeitszeiten inzwischen Ober- und Untergrenzen: In der Chemie etwa liegt die Wochenarbeitszeit bei 37,5 Stunden, doch um diesen Wert darf 2,5 Stunden nach oben und unten geschwankt werden. Im bayerischen Hotel- und Gaststättengewerbe kann die individuelle Arbeitszeit zwischen 30 und 48 Stunden liegen, je nach Saison, im Versicherungsgewerbe besteht eine Schwankungsbreite von 25 Prozent und auf dem Bau wird im Winter ein paar Stunden kürzer gearbeitet als im Sommer. Die Schlussfolgerung des WSI: „Weitere Deregulierung ist unnötig.“
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