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Vier von fünf Teilzeitbeschäftigten sind weiblich. Oft aus familiären Gründen, aber nicht immer freiwillig.
© imago/Westend61

Teilzeit ist kein Risiko mehr: „Arbeit, die zum Leben passt“

Die Bundesregierung beschließt einen Rechtsanspruch auf Brückenteilzeit. Vor allem Frauen sollen davon künftig profitieren.

Wer für eine Weile weniger arbeiten möchte oder muss, kann das bald viel gelassener tun: Das Bundeskabinett hat am Mittwoch dem Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Einführung einer Brückenteilzeit zugestimmt. Damit bekommen rund 22 Millionen Beschäftigte das Recht, aus der Teilzeit- in die Vollzeitarbeit zurückzukehren.

„Arbeit, die zum Leben passt – das ist für immer mehr Menschen ein entscheidender Wert und für mich ein wesentliches Ziel“, sagte Heil. Der neue Rechtsanspruch, der ab 2019 gilt, wenn der Bundestag zustimmt, sei ein großer Schritt. „Er baut Brücken zu den eigenen Lebensplänen und Lebenslagen – eine Brücke ins Ehrenamt, in die Weiterbildung, in die Verwirklichung eigener Ziele und zurück“, meinte Heil.

In Unternehmen mit mehr als 45 Mitarbeitern soll der Anspruch auf eine Teilzeitphase gelten – ohne besondere Gründe dafür nennen zu müssen. Sie kann zwischen einem und fünf Jahren dauern, muss aber vorher genau festgelegt werden. Voraussetzung ist zudem, dass das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht und keine schwerwiegenden betrieblichen Gründe dagegen sprechen. Um Mittelständler nicht zu überfordern, ist für Betriebe zwischen 46 und 200 Arbeitnehmern eine Zumutbarkeitsgrenze vorgesehen: Der Arbeitgeber muss nur einem vom 15 Arbeitnehmern die Stundenverkürzung gewähren. Zudem sehen die Regelungen Erleichterungen für jene vor, die bereits in Teilzeit arbeiten und mehr arbeiten möchten.

Es gab lange Widerstand gegen das Vorhaben

Die Zahl der Teilzeit-Beschäftigten ist hierzulande in den vergangenen 20 Jahren deutlich gestiegen – von gut acht Millionen auf 15 Millionen. Vier von fünf sind Frauen. Oft entschließen sie sich aus familiären Gründen dazu, nicht immer freiwillig. Und: Bislang war es häufig so, dass sie später keine Vollzeitstelle mehr bekamen – und in der sogenannten Teilzeit-Falle feststeckten. Aus diesem Grund ist die Brückenteilzeit aus Sicht von Heil auch ein Beitrag zur Gleichstellung von Frauen und zur Vermeidung von Altersarmut.

Selten kündigte ein Ministerium ein Gesetz so oft an und konnte es dann doch nicht durchsetzen: Schon Ursula von der Leyen (CDU) wollte in ihrer Amtszeit als Bundesarbeitsministerin (2009-2013) ein „verlässliches Rückkehrrecht“ auf Vollzeit. Es scheiterte dann an der FDP, aber auch in den Reihen der Union gab es Widerstand. Von der Leyens Nachfolgerin Andrea Nahles (SPD) legte immerhin einen Referentenentwurf vor, der allerdings kein Gesetz wurde, weil sich Union und SPD nicht auf die Unternehmensgröße einigen konnte, ab der ein Rechtsanspruch wirksam werden sollte. Und auch in dieser Legislaturperiode drohte das Thema von der Union auf die lange Bank geschoben zu werden: Bereits vor einigen Wochen war er für die Kabinettsliste angekündigt worden und dann doch wieder gestrichen worden.

Unternehmen sorgen sich um Personalnot

Grund dafür war der Widerstand der Arbeitgeber. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) spricht nun von einem „tragfähigen, aber teils schmerzhaften Kompromiss“; der Zentralverband des Deutschen Handwerks von einer weiteren „Verrechtlichung der Arbeitsverhältnisse“ – nach den Aufzeichnungspflichten beim gesetzlichen Mindestlohn, den Einschränkungen der Zeitarbeit und den Entgelttransparenzvorschriften. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) beklagt, dass der „bereits grassierende Fachkräftemangel“ weiter verschärft werde, wenn künftig mehr Arbeitnehmer weniger arbeiten würden.

Eigentlich war vorgesehen, dass Arbeitgeber die Beweislast für das Fehlen eines freien Arbeitsplatzes zu tragen haben, wenn ein Arbeitnehmer in Vollzeit zurückkehren möchte. Nun hat sich Heil zur Freude der Unternehmen auf eine Klarstellung in der Gesetzesbegründung eingelassen, wonach Arbeitgeber keine neuen Arbeitsplätze schaffen müssten, um einen Wunsch nach mehr Stunden zu erfüllen. „Deswegen kann man das verwehren, wenn kein freier Arbeitsplatz da ist“, hießt es im Entwurf. Der DGB begrüßte die Zustimmung im Kabinett trotzdem als „wichtigen Schritt“, dem allerdings weitere folgen müssten. Nötig sei mehr Arbeitszeitsouveränität für alle.

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