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Wie lange noch? 2003 ging der Arbeitskampf um die 35-Stunden-Woche verloren, jetzt könnte es 2031 so weit sein.
© dpa

Arbeitszeit Ost: Angleichung bis 2031

Nach anderthalb Jahren kommt ein Kompromiss für die ostdeutschen Metaller in Sicht.

Was für ein Gewürge: Nach anderthalb Jahren, unzähligen Gesprächsrunden und einem letzten Verhandlungsmarathon von 9 Uhr bis nach Mitternacht steigt noch immer kein weißer Rauch auf über dem Gendarmenmarkt. Die Tarifparteien der ostdeutschen Metallindustrie waren müde und stimmten weitgehend darin überein, wie der Weg Richtung 35-Stunden-Woche im kommenden Jahrzehnt zu gehen ist. Am frühen Donnerstagmorgen verließen die Vertreter der IG Metall und der Arbeitgeber dann das Hilton Hotel in Berlin-Mitte – und hatte doch keine Vereinbarung unterschrieben. Das sollte im Verlauf des Donnerstags passieren, damit am Freitag die rund 150 Personen umfassende Tarifkommission der Gewerkschaft in Leipzig den Kompromiss abnicken kann. Oder auch nicht.

35 Stunden im Westen seit 1995

Für den kommenden Montag ist eine letzte Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern angesetzt, damit am 2. Oktober die Tarifkommission endgültig das so heiß umstrittene Ergebnis billigt. Einen Tag vor dem Tag der Einheit und knapp vier Wochen vor den Wahlen in Thüringen steht dann fest, wann im größten Industriebereich die tariflichen Arbeitszeiten hierzulande angeglichen sind: Von 2031 an gilt im Osten die 35-Stunden-Woche, die im Westen Mitte der 1980er Jahre im Arbeitskampf durchgesetzt und dann bis 1995 schrittweise eingeführt wurde.

Die Arbeitgeber wollen Kostenkompensation

In Schritten geht es auch im Osten nach unten. Je nachdem, auf was sich die Geschäftsführungen mit den Betriebsräten verständigen, gibt es frühestens eine erste Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 37 Stunden zum 1. Juli kommenden Jahres. Weitere Schritte könnten 2023 und 2027 folgen – je nachdem, was die Betriebsparteien vereinbaren. Für alle Unternehmen im Tarifverband wäre dann jedoch spätestens zum 1. Januar 2031 die 35-Stunden-Woche verbindlich. Allerdings lassen sich die ostdeutschen Metallarbeitgeber nur darauf ein, wenn es eine Kostenkompensation gibt und wenn das Arbeitszeitvolumen im Unternehmen nicht fällt. Anders gesagt: Wenn die Arbeitszeit verkürzt wird, muss der Anteil der Beschäftigten, die zuschlagsfrei länger arbeiten dürfen als nach Tarif vorgesehen, steigen. Und bei der so genannten Kostenkompensationen dürfte es schwierig werden, wenn Beschäftigte für die kürzere Arbeitszeit zum Beispiel mit Abstrichen beim Urlaubsgeld bezahlen müssen.

Konflikt in die Betriebe verlagert

Die Arbeitgeber wollten ursprünglich einen Korridor zwischen 30 und 40 Stunden im Tarif festschreiben und dann den Betriebsparteien überlassen, wie die tatsächliche Arbeitszeit ausfällt. Das lehnte die IG Metall ab. Trotzdem wird auch mit dem Kompromiss – sofern er zustande kommt – der Konflikt zumindest teilweise in die Betriebe verlagert.

Zu wenige Gewerkschaftsmitglieder

Die IG Metall ist im Osten schwach und hat kaum Drohpotenzial, um die Arbeitgeber zu Zugeständnissen zu bewegen. Der einzige Hebel ist der so genannte Häuserkampf: Wenn es zu keiner Lösung im Rahmen eines Flächentarifs kommt, will die Gewerkschaft kürzere Arbeitszeiten in den Unternehmen durchsetzen, in denen sie viele Mitglieder hat: VW und Porsche, BMW, ZF und Siemens, um einige zu nennen. Diese Unternehmen haben wiederum Interesse an einer flächendeckenden Lösung, weil die für sie günstiger ist, und machen entsprechend Druck auf die beteiligten Arbeitgeberverbände. Auf Seiten der Arbeitgeber führt der Berliner Siemens-Manager Stefan Moschko die Verhandlungen. Bereits im November letzten Jahres hatte Moschko Eckpunkte eines Kompromisses unterschrieben – war dann jedoch vom Dachverband Gesamtmetall zurückgepfiffen worden.

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