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Wirtschaft: An die Spitze

Wie Arbeitgeber von der Weiterbildung ihrer Mitarbeiter profitieren – und warum sich niemand leisten kann, darauf zu verzichten.

Auch wie man richtig twittert, kann Inhalt einer beruflichen Weiterbildung sein. Die Mitarbeiter im Kundenzentrum der Strato AG etwa, einem Berliner Internetdienstanbieter, besuchten einen Social-Media-Kurs. Jetzt beantworten sie Kundenanfragen auch via Twitter, einem Kurznachrichtendienst. „Damit haben wir eine Kompetenz geschaffen, die es von der Stange überhaupt nicht gibt“, sagt René Wienholtz, Vorstand für Technologie und Innovation. Aus dieser Spezialposition heraus können sich die Mitarbeiter weiterentwickeln, beispielsweise Richtung Teamleiter oder auch aus der Abteilung heraus, Richtung Public Relations.

Die Strato AG bietet ihren rund 500 Mitarbeitern eine Vielfalt an Weiterbildungen an. René Wienholtz sagt, das Unternehmen profitiere davon mit der Zufriedenheit der Kunden und vor allem auch der Mitarbeiter selbst. „Wenn wir durch Weiterbildungen die richtigen Aufgaben an die Mitarbeiter adressieren, schafft das Motivation.“ Dabei werden nicht nur fachliche Kompetenzen geschult. Auch Sozial- und Personalkompetenzen werden vermittelt, also Fähigkeiten im Umgang mit anderen sowie im Hinblick auf die Selbsteinschätzung und die Planung des weiteren beruflichen Weges. Ein wichtiges Feld für den Unternehmenssitz in Berlin sei der IT-Bereich, hier sei „die Hölle los“, sagt Wienholtz. Grund sind die vielen Startup-Gründungen in der Hauptstadt, die für das Unternehmen die Konkurrenz um die Fachkräfte erhöhen.

Nicht zuletzt in Zeiten des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels wird Weiterbildung für Unternehmen immer wichtiger, Tendenz steigend. Laut einer Studie der Deutschen Universität für Weiterbildung (DUW) rechnen 74 Prozent der Arbeitnehmer damit, dass Weiterbildung in ihrem Beruf in zehn Jahren wichtiger sein wird als heute. Elf Prozent der Befragten fühlen sich häufig überfordert, weil der Arbeitgeber von ihnen erwartet, sich auf dem neuesten Stand zu halten. Peter Dehnbostel, Professor für Betriebliches Bildungsmanagement an der DUW, sagt: „Da läuft ohne Weiterbildung nichts mehr, sonst sind die Unternehmen weg vom Fenster.“

Als er seine Ausbildung zum Mechaniker abschloss, wurde Peter Dehnbostel noch mit den Worten verabschiedet: „Sie haben ausgelernt.“ Das war in den siebziger Jahren. „Aber ausgelernt gibt es heute nicht mehr“, sagt Dehnbostel. Damals habe es keine systematischen Weiterbildungen gegeben, heute seien Weiterbildungsmaßnahmen vom finanziellen Volumen her größer als die Ausbildungen selbst. Es sind nicht unbegrenzt viele gute, junge Leute da, die in Unternehmen anfangen können.

„Wir bekommen nicht die perfekt gebackenen Mitarbeiter, wir müssen sie formen“, sagt auch René Wienholtz von der Strato AG. Darum gibt es bei der Strato AG zentrale Fachkompetenz- und Managementtrainings, Entwicklungsgespräche, Trainings zum Unternehmen selbst für neue Mitarbeiter, aber auch dezentrale Weiterbildungen, die nach Bedarf von den Fachabteilungen aus gesteuert werden.

Auch die Arbeitsorganisation in Unternehmen hat sich geändert. René Wienholtz sagt: „Früher sah das übertrieben gesagt so aus: Der Produktentwickler wirft ein Produkt über den Zaun zur Technik, die das dann umsetzen soll.“ Heute gibt es interdisziplinäre Teams, die in einem regen Austausch stehen. „Es geht darum, dass der Entwickler sich geistig auf den Stuhl des Technikers setzt und umgekehrt“, sagt Wienholtz.

Dafür sind auch überfachliche Kompetenzen gefragt. Günter Lambertz, Bereichsleiter Weiterbildung bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), beobachtet diese Entwicklung: „Sie brauchen nur die Stellenanzeigen zu lesen, da sind immer Kompetenzen wie Selbstständigkeit und Teamfähigkeit gefragt.“ Zum einen sei das eine Charakterfrage, zum anderen aber könnten die entsprechenden Kompetenzen auch durch Seminare trainiert werden – wie Kommunikation durch ein Rhetorikseminar. „Das muss ja nicht heißen, dass ein eher schüchterner Typ hinterher zum Marktschreier wird“, sagt Lambertz. Doch Eigenbrötler sind für Unternehmen heute selten wertvoll.

Zwei neue Mitarbeiterinnen von Julia Geburzi-Horn, kaufmännische Leiterin des Berliner Unternehmens Bartelt & Sohn, besuchten eine Weiterbildung im Zeitmanagement. Bartelt & Sohn ist ein Unternehmen für Flachglasverarbeitung mit rund 120 Mitarbeitern. Die zwei neuen Angestellten waren nicht nur angetan von den Seminarinhalten, sondern auch davon, dass sie dabei gleich ihre Kollegen kennengelernt haben. Meist könne ein Team nicht komplett zu einer Schulung geschickt werden, sagt Geburzi-Horn. „Dadurch entstehen in Schulungen wieder andere Mischungen, das ist gut fürs Team.“

Bei Bartelt & Sohn gibt es produktbezogene Weiterbildungen für die Kunden – dafür werden unternehmenseigene Mitarbeiter geschult. Außerdem wurden Mitarbeiter zu Bildungscoaches ausgebildet. Sie führen Gespräche mit den Kollegen, um herauszufinden, wo sie weitergebildet werden können. Es gibt rechtliche Weiterbildungen, aber auch einen freiwilligen wöchentlichen Englischunterricht. Zudem ist die Firma in einem Unternehmensnetzwerk mit verschiedenen Weiterbildungsmöglichkeiten. Diejenigen, die am wenigsten zur Weiterbildung zu bewegen sind, sind die, die den Beruf schon lange ausüben, sagt Geburzi-Horn. „Manche sind der Meinung, dass sie das nicht nötig haben.“ Im Nachhinein sei die Rückmeldung jedoch immer positiv.

Bei der Strato AG gebe es durchaus auch Kollegen, „denen man nichts mehr beibringen kann“, sagt René Wienholtz. Doch auch ein brillanter Entwickler, der seit zehn Jahren im Beruf ist, braucht neue Herausforderungen. „Wie bilde ich den weiter? Ganz einfach: Ich schicke ihn auf Konferenzen“, sagt Wienholtz. Dort könne er mit anderen, die sich auf seinem Wissensstand befinden, austauschen, sich neue Anregungen holen und damit Kreativität ins Unternehmen bringen.

Nicht zu unterschätzen seien auch die gute, alte Kaffeeecke und die Cafeteria. „Das ist unheimlich wichtig, auch für den Dialog der Mitarbeiter über die Abteilungsgrenzen hinaus“, sagt Wienholtz. Wo Austausch stattfindet, wird gelernt, wenn auch unbewusst. Das sogenannte informelle Lernen kann von Unternehmen auch bewusst gefördert werden, durch Qualitätszirkel, Lernstationen, Zugang zu Lernmaterialien, Betriebsausflüge.

Letztlich sollte niemand 20 Jahre unverändert in seinem Beruf verbringen. Dann sei ein Entwicklungsgespräch mit dem Chef angebracht, sagt Wienholtz. Gemeinsam könne man langfristig den Wechsel in eine andere Abteilung planen. Durch Weiterbildung, versteht sich.

Franziska Felber

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