US-Azubis mit deutschem Zertifikat: American Lehrling bei Volkswagen
Nicht nur in Deutschland, auch in den USA herrscht Fachkräftemangel. VW ergreift in seinem Werk in Tennessee die Initiative - und bildet Mechatroniker nach deutschem Standard aus.
Für deutsche Firmen gibt es in den USA kaum ein größeres Problem, als an qualifiziertes Personal zu kommen. Sie nennen es den „skills gap“, die US-Regierung spricht vom Fachkräftemangel und eigentlich jeder Deutsche, der ein wenig Zeit in den Vereinigten Staaten verbringt, wünscht diesem Land vor allem ein besseres Ausbildungssystem. Qualifikation ist hier keine Selbstverständlichkeit. Konzerne aus Deutschland, die in den USA investieren, gehen deshalb eigene Wege und schulen ihren Nachwuchs selbst – nach deutschen Standards. In dieser Woche hat erstmals eine in den USA ausgebildete Mechatroniker-Klasse nach dreijähriger Lehrzeit zugleich mit ihrem US-Abschluss ein DIHK- Zertifikat erhalten.
Noch vor der eigentlichen Eröffnung seiner neuen Passat-Fabrik in Chattanooga, Tennessee, im Jahr 2011 hatte der VW-Konzern Ausbildungsplätze für Mechatroniker ausgeschrieben. Zwölf haben jetzt ihren Abschluss gemacht. Bei der Abschlussfeier, zu der VW auch den Tagesspiegel eingeladen hatte, lobten die Vertreterin der deutsch-amerikanischen Handelskammer, Martina Stellmaszek, und der Gouverneur von Tennessee, Bill Haslam, das Ausbildungsprogramm als wegweisend. Er sei hier, weil „es eine unserer höchsten Prioritäten ist, den skills gap zu schließen“, sagte der Gouverneur.
Deutsche Investitionen in den USA machen nach Angaben der deutschen Botschaft in Washington 8,6 Prozent der ausländischen Gesamtinvestitionen aus, mehr als 3400 deutsche Firmen haben hier einen Standort aufgebaut und dabei etwa 600 000 Arbeitsplätze geschaffen. Aber sie alle, berichtet der Leiter der Wirtschaftsabteilung der deutschen Botschaft, Peter Fischer, nennen immer ein zentrales Problem: „Was die Amerikaner ausbilden, ist unzureichend.“ VW hat das Problem auf seine Weise gelöst und ein eigenes Ausbildungszentrum geschaffen, in dem sie die Lehrlinge nach dem deutschen dualen System in Zusammenarbeit mit einem lokalen College ausbilden. Siemens oder Wacker Chemie gehen ähnlich vor. Mindestens 20 Unternehmen, schätzt die Botschaft, haben es inzwischen aufgegeben, auf Nachwuchs von den normalen amerikanischen Colleges zu setzen. Praxis steht dort nicht auf dem Stundenplan. In Charlotte, North Carolina, ist in Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen ein Ausbildungszentrum entstanden. Ganz in der Nähe unterhält BMW seine US-Fertigung.
Im September soll ein ähnlicher Ausbildungsschwerpunkt wie in Charlotte mit Firmen aus dem Automobilzuliefererbereich in Montana an den Start gehen. Und die deutsche Botschaft unterstützt Unternehmen bei der Suche nach qualifiziertem Personal mit einer Initiative, um ebensolche Projekte zu fördern. „Die Skills Initiative der Botschaft stößt auf eine rege Nachfrage“, zieht Fischer eine erste Zwischenbilanz des im Mai 2012 gestarteten Projekts, „wir arbeiten inzwischen mit mehr als zehn Bundesstaaten zusammen“.
Der Mangel an Fachkräften ist übrigens kein spezielles Problem der deutschen Wirtschaft. Auch US-Präsident Barack Obama hat sich den Wiederaufbau des Produktionsstandortes USA auf die Fahnen geschrieben, ein Maßnahmenpaket dazu auf den Weg gebracht und in seiner Rede zur Lage der Nation im Februar 2013 explizit das deutsche duale Ausbildungssystem gelobt. VW übrigens hat reichlich Bedarf in Chattanooga: In den nächsten Monaten wird entschieden, ob in dem Werk eine neue Geländelimousine mit Hybridantrieb für den nordamerikanischen Markt gebaut wird.