Ausbeuter-Vorwürfe: Amazon zeigt Demut
Nach einem Fernsehbericht schasst Amazon auch eine Leiharbeitsfirma. Diese ist sich keiner Schuld bewusst. Die Versandhandelsbranche fürchtet um ihren Ruf.
Beim Onlinehändler Amazon gibt man sich zerknirscht. „Es ist uns eindeutig nicht gelungen, die Einhaltung unserer hohen Standards auch durch den Dienstleister, der für Unterbringung, Transport und den Einsatz der Sicherheitskräfte verantwortlich war, zu gewährleisten“, teilte der Konzern mit. Man beende deshalb die Zusammenarbeit mit der Leiharbeitsfirma, die Arbeiter im Weihnachtsgeschäft im Feriendomizil Seepark im hessischen Kirchheim untergebracht hatte.
„Amazon ist verantwortlich dafür, dass alle Beschäftigten unserer Logistikzentren jederzeit sicher sind und mit Respekt und Würde behandelt werden“, heißt es in der dürren Pressemitteilung. Nach einer umstrittenen Sicherheitsfirma trennt sich Amazon zum zweiten Mal binnen Tagen von einem Dienstleister, nachdem ein Fernsehbericht in der ARD nahegelegt hatte, dass Saisonkräfte beim US-Konzern schikaniert und gegängelt wurden. Die geschasste Leiharbeitsfirma Trenkwalder wies Vorwürfe zurück, sie habe Arbeiter schlecht behandelt. Das Unternehmen sei inzwischen einer behördlichen Sonderprüfung unterzogen worden, teilte Trenkwalder mit. Weder Zoll noch Bundesagentur für Arbeit hätten etwas zu beanstanden gehabt. Alle an Amazon verliehenen Arbeiter hätten „mindestens den gültigen Tariflohn“ erhalten.
Die für das Logistikzentrum in Bad Hersfeld zuständige Arbeitsagentur sieht sich von den Amazon-Verantwortlichen getäuscht. Insgesamt 68 Saisonarbeitskräfte aus Spanien seien an Amazon vermittelt worden. Man sei stets davon ausgegangen, dass diese bei Amazon direkt eingestellt würden, teilte die Agentur Bad Hersfeld–Fulda mit. Wie die Beschäftigten selbst habe auch die Arbeitsverwaltung erst zwei Tage vor Dienstantritt erfahren, dass eine Zeitarbeitsfirma zwischengeschaltet werden sollte. „Amazon wollte die Leute nicht einstellen“, sagte Agenturchef Waldemar Dombrowski der Nachrichtenagentur dpa.
Gegen geltendes Recht hat Amazon damit offenbar nicht verstoßen. Die Spanier seien in korrekte Beschäftigungsverhältnisse bei der Zeitarbeitsfirma vermittelt worden und hätten diese Verträge auch freiwillig abgeschlossen, hieß es bei der Arbeitsagentur. Beschwerden wegen der in der Reportage kritisierten Unterbringung seien nicht an die Agentur herangetragen worden.
Ob Amazon seit der Ausstrahlung des Fernsehbeitrags Umsatzeinbußen hinnehmen muss, war nicht zu erfahren. Amazon ließ entsprechende Anfragen zunächst unbeantwortet. Für die Versandhandelsbranche ist die Berichterstattung gleichwohl ein Desaster. Das Gebaren von Amazon entspreche „ganz und gar nicht den Gepflogenheiten des Interaktiven Handels“, sagte Christin Schmidt, Sprecherin des Versandhandelsverbandes BVH dem Tagesspiegel. „Was bei Amazon passiert, ist nicht nur nicht typisch, es kann der gesamten Branche schaden.“ Leiharbeit im großen Stil, wie Amazon sie nutze, sei nicht üblich. „Es gibt andere Möglichkeiten, um die saisonalen Schwankungen im Geschäft abzufangen.“ Als Beispiel nannte sie Arbeitszeitkonten, die es ermöglichen, im Sommer weniger und im Weihnachtsgeschäft entsprechend mehr zu arbeiten. Sie hätten sich inzwischen etabliert.