Equal Pay Day und das Entgeltgleichheitsgesetz: Allparteienfront für Frauen
Die Wirtschaft will kein Gesetz gegen ungleiche Bezahlung, wie es Familienministerin Manuela Schwesig ankündigt. Doch den Unternehmen fehlen politische Verbündete, denn fast alle sind für gleiche Bezahlung.
Das Thema ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen hat in diesem Jahr sogar Menschen beschäftigt, die sich sonst wenig für Politik und Wirtschaft oder feministische Thesen interessieren. Die Schauspielerin Patricia Arquette provozierte ein weltweites Echo, als sie Ende Februar die Oscar-Verleihung zu einem emotionalen Appell für Frauenrechte in den USA nutzte.
Hierzulande ist solche effektvolle Unterstützung aus dem Showbusiness für den Kampf gegen die Ungleichheit gar nicht nötig: Zum Entsetzen der Wirtschaft wollen die Parteien im Bundestag den Unternehmen mit gesetzlichen Bestimmungen vorschreiben, wie sie Männer und Frauen zu bezahlen haben. Das machten Rednerinnen und Redner aller Fraktionen sowie Sozial- und Frauenverbände am Freitag anlässlich des „Equal Pay Day“ deutlich. Der Aktionstag wird in Deutschland am 20. März begangen: Wegen der 22-prozentigen Lohnlücke müssen Frauen bis zu diesem Tag arbeiten, um auf das gleiche Jahreseinkommen wie die Männer zu kommen.
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) bekräftigte bei der zentralen Kundgebung zum „Equal Pay Day“ am Brandenburger Tor ihren Plan, noch in diesem Jahr ein Gesetz zur gleichen Bezahlung von Frauen und Männern vorzulegen. „Wir müssen Lohnungleichheit sichtbar machen“, sagte sie. Wirtschaftsverbände warnen dagegen vor neuen bürokratischen Belastungen durch das von Schwesig geplante „Entgeltgleichheitsgesetz“. Und obwohl der Wirtschaftsflügel der Union murrt und bremst, steht auch die Spitze der Unionsfraktion zu dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben. Die Grünen und die Linkspartei verlangen sogar noch weitergehende Schritte, etwa ein Klagerecht für Verbände, wie sie in der Debatte im Bundestag deutlich machten. Dass die Politik nun eingreift, begrüßen die Oppositionsparteien ausdrücklich.
Schwesig will ein Auskunftsrecht einführen, um Lohnstrukturen transparent zu machen. Damit soll nicht die Bezahlung eines Kollegen abfragbar werden, aber die Kriterien bei der Einstufung von Männern und Frauen gleicher Qualifikation und Tätigkeit. Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Beschäftigten sollen künftig offenlegen, was sie zur Sicherung der Lohngerechtigkeit tun.
"Frauen arbeiten weniger"
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hält dagegen. „Alle Tarifverträge gewährleisten eine diskriminierungsfreie Entlohnung nach Qualifikation und Leistung“, argumentiert der BDA. Die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern würden alleine aus der Tatsache resultieren, dass Frauen allgemein weniger und mehr in Teilzeit arbeiten. „Bei deutlich geringerer Arbeitszeit sind gleiche Karriere- und Verdienstchancen wenig realistisch“, sagen die Arbeitgeber. Außerdem würden sich Frauen für Jobs entscheiden, die schlechter bezahlt werden. Man könne nicht die Arbeitgeber mit mehr Bürokratie bestrafen, wenn Frauen weniger verdienen wollen. „Wir brauchen in erster Linie mehr Ganztagskitas und Ganztagsschulen“, heißt es bei der BDA.
Auch die Wirtschaft in Berlin und Brandenburg warnt davor, die Unternehmen mit noch mehr Bürokratie zu belasten. „Das geplante Entgeltgleichheitsgesetz würde für die Betriebe enorme Kosten bedeuten – ohne an der unterschiedlichen Bezahlung von Frauen und Männern wirklich etwas zu ändern“, sagte Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). „Ein solches Gesetz wäre reine Symbolpolitik und ginge vollkommen an der Realität vorbei.“ Der Lohnunterschied von 22 Prozent, den das Statistische Bundesamt berechnet habe, gehe nicht auf Diskriminierung durch Arbeitgeber zurück, argumentiert Amsinck. Frauen würden sich vielmehr häufiger als Männer für Berufe und Branchen mit geringerer Bezahlung entscheiden. Sie arbeiteten häufiger in Teilzeit und würden für die Familie Auszeiten nehmen.
"Nicht nur ungerecht, sondern ein Unrecht"
Familienministerin Schwesig lässt sich durch solche Argumente nicht beeindrucken. „Nur weil die Lohnlücke zu erklären ist, ist sie noch lange nicht gerecht“, erklärte sie am Freitag und fügte hinzu: „Es bringt uns nicht weiter, diese 22 Prozent klein zu rechnen.“ Wenn Frauen trotz gleicher Tätigkeit und Qualifikation weniger verdienten als ihre männlichen Kollegen sei das „nicht nur ungerecht“, sondern es sei „Unrecht“. Auf die Bedenken der Wirtschaft ging die SPD-Politikerin insofern ein, als sie versicherte, sie wolle für mehr Lohngerechtigkeit sorgen, „ohne die Tarifautonomie zu beschneiden oder ein Bürokratiemonster zu erschaffen“. Der Widerstand des Wirtschaftsflügels der Union wird das Gesetz sicherlich nicht stoppen. Doch die Familienministerin muss sich auf kritische Nachfragen einstellen: Die Union wird sehr genau darauf achten, dass sich in ihrem Gesetzentwurf die Belastung für die Wirtschaft in Grenzen hält.