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Plagiarius 2012: Alles nur geklaut

Plagiate verursachen einen Schaden von bis zu einer Billion Dollar. Auch Deutsche kupfern gerne ab.

Auf den ersten Blick ist der Unterschied zwischen den beiden Felgen nicht zu erkennen. Dabei könnte er größer nicht sein: Die Leichtbau-Schmiedefelge der AC Schnitzer Automobile aus Aachen ist ein Original, die andere ein Plagiat. Die Rimlux GmbH aus Essen kopierte die Felge und verkaufte sie zu einem Bruchteil des Preises des Originals. Das ist nicht nur dreist, sondern auch gefährlich. Denn die Qualität der Rimlux-Felgen war so schlecht, dass die Sicherheit der damit ausgestatteten Fahrzeuge nicht mehr gewährleistet war. „TÜV-Tests haben gezeigt, dass die gefälschten Felgen bereits nach kurzer Zeit Risse aufwiesen und somit ein nicht zu kalkulierendes Sicherheitsrisiko darstellen“, sagt der Ulmer Design-Professor Rido Busse. Dessen Aktion Plagiarius „ehrt“ alljährlich am Rande der Konsumgütermesse Ambiente die dreistesten Nachahmer-Produkte mit einem Negativ-Preis, dem Zwerg mit der goldenen Nase. Zwar kommt die Mehrzahl der Fälscher nach wie vor aus China, aber in diesem Jahr zählen auch Firmen aus Deutschland zu den Preisträgern.

Die meisten Fälschungen stammen aus China, wie diese Kopie eines japanischen 3D-Spiels.
Die meisten Fälschungen stammen aus China, wie diese Kopie eines japanischen 3D-Spiels.
© promo

Dreist geklaut hat auch die Hukla Matratzen GmbH aus dem badischen Gengenbach. Sie kopierte eine hochwertige Matratze der Düsseldorfer Panther GmbH. Andere Wege gingen diverse Vertriebsfirmen aus Deutschland. Sie vergaben den Auftrag für Plagiate einfach an Firmen in China, etwa für einen innovativen Tischventilator des Original-Herstellers Dyson, dessen Entwicklung mehrere Millionen Euro verschlungen hat.

Selbst vor ungewöhnlichen Produkten schrecken die Plagiatoren nicht zurück. Ein Preis ging diesmal auch an einen Hersteller aus China, der ein Nebelgerät zur Moskito- und Schädlingsbekämpfung der Swingtec GmbH aus Isny im Allgäu nachbaute. Das Gerät wird in 120 Ländern verkauft, das Original für 800 Euro, das technisch schlechte und auch gefährliche Plagiat aber nur für 200 Euro. Die finanziellen Einbußen für die Original-Hersteller sind in vielen Fällen enorm, bei Mittelständlern können sie existenzgefährdend sein. „Die Fälscher handeln rein profitorientiert", sagte Busse.

Die Schätzungen über den Schaden durch Plagiate schwanken zwischen 600 Milliarden und einer Billion Dollar pro Jahr. Allein die deutschen Maschinenbauer beziffern die Einbußen auf jährlich 6,4 Milliarden Euro. 2010 hat der Zoll an den EU-Außengrenzen mehr als 100 Millionen Plagiate im Wert von über einer Milliarde Euro beschlagnahmt. 85 Prozent davon stammten aus China. „Indien liegt an der Spitze bei gefälschten Medikamenten, die Türkei bei Lebensmitteln und Getränken.“ Bei diesen Zahlen sind Plagiate aus der EU noch nicht enthalten, sagte Busse.

Abgekupfert. Auch deutsche Unternehmen bringen Plagiate auf den Markt. Die Firma Rimlux etwa kopierte Felgen und bekam dafür den „Plagiarius“.
Abgekupfert. Auch deutsche Unternehmen bringen Plagiate auf den Markt. Die Firma Rimlux etwa kopierte Felgen und bekam dafür den „Plagiarius“.
© dpa

Die Plagiate sorgten nicht nur für einen großen Schaden. Die Nachahmer setzten ohne Skrupel auch die Gesundheit der Verbraucher aufs Spiel. Die tragen nach Ansicht von Busse eine Mitverantwortung, indem sie immer auf der Jagd nach Schnäppchen seien. „Sie wollen Original-Label, technische Highlights und schönes Design, sind aber nicht bereit, den Preis dafür zu zahlen.“ Das koste nicht nur hierzulande Arbeitsplätze, sondern forciere auch Kinderarbeit in anderen Ländern und fördere oft organisierte Kriminalität.

Produktplagiatoren nutzen für den Vertrieb ihrer Kopien immer stärker das Internet. Dort ist die Zahl der beschlagnahmten Plagiate zuletzt um das Dreifache gestiegen, sagt Busse. Nach wie vor werde dieser Entwicklung von der Politik und der Rechtsprechung viel zu wenig Aufmerksam geschenkt. Die Täter kämen oft mit geringen Geldstrafen davon, die weit unter den durch die Plagiate erzielten Einnahmen lägen, sagte Busse. Die mögliche Höchststrafe von fünf Jahren Gefängnis werde viel zu selten ausgesprochen.

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