Wirtschaft: Alles im Fluss
Besitzer von Hausbooten bewegen sich in Berlin auf schwankendem Boden – Liegeplätze sind noch rar
Das Wasser plätschert gegen die Planken, irgendwo schnattert eine Ente: Viele Hausbootbewohner schätzen besonders die Nähe zur Natur. Seit einigen Jahren gibt es in deutschen Großstädten wie Hamburg oder Berlin und auch in ländlichen Gegenden wie in Brandenburg Bestrebungen, sogenannte Floating Homes einzurichten. Während es sich bei Hausbooten meist um umgebaute oder ausrangierte Schiffe handelt, sind Floating Homes komfortable Häuser, die auf einem schwimmenden Untergrund gebaut werden.
Noch ist der Markt für Hausboote in Deutschland überschaubar: Vor einigen Jahren beschloss man in Hamburg, 75 Liegeplätze für Hausboote freizugeben und nach und nach zu erschließen. Das Vorzeigeobjekt sind zehn schwimmende Häuser am Elbekanal. Sie wurden von unterschiedlichen Architekten entworfen und sehen dementsprechend vielfältig aus.
In Bremen gibt es bislang noch keine bewohnten Boote, aber in der mittelfristigen Stadtentwicklungsplanung könnten sie auch eine Rolle spielen. „Wohnboote sind in einer Stadt mit begrenzter Fläche wie Bremen eine gute Möglichkeit, exklusive Domizile zu schaffen“, sagt Andreas Jordan vom Verein Öko-Stadt Bremen.
Er kann sich sogar vorstellen, einen schwimmenden Stadtteil mit 100 bis 150 Stellplätzen zu schaffen – etwa an der sogenannten kleinen Weser, wo es keinen Unterschied zwischen Ebbe und Flut gibt. Bei einer gewissen Vereinheitlichung der Bauweise können laut Jordan die schwimmenden Häuser auch preiswert angeboten werden. Ein 100 Quadratmeter großes Wohnschiff gäbe es dann schon für rund 150 000 Euro. Die meisten von Architekten entworfenen Häuser, etwa in Hamburg, kosten mehr als das Doppelte.
Hausboote sind eine kulturelle Bereicherung – die etwa in den für ihre Wasser-Behausungen bekannten Niederlanden auch Touristen anlocken. Das möchte man auch in der Lausitz zwischen Berlin und Dresden haben – und so sind dort bereits riesige Brachflächen, die der stillgelegte Braunkohletagebau zurückgelassen hat, in den vergangenen zehn Jahren geflutet worden. Nach abgeschlossener Flutung werden es eines Tages rund 14 000 Hektar Wasserlandschaft sein.
Touristen versucht man jetzt schon mit schwimmender Architektur zu beeindrucken. Im Moment gibt es vier Häuser auf dem Wasser. Eines davon ist eine Tauchschule, die anderen sind Ferienunterkünfte. „Wir wollten, dass die Uferzone frei bleibt“, erklärt Michael Feiler, der ehemalige Experte für Schwimmende Architektur bei der Internationalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land. Deshalb sind die Hausboote über meterlange Stege erreichbar.
Auf dem Geierswalder See, zwischen Sachsen und Brandenburg gelegen, sollen demnächst 20 weitere schwimmende Häuser zum Wohnen und Arbeiten entstehen. Auch das erste manövrierfähige Wohnhaus soll in diesem Jahr zu Wasser gelassen werden. Das Boot mit einer Grundfläche von 75 Quadratmetern soll sich, elektrisch angetrieben, auf den schiffbaren Kanälen zwischen den gefluteten Seen vorwärtsbewegen können.
Für Bauten auf dem Wasser gilt in der Regel nicht das übliche Baurecht. Dennoch kommt trotz einiger Vorhaben in mehreren Bundesländern und großer Nachfrage die Erschließung der deutschen Gewässer für Wohnraum langsam voran. Denn wegen der fehlenden Richtlinien dauern Genehmigungen durch die Behörden unter Umständen sehr lange, wie Feiler weiß.
Außerdem kann das Wassergrundstück, auf dem das Haus schwimmt, in der Regel nur gepachtet werden. Das kann zum Problem werden, wenn die Eigentümer plötzlich andere Interessen verfolgen. So erging es zuletzt zwölf Hausbootbesitzern, deren Schiffe am Treptower Park in Berlin liegen. Ihre Nutzungsvereinbarung wurde nicht verlängert, nun suchen sie neue Liegeplätze. Doch die sind rar in der Hauptstadt. Gerade einmal 25 Liegeplätze sind beim Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Berlin registriert. Ungefähr doppelt so viele nichtregistrierte Hausboote gibt es in der Stadt. Immerhin hatte sich die rot-rote Landesregierung laut Koalitionsvereinbarung für die Legislaturperiode 2006–2011 dieses vorgenommen: „Für die Nutzung von Gewässern und Liegeflächen auf Wasserflächen zu Wohn- und Wochenendzwecken durch Hausboote, umgewandelte Gewerbeschiffe und Großsportboote wird die Koalition eindeutige Regelungen schaffen.“
„Die Nachfrage nach Hausbootplätzen war gerade 2010 erheblich größer als das Angebot“, sagt Gerrit Riemer vom WSA Berlin. Pläne für eine Wassersiedlung in der Rummelsburger Bucht liegen zwar schon seit Jahren vor, aber ob sie jemals umgesetzt werden, sei ungewiss.
Für die Landeswasserstraßen sind die örtlichen Behörden zuständig. „Wer einen Liegeplatz sucht, kann diesen bei uns beantragen“, erklärt Riemer. Die Nutzung der Zufahrtswege und eventuelle Verpachtung hat der zukünftige Hausbootbewohner mit den Besitzern selbst zu klären. Auch der Anschluss an Strom- und Wasserversorgung sowie Müllabfuhr und Postzustellung müssen geregelt sein. An das Schifffahrtsamt zahlt der Bootseigner eine Pacht für das Wegerecht. In Berlin sind das im Moment außerstädtisch 1,02 Euro pro Quadratmeter Bootsfläche, in zentraler Lage 1,53 Euro. Neben den üblichen Versicherungen für Immobilien sollte für Floating Homes eine Havarieversicherung abgeschlossen werden. Denn auch wenn diese nicht manövrierfähig sind, müssen sie gegen Unfälle mit anderen Wasserverkehrsteilnehmern abgesichert sein. Egal ob neu oder gebraucht: Für jedes Hausboot wird zudem ein Schwimmfähigkeitszeugnis benötigt. Dieser „Schwimm-TÜV“ ist bei Neubauten meist alle zehn Jahre zu erneuern.
Unterm Strich ist daher ein schwimmendes Haus ein ganzes Stück teurer als ein vergleichbares Objekt an Land – aber dafür plätschern ja auch nur hier die Wellen gegen die Wände. (dpa/Tsp)
Cornelia Wolter
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