Tricksereien und Verbrechen: Airbnb will alle seine sieben Millionen Unterkünfte überprüfen
Der Wohnungsvermittler investiert in den Kundenschutz. Das kostet das Unternehmen eine Menge Geld. Und auch das Coronavirus könnte die Bilanz weiter trüben.
Waffengewalt ist in Nordamerika zum traurigen Alltag geworden. Erst vor zwei Wochen hatte es im kanadischen Toronto wieder eine Schießerei auf einer Hausparty gegeben, bei der drei Männer ums Leben kamen. Warum aber ausgerechnet diese Tat so in den Schlagzeilen stand? Sie soll sich in einer Wohnung zugetragen haben, die zuvor über Airbnb vermietet worden war.
Es sind Fälle wie dieser, die das Image des privaten Wohnungsvermittlers belasten. Deshalb hat das Unternehmen in den vergangenen Monaten kräftig in die Sicherheit seines Angebots investiert. Ausgerechnet diese Bemühungen könnten Airbnb nun in die Verlustzone gebracht haben. Wie das „Wall Street Journal“ in dieser Woche berichtete, soll das Unternehmen allen voran wegen gestiegener Kosten in die roten Zahlen gerutscht sein.
In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres machte Airbnb offenbar ein Minus von 322 Millionen Dollar. Im Vorjahreszeitraum konnte Airbnb noch einen Gewinn von fast 200 Millionen Dollar verbuchen, wie ein Insider der US-Zeitung verriet.
Erst im Dezember hatte Airbnb angekündigt, weitere 150 Millionen Dollar in die Sicherheit seiner Plattform zu stecken. Bis Jahresende will das Unternehmen nun alle seine weltweit sieben Millionen Unterkünfte überprüfen. In einigen Ländern kontrolliert bereits eine Software Adressen und Fotos auf Plausibilität.
Eine Software hilft beim Aufspüren
Davon erhofft sich Airbnb, nicht nur Kriminalität in den Unterkünften zu verhindern. Auch Betrüger, die etwa falsche Versprechen zur Wohnung machen, will das Unternehmen aufspüren. Bei besonders großen Ungereimtheiten sollen Mitarbeiter zunehmend manuell nachforschen. Und Wohnungen, die wiederholt für eskalierende Partys genutzt werden, will das Unternehmen ganz verbannen.
Laut Airbnb sei es zwischen August 2018 und Juli 2019 bei einer von 2000 Vermietungen zu sicherheitsrelevanten Problemen gekommen. „Obwohl diese Ereignisse selten sind, müssen wir die Vorfälle weiterhin analysieren und nach neuen Wegen suchen, um zukünftige Ereignisse so weit wie möglich zu verhindern“, heißt es in einer Stellungnahme.
Börsengang könnte verschoben werden
Doch nicht nur die Kosten für mehr Sicherheit, auch das Coronavirus könnte die Bilanz weiter trüben. So berichtete ein Insider dem „Wall Street Journal“, dass das China-Geschäft um ganze 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen sei. Derzeit kommen kaum Touristen nach China, in den am stärksten betroffenen Städten sei die Weitervermietung sogar untersagt.
Airbnb dürfte das hart treffen. Schließlich gilt das Reich der Mitte als einer der stärksten Wachstumstreiber. Beobachter spekulieren, dass der Konzern deshalb auch mit einem Börsengang warten könnte. Ursprünglich hatte Airbnb angekündigt, noch in diesem Jahr Anteilsscheine ausgeben zu wollen. Ohne Börsengang bleibt Airbnb eine der größten Privatfirmen in den USA. Geldgeber bezifferten den Unternehmenswert in der jüngsten Investitionsrunde auf mehr als 30 Milliarden Dollar.
Städte bereitet Airbnb Kopfzerbrechen
Grund zur Sorge hat Airbnb aber nicht. Das Kerngeschäft lief zuletzt prächtig. So soll das Unternehmen im dritten Quartal seinen Umsatz auf fast 1,7 Milliarden Dollar gesteigert haben – von 400 Millionen Dollar im Vorjahreszeitraum. Über die Weihnachtsferien buchten 10,4 Millionen Reisende weltweit Unterkünfte über Airbnb. Verglichen mit der Weihnachtszeit in 2018 ist das ein Anstieg um mehr als zwei Millionen Kunden.
Manchen Städten bereitet dieser Trend Kopfzerbrechen: Werden Wohnungen immer häufiger und dauerhaft über Airbnb vermietet, könnten sie dem regulären Mietmarkt fehlen. Und der ist vielerorts ohnehin schon angespannt. Im Sommer 2018 hatte der Berliner Senat deshalb ein Zweckentfremdungsverbot für Wohnungen eingeführt. Seitdem müssen sich Airbnb-Vermieter bei der zuständigen Bezirksverwaltung registrieren und bekommen eine Kennnummer zugewiesen, die sie in ihren Inseraten angeben müssen.
Deutscher Städtetag fordert Anzeigepflicht für Wohnungsbesitzer
Wer mehr als die Hälfte seiner Hauptwohnung oder seine Zweitwohnung kurzfristig vermieten will, braucht darüber hinaus eine Genehmigung. Und die kostet mindestens 100 Euro. Der Deutsche Städtetag hält die Sharing-Idee zwar grundsätzlich für gut – insbesondere dann, wenn Leerstand verhindert werden kann.
„Problematisch wird es aber, wenn durch gewerbeähnliche Kurzzeitvermietungen über Portale dauerhaft Wohnungen vom Markt genommen werden“, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Neben einer Anzeigepflicht für Wohnungsbesitzer fordert der Deutsche Städtetag deshalb auch schärfere Auskunftspflichten für die Plattformbetreiber. Bisher würden manche nämlich Angaben zu Wohnungsbesitzern verweigern.
Airbnb will Vorwürfe mit Studie entkräften
Airbnb sieht sich jedoch nicht in der Rolle des Mietentreibers. Um die Vorwürfe zu entkräften, hat das Unternehmen das Berliner Marktforschungsinstitut „Empirica“ im vergangenen Sommer mit einer Studie beauftragt. Das Ergebnis: Zwar hätten Vermieter in Berlin fast1700 Wohnungen mindestens 180 Tage pro Jahr über Airbnb angeboten. Das entspreche aber nur einem Prozent des erforderlichen Wohnungsneubaus in der Hauptstadt. In Städten wie Dortmund, Hamburg oder München sei die Quote noch geringer.
Das Image des reinen Wohnungsvermittlers möchte Airbnb ohnehin ablegen. Seit knapp drei Jahren vermittelt das Unternehmen auch Erlebnisse vor Ort. Restaurantbesitzer bieten etwa Kochkurse mit lokalen Spezialitäten an, Bauern organisieren Wandertouren mit ihren Tieren. Allein über das vergangene Jahr hinweg hat Airbnb das Angebot von Erlebnissen in seinen wichtigsten Märkten fast verdoppelt, an manchen Orten habe sich die Nachfrage nach eigenen Angaben verdreifacht.
Unterstützung kommt aus dem Disneyland
Damit der Trend anhält, hat der Konzern vor wenigen Wochen eine erfahrene Expertin an die Spitze der Erlebnissparte gesetzt: Catherine Powell. Die Managerin hatte es zuletzt nur mit zweifelsfrei märchenhaften Unterkünften zu tun. Sie war Chefin über zahlreiche „Disneyland“-Freizeitparks.
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