Geschäftsjahr 2014: Air Berlin mit Rekordverlust
Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft kommt nicht aus den roten Zahlen. Nach vorläufigen Daten weitete sie ihren Verlust 2014 deutlich aus. Doch 2015 soll die Wende bringen.
„Sicherheit ist die Grundlage unseres Geschäftsmodells“, sagte Air Berlin-Chef Stefan Pichler am Freitag. „Der Flugbetrieb ist kein Wettbewerbsfaktor.“ Wenn das Wohlergehen der eigenen Mitarbeiter und Passagiere auf dem Spiel stünden, nehme Air Berlin „keine Abkürzungen oder Umwege“. Eigentlich sollte es um die nüchternen – und miserablen – Geschäftszahlen der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft gehen. Doch die dramatischen Ereignisse beim Wettbewerber Germanwings konnte Pichler doch nicht unkommentiert lassen. Von einer „Tragödie“ sprach der Air Berlin- Chef auf einer Telefonkonferenz. Diese werde die Menschen freilich nicht dauerhaft vom Fliegen abhalten. „Reisen bleibt ein Wachstumsmarkt.“
Davon will auch Air Berlin profitieren, davon muss die Fluggesellschaft profitieren. Denn Air Berlin ist im vergangenen Jahr noch tiefer in die roten Zahlen gerutscht. Und der Schuldenberg ist noch höher geworden. Das böse Wort von der „Insolvenz“ mochte der scheidende Finanzchef Ulf Hüttmeyer dennoch nicht in den Mund nehmen. Im Gegenteil wies er entsprechende Szenarien scharf zurück: Nach deutschen Rechnungslegungsvorschriften gehe es Air Berlin besser als nach internationalem Recht. Alles also eine Frage der Darstellung?
Im Kerngeschäft warten viele Baustellen
Auch Hüttmeyer kam an den Zahlen nicht vorbei: Ende 2014 hatte Air Berlin 810 Millionen Euro Schulden, das waren 14 Millionen Euro mehr als ein Jahr zuvor. Das Eigenkapital liegt nach internationalen Bilanzierungsregeln bei minus 400 bis 450 Millionen Euro. Endgültige Zahlen kann Air Berlin erst im April nennen. Besser sähe es aus, wenn die Fluggesellschaft unmittelbar von den stark gesunkenen Kerosinpreisen profitieren würde. Doch weil man auf dem Terminmarkt schon früh deutlich höhere Preise vereinbart hat, wird sich der Effekt wohl erst in den kommenden Monaten zeigen. Allerdings frisst der starke Dollar die mögliche Ersparnis beim Treibstoff wieder auf.
Wirklich vorankommen muss Air Berlin im Kerngeschäft. Der seit Februar amtierende Konzernchef Pichler hat sich viel vorgenommen. „Die Zahlen lügen nicht“, sagte er mit Blick auf den größten Verlust in der Unternehmensgeschichte. „Wir haben einen langen Weg vor uns.“ Gleichwohl müssten die ersten strategischen Weichen kurzfristig gestellt werden, wenn Air Berlin sich nachhaltig erholen soll und – wie Pichler bekräftigte – 2016 schwarze Zahlen schreiben will. Management, Vertrieb und die Zielmärkte müssten „schnellstmöglich“ neu ausgerichtet werden.
Bereits am Donnerstagabend hatte Air Berlin mitgeteilt, man habe 2014 unterm Strich ein Minus von rund 362 bis etwa 387 Millionen Euro erzielt. Damit fiel rechnerisch pro Tag etwa eine Million Euro Verlust an. Der Umsatz des Konzerns lag fast unverändert zum Vorjahr bei 4,16 Milliarden Euro (2013: 4,15 Milliarden Euro).
Im kommenden Jahr sollen die Zahlen wieder schwarz sein
Als Grund für das große Minus nannte Pichler hohe Restrukturierungs- und Einmalaufwendungen. Operativ soll es 2015 besser laufen, allein für das erste Quartal stellte Pichler eine Verbesserung von 25 Millionen Euro in Aussicht. Vor Steuern und Zinsen (Ebit) soll das Ergebnis 2016 erstmals wieder im Plus liegen. Wann es auch unterm Strich schwarze Zahlen gibt, ließ Pichler offen. Zunächst wolle man alle Flugstrecken unter die Lupe nehmen und verlustträchtige streichen. „Wir können unsere Firma drehen“, gab sich Pichler optimistisch. Das von seinem Vorgänger Wolfgang Prock-Schauer aufgelegte Sparprogramm soll weiter umgesetzt werden. Pichler nimmt es aber derzeit noch einmal unter die Lupe, die vorgelegten Zahlen sind deshalb auch nur vorläufig.
Bis Mitte des Jahres will der Neue konkreter werden und bekanntgeben, welche Bereiche ausgelagert oder in Gemeinschaftsunternehmen eingebracht werden sollen. „Natürlich haben wir schon Vorstellungen“, sagte Pichler, der auch im Management aufräumen will. Mehr verriet er nicht. Erst müsse dies mit den Eignern – vor allem der arabischen Airline Etihad – und Aufsichtsräten abgestimmt werden. Etihad kaufte 2011 knapp 30 Prozent der Aktien und hält die Berliner seither mit Finanzspritzen in der Luft.
Fortschritte gemacht hat Air Berlin bei der Verbesserung der Kostenstruktur. „Die Kostenstory ist intakt“, sagte der langjährige Finanzchef Hüttmeyer, der am 1. April zu Etihad wechselt. Große Probleme hat die Airline aber bei der effizienten Auslastung der Flugzeuge und der Umsatzsteuerung. Hüttmeyer sprach hier von einer „toxischen Kombination“. Ein zentraler Bestandteil der Neuausrichtung ist deshalb der Vertrieb. Der Ausstieg aus dem Tourismusgeschäft – der „Kern-DNA“ wie Hüttmeyer sagte – ist keine Option.