Gläubigerversammlung in Neukölln: "Air Berlin hat mir meine Party zum 60. Geburtstag versaut"
Wer seine Tickets vor dem 15. August 2017 gekauft hat, geht leer aus, sagt der Insolvenzverwalter. Dagegen will Niki Lauda jetzt richtig durchstarten.
Frank-Uwe Schmieder aus Berlin-Lichtenberg ist nicht gut auf Air Berlin zu sprechen. „Air Berlin hat mir meine Party zum 60. Geburtstag versaut“, erzählt er. Das sei bereits vor zwei Jahren gewesen. Alle seine Gäste saßen damals in Prag, aber ihn flog Air Berlin nicht in die tschechische Hauptstadt. Stattdessen bot die inzwischen insolvente Airline viel zu späte Flüge über Düsseldorf oder München an. Den persönlichen finanziellen Schaden beziffert Schmieder zwar auf „nur 500 Euro“. Schwerer wiegt für ihn aber, dass seine Gäste vergebens angereist sind. Besonders geärgert habe ihn die schlechte Informationspolitik des Unternehmens.
200 Gläubiger treffen sich im Estrel
Schmieder ist einer von 200 Gläubigern, die am Mittwochmorgen den Weg in den Saal „Europa“ des Estrel Convention Centers in Berlin-Neukölln genommen haben. Es ist die erste Gläubigerversammlung, seitdem Air Berlin am 15. August Antrag auf vorläufige Insolvenz gestellt hat. Doch das Interesse hält sich in Grenzen. Die Kanzlei des Insolvenzverwalters Lucas Flöther hatte rund 1500 Anmeldungen registriert, es hätten theoretisch aber auch deutlich mehr sein können, denn eine Pflicht zur Anmeldung gab es nicht. Insgesamt wird die Zahl aller Gläubiger, die noch Ansprüche an die Airline haben, auf 700.000 bis eine Million geschätzt. Der überwiegende Teil davon sind Fluggäste, die ihren Flug nicht antreten konnten, da die Verbindung ausgefallen war. Allerdings war auch klar, dass viele für kleinere Beträge nicht den Weg nach Neukölln machen würden, um sich über Stunden in einem kargen Saal informieren zu lassen. Zudem dürften viele Gläubiger ihre Ansprüche inzwischen an Rechtsfirmem abgetreten haben, die sich – im Erfolgsfall gegen einen guten Anteil der Erstattungssumme – um die Angelegenheit kümmern.
Keine Entschädigung für Ticketkäufe vor dem 15. August 2017
Wer gekommen ist, musste sich denn auch eher Hiobsbotschaften anhören. All diejenigen, die ihre Tickets vor dem 15. August 2017 gekauft haben, werden nämlich leer ausgehen. Geschätzt geht es hier um 100.000 Flugscheine. Das Unternehmen sei ja noch nicht einmal in der Lage, den Kredit des Bundes über 150 Millionen Euro komplett zurückzuzahlen und der müsse vorrangig bedient werden, sagte Flöther. Voraussichtlich würden selbst vom Staatskredit nur 75 Millionen Euro beglichen. Anders sieht es bei den Tickets aus, die Air Berlin und ihre inzwischen ebenfalls insolvente Tochter Niki nach dem 15. August verkauft haben. Hier soll es Entschädigungen geben, heißt es auf der Internetseite des Insolvenzverwalters. Auf schnelle Lösungen kann man nicht hoffen. Es könne möglicherweise zehn Jahre dauern, bis das Insolvenzverfahren beendet sei, hieß es.
Nicht nur Reisende sind betroffen
Aber nicht nur Reisende sind betroffen. Für Michael Klein, Mitgeschäftsführer einer kleinen IT-Firma an der Motzener Straße in Berlin-Marienfelde, geht es um mehr als 10.000 Euro. Man habe Air Berlin eine Palette mit Flachbildschirmen und iPad-Hüllen geliefert und nie Geld oder Informationen erhalten. „Das ärgert mich, da es ein Leichtes gewesen wäre, uns die Ware zurückzugeben. Dann wäre der Schaden begrenzt. Der Betrag ist schon eine Belastung für unsere kleine Firma“, sagt Klein. Diese beschäftigt nur zwölf Personen. Man habe nicht gedacht, dass die milliardenschwere Air Berlin „quasi über Nacht“ pleite gehen könne.
Niki Lauda macht Mitarbeitern Mut
Doch genau das ist geschehen, nicht nur bei der Mutter, sondern auch bei der österreichischen Tochter Niki. Nach einigem Hin und Her steht jetzt fest, dass der einstige Firmengründer Niki Lauda die Airline übernimmt. Der Ex-Rennfahrer will Niki unter dem Namen Laudamotion mit 15 Maschinen auf dem Markt der Ferienflieger etablieren, der Start ist für Ende März angepeilt. Lauda stellte sich am Mittwoch auf einer Mitarbeiterveranstaltung am Flughafen Wien-Schwechat den Beschäftigten. Alle 1000 Mitarbeiter sollen eine Perspektive erhalten, versprach er. Eine Leiharbeitskonstruktion wie zu Zeiten, als Lauda schon mal Chef der Airline war, schloss er aus. Stattdessen soll es reguläre Anstellungsverträge geben.
Der Weg ist frei - auch rechtlich
Die juristischen Hürden des Deals scheinen genommen zu sein. Flöther, der in Deutschland auch die Niki-Insolvenz betreut, stellte am Amtsgericht Berlin-Charlottenburg einen Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens und zog zugleich seine Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof zurück, mit der er die Verlagerung des Hauptinsolvenzverfahrens von Deutschland nach Österreich verhindern wollte. Flöther hatte Niki an die British Airways-Mutter IAG verkaufen wollen, die österreichischen Gläubiger hatten sich aber für Lauda entschieden.
Für alles muss man bezahlen
An diesem Mittwochmorgen ist Flöther aber in Berlin – bei den Air-Berlin-Gläubigern wie Schmieder und Klein im überdimensionierten Saal des Estrel. Zum Glück habe man nicht das Olympiastadion gebucht, sagt die Sprecherin des Amtsgerichts Charlottenburg. Verpflegung zahlen Gericht und Insolvenzverwalter übrigens nicht, die Kosten der Veranstaltung werden aus der Insolvenzmasse beglichen. Im Saal „Europa“ steht daher nur ein Tisch, an dem Gläubiger Kaffee und Brezeln bekommen konnten – gegen Bargeld und Sofortkasse, versteht sich. Einen Saal weiter, bei einer Veranstaltung der Ergo-Versicherung, gibt es dagegen ein reichhaltiges Buffet.