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Wann fühlt sich ein Schwein wohl? Zehn Prozent mehr Platz und Stroh im Stall seien ein Anfang, findet der Tierschutzbund. Mehr aber nicht.
© picture alliance / dpa

Besiegelt: Agrarminister Schmidt stellt sein Tierwohllabel vor

Sternstunde eines Ministers: Christian Schmidt stellt sein neues Tierwohlsiegel für Schweine vor – und eine Kükenrettungsmaschine.

Von Maris Hubschmid

Das Siegel ist schon mal da. „Mein Siegel“, wie Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) an diesem Tag gleich mehrfach sagt. Als Überraschung ist der Programmpunkt angekündigt, der doch seit Wochen, wenn nicht Monaten erwartet wird: Schmidt zieht einen weißen Vorhang herunter, und dann prangt es da, sechseckig wie das erfolgreiche, 60 000 Produkte zierende Biosiegel von Renate Künast, schwarz auf weiß mit schwarz-rot-goldenem Streifen wie das Trikot der Weltmeistermannschaft, dazu ein Sternchen. Sternchen wie Christian, das hast du richtig gut gemacht?

Noch sind keine Kriterien festgelegt

An diesem Tag wird jemand den Minister fragen, welche die größten Errungenschaften seiner Amtszeit sind. „Eine sehen Sie jetzt hinter mir“, wird er sagen. Für immer mit seinem Namen verbunden soll dieses Label sein, und darum muss er sich beeilen, vor der Bundestagswahl. „Um Ostern rum“ möchte er Klarheit über die Grundstrukturen gewonnen, Kriterien festgelegt haben. Welche Bedingungen muss ein Betrieb erfüllen, um das Siegel verwenden zu dürfen? Wie soll ihre Einhaltung überprüft werden? Und wer finanziert das? Diese Fragen, entscheidende Fragen, können leider noch nicht beantwortet werden. Aber das Siegel ist schon mal da, das Siegel ist schön.

Für Landwirtschaftsminister Schmidt gehört das Tierwohl- Siegel zu den größten Verdiensten seiner Amtszeit.
Für Landwirtschaftsminister Schmidt gehört das Tierwohl- Siegel zu den größten Verdiensten seiner Amtszeit.
© Ralf Hirschberger/dpa

Und es ist gut, dass es das Siegel gibt. Finden auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV), der Bauernverband und der Tierschutzbund. Sie stehen dabei, als der Minister das Tuch herunterreißt, sie versichern: Sie wollen ihn gerne begleiten. Der Bauernverband verweist darauf, dass es ja bereits eine erfolgreiche, brancheninitiierte Tierwohlinitiative gibt, die eine tolle Grundlage liefert. Der Tierschutzbund betont, dass es ja bereits ein etabliertes, vom Bund initiiertes Tierschutzlabel gibt, das er als Blaupause betrachtet. Das zweistufig ist, so wie Schmidts Label zweistufig sein soll, das erklärt den Stern: Ein Stern – hier wurden „höhere als die ohnehin schon hohen gesetzlichen Standards eingehalten“, erläutert Schmidt, zwei Sterne – eine Art Premium-Kennzeichnung für noch bessere Ställe. Bislang werden lediglich zwei Prozent des in Deutschland produzierten Fleisches oberhalb der gesetzlichen Mindestanforderungen erzeugt, weiß VZBV-Vorstand Klaus Müller. Es gebe eine Nachfrage in Höhe von 20 Prozent.

2018 oder 2019 soll das Siegel kommen

Heißt aber auch: 80 Prozent werden selbst, wenn das Potential voll ausgeschöpft wird, weiter nach dem Status Quo gehalten, gemästet, geschlachtet. Man werde deshalb nicht aufhören, gesetzgeberische Maßnahmen zu fordern, kündigte Tierschutzbundpräsident Thomas Schröder an. Das Siegel soll schließlich auf Freiwilligenbasis eingeführt werden, 2018 oder 2019.

In etwa: Mit viel gutem Willen vielleicht ein Stern für den Minister, zwei auf keinen Fall, wird doch deutlich, dass er naheliegende Akteure stärker hätte einbeziehen müssen. So zeigt man sich wenige Stunden zuvor bei der Initiative Tierwohl, die vom Handel finanziert wird, ehrlich ratlos, inwieweit das staatliche Siegel das eigene Programm überflüssig machen wird. „In dieser ganzen wilden Diskussion weiß keiner irgendwas Genaues“, sagt schließlich Geschäftsführer Alexander Hinrichs. Sie verfolgten deshalb weiter unabhängig ihre eigenen Ziele, erhöhen die Abgabe der Händler in den Fördertopf von vier Cent pro verkauftem Kilo Schweine- und Geflügelfleisch auf 6,25, 2400 Betriebe sind schon dabei, noch 2100 sind auf der Warteliste.

Schluss mit dem Kükentöten

Schmidt indes hat noch eine Errungenschaft für die Grüne Woche aufbewahrt. „Zwei bis drei Jahre harter Arbeit“ stecken in der Maschine, die schon im Ei das Geschlecht des Kükens erkennt und so verhindern soll, dass jährlich Millionen männlicher Küken geschreddert oder vergast werden, weil sie niemals Eier legen werden. Ein CO2-Laser sägt ein feines Loch in die Kalkschale, durchleuchtet die Blutgefäße und klebt das Schalenstück zurück auf die Kuppe. Es gibt Einwände, wonach Keime in das Ei gelangen können oder die Embryos an der Kuppe festkleben und qualvoll ersticken. „Völliger Schwachsinn“, sagt Maria-Elisabeth Krautwald- Junghanns von der Universität Leipzig, die das System entwickelt hat.

Wann das Kükentötungsverbot kommt? „Das ist ja das Gute an dem Gerät: Ich muss nichts mehr verbieten!“, ruft Schmidt. „ Kein Tier darf ohne vernünftigen Grund getötet werden“, bestimmt das Gesetz. „Jetzt gibt es keinen vernünftigen Grund mehr“, sagt Schmidt. Nun muss das Teil nur noch im großen Stil produziert werden. Und irgendjemand den Einsatz überprüfen. Trotz dieser Lösung bleibe es weiter bei einer Hühnerzucht, die auf Leistungsmaximierung ausgerichtet sei, mahnt der Tierschutzbund.

Fest steht nur der Werbeetat

Hier finde weiter eine Unterscheidung zwischen wertem und unwertem Leben statt, kritisiert Grünen-Agrarexperte Friedrich Ostendorff. Dabei gebe es ja Zweinutzungshühner, die für Mast und Eierlegen geeignet seien. Der Ansatz sei genauso falsch wie beim Tierwohllabel: „Der Minister stellt 70 Millionen Euro fürs Marketing zur Verfügung. Auf welches Geld die Bauern hoffen dürfen, steht nirgendwo.“

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