Manager von heute: Abschied von der Macht
Die Arbeitswelt ändert sich fundamental. Social Media und eine neue Generation von Mitarbeitern fordern Manager heraus.
Früher war ein Chef leicht zu erkennen: Er hatte das größte Büro, die lauteste Stimme und entschied, wo es langgeht. Doch die Tage des autoritären Managertyps sind gezählt. Bei jungen Firmen wie Facebook, Google oder Xing ist das bereits anders: Hier sitzen die Führungskräfte inmitten ihrer Mitarbeiter und reden wie sie. Chefs gehen auf Kuschelkurs mit einer Generation, die dank des demografischen Wandels so begehrt und gleichzeitig so anspruchsvoll ist wie keine vor ihr. Generation Y, so nennen Soziologen die zwischen 1982 und 2000 Geborenen, die sich anschicken, die Arbeitswelt gründlich zu verändern.
Schon aufgrund ihrer schieren Masse: Weltweit dürften sie im Jahr 2025 mehr als 75 Prozent der Erwerbstätigen stellen, allein in Deutschland umfasst diese Altersgruppe etwa 15 Millionen Menschen. Aber auch aufgrund ihrer Eigenschaften und Vorstellungen von Leben und Beruf. Selbstbewusst sind sie, voller Idealismus und Tatendrang. Social Media wie Blogs, Twitter oder Wikis schätzen sie, Hierarchien lehnen sie ab. Machtspiele sind ihnen zuwider, genau wie feste Arbeitszeiten. Sie lieben Freunde, Freizeit und Familie. Ehrliche Anerkennung ist ihnen wichtiger als ein schicker Titel auf der Visitenkarte. Das alles zeigen Studien. Doch diese neue Gruppe von Beschäftigten zu führen ist alles andere als einfach. Dafür haben Arbeitgeber kein Patentrezept.
Die Jungen in der Belegschaft sehen zwar kein Problem, einen Chef zu haben, denn sie zollen Leistung und Erfahrung Respekt. „Aber sie akzeptieren Entscheidungen nur, wenn sie sie für sinnvoll halten“, sagt Stephan Dahrendorf. Der Unternehmensberater war zuvor Personalchef beim Online-Netzwerk Xing. Weil die Angestellten dort im Durchschnitt erst 32 Jahre alt sind, wird Dahrendorf oft zu Vorträgen über die Generation Y eingeladen.
Nun aber als Chef zu denken ’Na dann erlaube ich mal die Facebook-Nutzung während der Arbeitszeit und spendiere Mitarbeitern ein paar Tage im Home Office’ ist zu kurz gegriffen. Denn wir befinden uns in einer Ära fundamentalen Wandels, wie Arbeit auf allen Unternehmensebenen und über Organisationsgrenzen hinweg erledigt wird.
„Wissensproduktion gehorcht anderen Gesetzen als die industrielle Produktion“, sagt zum Beispiel Richard Straub. Er ist Präsident der Peter Drucker Gesellschaft Europa. Deren Mitglieder, renommierte Arbeitsforscher und Personalmanager. Sie widmeten sich auf ihrem jährlichen Forum in Wien der Frage: Wie sieht eigentlich „Management 2.0“ aus?
Straub und seine Mitstreiter sind überzeugt: „Die Rolle der Manager wandelt sich. Ihre Aufgabe wird es, Gestaltungsräume für Wissens-Produktivität zu eröffnen. Der neue Manager muss sich von Hierarchie und Befehlsgewalt weitgehend verabschieden.“ Vom künftig eher informellen Führungspersonal wird dafür Initiative, Teamfähigkeit, Kommunikationsgeschick, Kreativität und Lernfähigkeit erwartet.
Denn in der vernetzten Organisation von morgen formieren sich selbstständig und flexibel Projektgruppen unterschiedlicher Experten, die gemeinsam Lösungen erarbeiten. Mitarbeiter entscheiden selbst, wie sie an ihre Aufgabe herangehen. Fachfragen richten sie an wen sie wollen – vom Kollegen bis zum Vorstand.
Manager, die ihre Daseinsberechtigung bislang darin sehen, Untergebene anzuweisen, zu kontrollieren und Informationen von oben nach unten dosiert weiterzureichen, werden überflüssig. Soweit wie Gary Hamel, einer der einflussreichen Managementdenker der jüngeren Zeit, gehen die Teilnehmer des Peter-Drucker-Forums allerdings nicht. Der Professor an der London Business School setzt auf das komplette Selbstmanagement der Mitarbeiter und fordert radikal: Schafft die Manager ab! Das spare Kosten und beschleunige Entscheidungen kolossal.
Damit Unternehmen künftig schnell auf neue Kundenwünsche und Marktveränderungen eingehen können, müssen Informationen für alle Mitarbeiter zugänglich sein und Hierarchien entfallen. In diesem Punkt sind sich die Experten einig.
Der Weg dorthin kann jedoch lang und schwer werden. Ein solcher Kulturwandel in einem traditionellen Industrieunternehmen gleicht einer Operation am offenen Herzen. Dennoch experimentieren die ersten Dax-Unternehmen damit, ihre Hierarchie aufzubrechen. Der Chemiekonzern BASF etwa hat eine Art „internes Facebook“ eingeführt, in dem jeder Mitarbeiter für alle anderen Kollegen im Netz sichtbar macht, für welche Themen er Experte ist. Auf dieser globalen Plattform können Mitarbeiter außerdem gemeinsam und bereichsübergreifend an Lösungen für konkrete Fragestellungen arbeiten.
Bei Audi ist derzeit knapp ein Viertel der Belegschaft im Alter zwischen 17 und 32. Ob Azubi oder Akademiker, sie stellen Personalvorstand Thomas Sigi stärker als die Vorgängergeneration vor die Frage: Wie gestalten wir Personalentwicklung, Karriereplanung und Weiterbildung in Zukunft? Gleichwertige Fach- und Führungslaufbahnen sind da nur ein Mittel.
Ein anderes ist die Organisation der Arbeit in Projekten: Immer öfter werden Teams gebildet, in denen sich Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen für ein halbes Jahr mit einem konzernübergreifenden Thema beschäftigen. Ihre Arbeit teilen sie selbst ein, sie bekommen auch ein eigenes Budget. Ihre Ergebnisse präsentieren die Projektarbeiter dem Vorstand. „So haben sie immer wieder ein neues Thema auf dem Tisch, können frei und selbstständig arbeiten. Zudem werden die Ergebnisse auf höchster Ebene wahrgenommen“, sagt Personalvorstand Sigi. „Speedboot“ nennen sie bei Audi solche Projekte. „Einen Großkonzern kann man nicht von heute auf morgen umkrempeln“, sagt Sigi. Er hoffe aber, dass der Erfolg solcher Pilotprojekte einen Kulturwandel herbeiführen werde.
Doch Hoffnung allein reicht da nicht. Es müssen auch Widerstände beseitigt werden, denn bislang bedeutete eine Managementposition Macht und Prestige. Darauf zu verzichten, dürfte vielen schwerfallen.“Etwa 15 Prozent der etablierten Manager werden sich dem Wandel verweigern“, prognostiziert Personalforscherin Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung und Employability. Weitere 35 Prozent gelten als „Bremser“. Der Rest lässt sich in Schulungen von den Vorteilen überzeugen oder ist als „Treiber“ mit Begeisterung dabei. „Essenziell ist es, dass Verbindlichkeit vereinbart wird. Am besten, indem der Wandel in persönlichen Zielvereinbarungen der Manager festgehalten und mit ihrem Gehalt spürbar verknüpft wird“, sagt Rump.
Je mehr Mitglieder der Generation Y die in Rente gehenden Kollegen der Generation X, also der 1961 bis 1981 Geborenen sowie der Baby Boomer, die von 1943 bis 1960 zur Welt kamen, ablösen, umso mehr wird sich ein Führungsstil verbreiten, der Mitarbeiter einbindet. „Vor allem dort, wo auch bei der Managerbesetzung auf die entsprechenden Kompetenzen Wert gelegt wird“, sagt Sonja Sackmann, die das Institut für Entwicklung zukunftsfähiger Organisationen leitet. Forscherin Rump prognostiziert anhand ihrer Altersstrukturanalysen den Höhepunkt des Wandels in deutschen Unternehmen am Ende dieses Jahrzehnts. Die Aufgabe der wenigen verbleibenden Chefs ist es also, ein Umfeld zu schaffen, in dem Mitarbeiter ihr Talent entfalten können. Wer sich dazu bereit erklärt, ist nicht zu beneiden. Aber wird wichtiger denn je. HB
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