Christian Strenger: "Abhängigkeit behindert Kontrolle“
Christian Strenger, Mitglied der Regierungskommission Corporate Governance und Aufsichtsrat der größten deutschen Fondsgesellschaft DWS, spricht im Interview über Verhaltenskodizes und gute Unternehmensführung.
Herr Strenger, der Bundespräsident hat die freiwilligen Leitlinien für eine gute Unternehmensführung unlängst für gescheitert erklärt und gesetzliche Regeln ins Gespräch gebracht. Hat Horst Köhler recht?
Selbst bei hohem Respekt vor präsidentiellen Ansichten ist zu konstatieren, dass Deutschland beim Thema Corporate Governance gut vorangekommen ist. Einzelfälle wie Siemens oder Telekom fordern zur intensiven Abarbeitung auf. Sie sind aber trotz eines qualitativ anspruchsvollen Kodex immer wieder möglich. Ohne den laufend angepassten Kodex würde es eine viel höhere Zahl von Missständen geben. Internationale Defizite des Finanzmarkts und bedauerliche Einzelfälle sollten also nicht zu Pauschalurteilen über anerkannte Regelwerke auffordern.
Aber was sind Verhaltenskodizes und Selbstverpflichtungen wert, wenn sie nicht eingehalten werden?
In den genannten Fällen wurde offensichtlich die Chance verpasst, substanzielle Änderungen rechtzeitig durchzuführen. Hierzu gab es durch Gesetzesänderungen konkreten Anlass. Man sollte aber nicht glauben, dass früher bei anderen weltweit operierenden Konzernen im Wettbewerb um Großaufträge nicht ähnliche Dinge vorgekommen sind. Auf alle Fälle hätte man aber frühzeitig derartige Praktiken beenden müssen.
Wie erklären Sie sich, dass es dazu nicht kam?
Bei Großunternehmen mit Tradition und hoher Reputation kann eine frühzeitige Korrektur dadurch behindert werden, dass man glaubt, dass das im eigenen Unternehmen „doch nicht passieren kann“. Eindeutig war aber die Compliance der verantwortlichen Personen defizitär.
Versagen die Aufsichtsräte?
Funktionierende Compliance muss mehr denn je oberste Priorität haben. Wenn allerdings der langjährige Vorstandschef anschließend Aufsichtsratsvorsitzender wird und auch noch den Prüfungsausschuss leitet, kann eine funktionierende Kontrolle schwierig sein. Entscheidend ist, dass die für die Kontrolle verantwortlichen Personen ausreichend unabhängig sind und wirken. Langjährige gegenseitige Kenntnis und Verpflichtungen können eine effiziente Kontrolle behindern.
Bei der Telekom sind Vorstand und Aufsichtsrat womöglich gemeinsam zu weit gegangen. Wer kontrolliert da wen?
Dieser Fall war wohl eine rechtlich relevante Fehlhandlung, die an den zuständigen Gremien vorbeigelaufen ist. Selbst unabhängige Kontrolleure können dann erst bei Aufdeckung des Fehlverhaltens aktiv werden. Auch die besten Gesetze sind wirkungslos, wenn Einzelpersonen trotz gegenteiliger Vorschriften und Kodex-Empfehlungen zusammenwirken.
Das Interview führte Henrik Mortsiefer
Christian Strenger ist Mitglied der Regierungskommission Corporate Governance und Aufsichtsrat der größten deutschen Fondsgesellschaft DWS, einer Tochter der Deutschen Bank.
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