Ein bisschen weniger geheim: Abgeordnete dürfen TTIP-Unterlagen lesen
Die Bundesregierung reagiert auf Kritik an der Geheimhaltung bei den TTIP-Verhandlungen: Parlamentarier sollen nun auch brisante Dokumente einsehen.
Was bisher nur Regierungsmitglieder dürfen, soll künftig allen Abgeordneten des Bundestags möglich sein: Die Parlamentarier werden Dokumente des Transatlantischen Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA (TTIP) einsehen können. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wird an diesem Donnerstag einen eigens dafür eingerichteten Leseraum in seinem Ministerium eröffnen. Die Linke und die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hatten den Schritt den Schritt im Vorfeld als unzureichend kritisiert.
Der Leseraum besteht aus acht Arbeitsplätzen mit Computern, an denen die Abgeordneten sogenannte konsolidierte Verhandlungsdokumente einsehen können. Diese geben sowohl die Position der EU als auch der USA wieder. Sie gelten als Geheimdokumente. Die Abgeordneten verpflichten sich vor Einsicht in die Dokumente, die im Bundestag gültigen Regeln zur Geheimhaltung beim Umgang mit solchen Informationen einzuhalten.
Bisher dürfen nur Mitglieder nationaler Regierungen – in Deutschland also der Bundesregierung – TTIP-Dokumente einsehen. Allerdings haben davon bislang nur knapp 40 Vertreter der Bundesministerien Gebrauch gemacht. Sie können die Dokumente entweder im TTIP-Leseraum der EU-Kommission in Brüssel oder der US-Botschaft in Berlin lesen.
Ende 2015 hatten sich die Unterhändler der EU und USA allerdings auf eine Öffnung der Dokumenteneinsicht auch für nationale Parlamente geeinigt. Neben den Abgeordneten des Bundestags sollen bald auch die Mitglieder des Bundesrats den Leseraum benutzen können. Die Politiker müssen sich in einer vom Bundestag verwalteten Liste für einen Lesetermin eintragen. Im Leseraum dürfen sie sich Notizen nur mit Stift und Papier machen.
Das Abkommen ist umstritten
Gabriel wertet die Eröffnung des Leseraums als wichtigen Schritt für mehr Transparenz bei den laufenden TTIP-Verhandlungen. Der Vorwurf, EU und USA führten Geheimverhandlungen, überschattet die Verhandlungen – neben inhaltlicher Kritik – seit ihrem Beginn im Jahr 2013. Gegen TTIP waren im vergangenen Oktober 250.000 Menschen in Berlin auf die Straße gegangen.
Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte in der Vergangenheit die fehlende Transparenz der TTIP-Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und der US-Regierung bemängelt. Er begrüßte die Öffnung. Es bleibe aber abzuwarten, ob die technischen und zeitlichen Möglichkeiten zum Studium der Dokumente dem Informationsbedürfnis und den Informationsrechten der Abgeordneten genügen, erklärte Lammert.
Klaus Ernst, Bundestagsabgeordneter der Linken, kritisierte, dass die EU-Kommission nur auf Druck der Öffentlichkeit und der Abgeordneten „Selbstverständlichkeiten“ Realität werden lassen. „Dass Abgeordneten nun Einsicht in Dokumente erhalten, ist längst überfällig“, betonte auch die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, die Bedingungen seien jedoch inakzeptabel. Sie würden aus dem Leseraum eine Art „Hochsicherheitstrakt“ machen. Foodwatch forderte zudem eine Debatte über die Inhalte. „Ist der Vertrag erst fertig ausgehandelt, wird es zu spät sein“, hieß es am Dienstag. (mit AFP)